Der Klimaschutzplan 2050 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sieht vor, sich weiter von den fossilen Brennstoffen zu entfernen, um die deutschen und europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. Für die Gasnetzkunden bedeutet dies: weg vom fossilen Erdgas und hin zu einem klimaneutral erzeugten Gas, wie zum Beispiel Wasserstoff.
Aufgrund dessen planen viele Gasnetzkunden derzeit eine Beimischung von 25 bis 100 Prozent Wasserstoff im gasförmigen Zustand, was die Richtung in eine klimafreundlichere und kohlenstoffärmere Zukunft weist. Um dies zu ermöglichen, sind neue Technologien und Produkte notwendig, um den Umgang mit Wasserstoff effizient und sicher zu gestalten. Gasturbinen mit bis zu 30 Prozent Wasserstoff-Beimischung sind aktuell in der Planung und im nächsten Schritt soll auf 100 Prozent erhöht werden.
Armaturen innerhalb des Gasnetzes
Armaturen spielen bei der Verarbeitung von Gasen eine entscheidende Rolle. Sie regeln den Druck, sperren den Fluss des Gases und sorgen für einen reibungslosen Prozess in diversen Anwendungen (Bild 1). Diese Funktion ist auch beim Wechsel von Erdgas auf Wasserstoff wichtig, da die Sicherheit immer an erster Stelle steht. Aufgrund dessen müssen Ventile speziell entwickelt oder überarbeitet werden, um das Handling von hohen Drücken und den Volumenstrom von Gasgemischen oder reinem Wasserstoff bestmöglich zu unterstützen.
Erdgas vs. Wasserstoff – Was ist zu beachten?
Hora hat bereits Ventile für bis zu 100 Prozent Wasserstoff produziert und geliefