In diesem Zusammenhang sind Rohrleitungssysteme eine wichtige Stellschraube, da sie über die gesamte H₂-Wertschöpfungskette hinweg zum Einsatz kommen. Insbesondere während der Produktionsphase, wo sie Medien wie Reinstwasser, Gas-Wassergemische und chemische Substanzen transportieren, haben Rohrleitungssysteme einen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensdauer der Anlage und Wirtschaftlichkeit.
Ein ausschlaggebendes Kriterium ist dabei die korrekte Materialauswahl, wie die jahrzehntelange Erfahrung aus fordernden Bereichen wie der Halbleiterfertigung oder der chemischen Prozessindustrie verdeutlicht. Während in der Wasserstoffproduktion oftmals noch traditionelle Metallrohre zum Einsatz kommen, haben sich in diesen Industrien produktionsbedingt Kunststoffe als leistungsfähige Alternative durchgesetzt. Ziel ist hier zu zeigen, dass Kunststoffrohrleitungssysteme für die Wasserstoffproduktion großes Potential haben und warum sie Metallrohren vor allem in Anwendungen mit Reinstwasser überlegen sind.
Reinstwasser als Kernstück der H2-Produktion
Um konstant Wasserstoff in einer Elektrolysezelle herzustellen, benötigt es Zusatzwasser in Form von Reinstwasser. Die Anforderungen an dieses Zusatzwasser werden vom Hersteller der Anlage gemäß der Norm ISO 22734 für industrielle Elektrolyseure vorgegeben. Hier ergibt sich jedoch eine Herausforderung: Nachdem die Wasseraufbereitung die erforderliche Qualität sichergestellt hat, darf das Reinstwasser auf dem Weg zum Elektrolysestack nicht wieder verunreinigt werden. Denn Degradierungsprozesse durch verunreinigtes Wasser können zu erhöhtem Energiebedarf, hohen Wartungskosten und wartungsbedingten Ausfallzeiten führen.
Kritisch sind zum einen gelöste Metallionen, die in die Elektrolysezelle gelangen und dort die Leistung der Elektroden beeinträchtigen, und zum anderen der Austrag von organischen Kontaminanten (Total Organic Carbon, TOC), die Membranen durch Reaktionen mit Nebenprodukten bei der H₂-Produktion beschädigen können. Die nächste Herausforderung entsteht durch die zu transportierenden Fluide: Manche Elektrolyseure erfordern neben Reinstwasser auch hochkorrosive Medien, welche die Lebensdauer von Werkstoffen beeinträchtigen und somit Rohrleitungssysteme stark beanspruchen. Hinzu kommt, dass den Kreisläufen von Elektrolyseuren mit Flüssigelektrolyten immer wieder Reinstwasser zugeführt und Kreislaufwasser entnommen werden muss, um Verunreinigungen zu entfernen und frisches Wasser für die Generation von H₂-Ionen zuzuführen. Daraus ergeben sich für die Auswahl des Rohrleitungsmaterials vier zentrale Faktoren:
- Ein möglichst geringer Leach-Out, oder Austrag des Werkstoffs, um Verunreinigungen zu verhindern
- Eine geringe Oberflächenrauheit der Rohrwandungen, um Ablagerungen vorzubeugen
- Das Design der Anlage, da je nach Verfahren unterschiedliche Temperaturen, Drücke und Medien vorherrschen
- Die Position innerhalb der Anlage, da auch hier Temperaturen und Drücke schwanken
Kunststoffe in Elektrolyseuren
Das größte Potential von Rohrleitungssytemen aus Kunststoff liegt im Reinstwassertransport von der Wasseraufbereitung bis zum Eingang in den Elektrolyseur. Um die Vorteile zu verstehen lohnt sich ein Blick auf die Anforderungen verschiedener Produktionsverfahren.
AEL
Bei der alkalischen Elektrolyse wird meist stark konzentrierte Kalilauge (KOH) als Elektrolyt eingesetzt, was sowohl für Metall als auch Kunststoff sehr anspruchsvoll ist. Hier gibt es die Möglichkeit, bestimmte thermoplastische Kunststoffe bei Niederdruck Fahrweise einzusetzen.
PEM
Die Polymerelektrolytmembran-Elektrolyse setzt direkt Reinstwasser zu Wasserstoff und einem Kondensat aus Sauerstoffübersättigtem Wasser um. Somit sind Kunststoffe mit geringem Leach-Out für den Reinstwasser-Transport generell gut geeignet, jedoch müssen die hohen Temperaturen und Drücke im Zulauf des Stacks berücksichtigt werden.
AEM
Bei der Elektrolyse mit anionenleitender Membran kommt eine Kombination aus Reinstwasser und leichter Kalilauge mit 1-3 % zum Einsatz, die für Kunststoffe einfach zu handeln sind, so dass hier ähnliche Anforderungen herrschen wie bei der PEM-Elektrolyse.
SOEC
Die Festoxid-Elektrolyse erfordert deutlich höhere Drücke und Temperaturen, die sich außerhalb der Anwendungsgrenzen von Kunststoff bewegen. Somit sind sie hier nicht geeignet. Allerdings wird hier auch Reinstwasser zugegeben, welches später im System verdampft wird und bei diesem Prozess so wenig Ablagerungen wie möglich bilden soll.
Kunststoffe überzeugen durch ihre chemische Beständigkeit
Grundsätzlich kommen Kunststoffrohrleitungssysteme also für Anwendungen in der PEM, AEM und in der Niederdruck AEL-Elektrolyse in Frage. Dabei vereinen sie einige wichtige Eigenschaften: Auf der einen Seite sind sie chemikalien- und korrosionsbeständig, was die Lebensdauer verlängert und den Wartungsaufwand minimiert. Auf der anderen Seite ermöglichen Kunststoffe flexible Verbindungstechnologien wie das Infrarotschweißen, welches aufgrund der kleinen Schweißnähte Vorteile bietet. In Kombination mit ihrem geringen Gewicht sind sie auch einfacher und schneller zu installieren und stellen im Vergleich zu Metall häufig eine wirtschaftlichere Alternative dar. Zudem haben sich Kunststoffrohrleitungssysteme in den unterschiedlichsten Industrien bewiesen. Langjährige positive Erfahrungen gibt es z.B. in der Halbleiterproduktion, wo der Transport von Reinstwasser und eine hohe chemische Beständigkeit von zentraler Bedeutung ist.
Diese ist mit Blick auf die Wasserstoffproduktion besonders wichtig in der alkalischen Elektrolyse, bei der sich das Elektrolyt in Form von Kalilauge mit ca. 25 bis 30 Prozent bei ca. 80°C in einem Kreislauf befindet, der die Elektroden überströmt und dabei gasförmigen Sauerstoff und Wasserstoff produziert. Kalilauge kann bei hohen Temperaturen viele Materialien stark chemisch angreifen, was eine Herausforderung für viele Materialien darstellt. Die Spezifikationen für diese Anwendungen sind äußerst anspruchsvoll, da hohe Temperaturen und die chemische Aggressivität der Kalilauge sowohl Kunststoffe als auch Stahlwerkstoffe stark angreifen. In niedrigen Druckbereichen gibt es jedoch auch hier bestimmte thermoplastische Fluorkunststoffe, die eingesetzt werden können. Aktuell werden weitere Kunststoffe in der AEL-Elektrolyse untersucht.
Einsatz bei PEM und AEM-Elektrolyseuren
Bei der PEM und AEM-Elektrolyse sind hingegen thermoplastische Fluorkunststoffe oder Polyolefine aufgrund ihrer Materialeigenschaften vielseitig einsetzbar. Je nach Elektrolyseur- Typ können aber auch verschiedene Kreisläufe ausgelegt sein, bei denen spezielle Anforderungen gelten. Beispielsweise wird bei der PEM-Elektrolyse aus dem sauerstoffhaltigen Gas-/Wassergemisch im Kondensat-Loop zunächst der übersättigte Sauerstoffanteil getrennt und separiert, danach wird das noch heiße Kondensat wieder mit dem Zusatzwasser dem Stack zugeführt. Gerade in dem Bereich, in dem das Kondensat noch mit Sauerstoff übersättigt ist, entsteht ein stark korrosives Fluid, dass nicht nur Metalle, sondern auch bestimmte Kunststoffe angreifen kann. Auch für diesen Einsatzzweck gibt es in Abhängigkeit vom Druck Lösungen aus Kunststoff.
In Bezug auf die chemische Beständigkeit lässt sich folgern: Kunststoffe haben sich in anderen Industrien als besonders chemikalienbeständige Alternative zu Metallrohren bewiesen, von der auch die H₂-Produktion profitieren kann. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionsprinzipien und Auslegungen bei den Elektrolyseur-Typen müssen bei der Wahl von Kunststoffen immer die Kernfaktoren Fluid, Temperatur und Druck genau berücksichtigt werden, um eine maximale Lebensdauer und Prozesssicherheit zu gewährleisten.
Ein geringer Leach-Out Wert für eine effizientere Produktion
Das vielleicht wichtigste Argument für Kunststoff in Wasserstoffanwendungen mit Reinstwasser ist der geringe Leach-Out der Materialien. Zwar geben die Hersteller von Elektrolyseuren derzeit keine einheitlichen Grenzwerte vor, jedoch bewegen sie sich für TOC und Metallionen jeweils im unteren ppb-Bereich (parts per billion). In diesem Zusammenhang überzeugt ein Werkstoff wie Polypropylen-Homopolymer (PP-H) nicht nur mit Korrosionsbeständigkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch mit sehr guten Leach-Out-Werten, die im Vergleich zu Edelstahl deutlich niedriger sind. Welche Folgen ein höherer Leach-Out haben kann, zeigt ein Blick in die Wissenschaft. In einem 2023 veröffentlichten Paper der Royal Society of Chemistry kommen die Autoren zu dem Schluss: „Metallische Verunreinigungen, wie Eisen, Nickel und Kupfer, können durch Korrosion in das Elektrolysewasser gelangen und zu erheblichen Leistungseinbußen führen“ (Becker et al, Impact of Impurities, Sustainable & Energy Fuels, 2023,7,1565.).
Ein Beispiel aus der Praxis sind Kondensatleitungen, die traditionell häufig aus Edelstahl gefertigt und durch den hohen Sauerstoffgehalt stark von Korrosion gefährdet sind. Bei Temperaturen von über 60°C in Verbindung mit Reinstwasser und Edelstahlrohren können sich kleinste Eisenoxid-Partikel auf die Wandungen belegen. Dieses als „Rouging“ bezeichnete Phänomen ist aus der Pharmaindustrie bekannt und kann zu kurzen und kostenintensiven Reinigungsintervallen führen. Bei Elektrolyseuren kann es außerdem dazu führen, dass die Standzeit der Harze in der Polisher-Wasseraufbereitung drastisch verkürzt wird.
Im Vergleich zu Metallrohren können Kunststoffrohrleitungssysteme hingegen die Kontamination des Reinstwassers und damit auch der Elektrolyse-Stacks mit metallischem und organischem Austrag deutlich verringern. Dies führt voraussichtlich zu einer erhöhten Lebensdauer, sondern auch zu einem höheren Wirkungsgrad, da weniger Strom für dieselbe Menge an Wasserstoff aufgebracht werden muss. Somit ist der Einsatz von Kunststoffen in Elektrolyseuren sowohl wirtschaftlicher als auch energieeffizienter – zwei zentrale Faktoren für die Skalierung der grünen Wasserstoffproduktion.
Anlagen durch Engineering optimieren
Während Planer und Anlagenbetreiber in Bereichen wie der chemischen Prozessindustrie oder Halbleiterproduktion jahrzehntelange Erfahrung mit Kunststoffen haben, kommen sie in der Wasserstoffindustrie nicht im selben Umfang zum Einsatz. Im Vergleich zu Metall haben Kunststoffe unterschiedliche Eigenschaften, die bei der Auslegung von Elektrolyseuren berücksichtigt werden müssen. Zudem bewegen sich vor allem die Temperaturen in einigen Anwendungen in den Grenzbereichen der Werkstoffe. Daher ist es ratsam, während der Engineering-Phase basierend auf dem spezifischen Anlagen- und Medienleitungsdesign die einzelnen Materialien zu qualifizieren, um die notwendige Lebensdauer zu gewährleisten.
Hier können Experten für den Anlagenbau mit Kunststoff und im besten Fall die Hersteller von Rohrleitungssystemen unterstützen, denn nach einer fachgerechten Prüfung und Bewertung können sogar Spezifikationen freigegeben werden, die über die typischen Temperatur- und Druckgrenzen hinausgehen. Mögliche Dienstleitungen umfassen z.B. den statischen Nachweis des Rohrleitungssystems, der gerade bei einem Wechsel von Metall auf Kunststoff sinnvoll ist, da hier Faktoren wie die Spannung, Biegung, Stauchung und Ausdehnung berechnet werden. Dies liegt u.a. daran, dass sich Temperaturunterschiede zwischen Inbetriebnahme und Betrieb oder innerhalb des Betriebes, wie beim An- und Abfahren der Anlage, bei Kunststoff und Metall unterschiedlich auswirken. Bei der hydraulischen Auslegung werden hingegen die korrekten Dimensionen, der Druckverlust über das System oder den Kreislauf hinweg, der Wärmeverlust oder Pumpenleistungskurven ermittelt. Auch die Berechnung der Spitzenlast ist eine wichtige Komponente der Planung.
Nicht zuletzt kann die Inbetriebnahme von Anlagen durch die Vorfertigung optimiert werden. Mit umfangreichen Planungshilfen wie CAD-Bibliotheken können maßgeschneiderte Lösungen konstruiert werden, die auf eine spezifische Anwendung abgestimmt sind. Gerade bei größeren Produktionsanlagen sind die Header, welche das Reinstwasser auf die einzelnen Stacks verteilen, ein Bauteil, das ideal für die Vorfertigung geeignet ist. Da die Schweißungen im Vorfeld durchgeführt werden, müssen die vorgefertigten Komponenten nur noch mechanisch z.B. über Flansche oder Gewinde verbunden werden. Das Ergebnis ist eine schnelle und effiziente Installation.
Fazit
Insbesondere aufgrund ihrer chemischen Beständigkeit, einem äußerst geringen Leach-Out und ihrer Flexibilität qualifizieren sich Kunststoffrohrleitungssysteme deutlich vor Metallwerkstoffen für Anwendungen mit Reinstwasser und speziell für Elektrolyseure. Sie minimieren das Risiko von Kontaminationen und bieten eine kosteneffiziente Lösung für die Herausforderungen der Elektrolyse. Gleichzeitig sind Studien und Materialtests sinnvoll, um ihre Langzeitstabilität und Eignung unter extremen Betriebsbedingungen zu gewährleisten. Kooperationen mit Forschungsinstituten und kontinuierliche Innovationen werden hierbei eine entscheidende Rolle spielen, um die Vorteile von Kunststoffrohren voll auszuschöpfen. Doch schon heute können sie die Produktion grünen Wasserstoffs wirtschaftlicher und energieeffizienter machen.
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Interview mit dem Autor des Fachartikels Cyrus Ardjomandi.
Interview mit Rachel Bros De Puechredon.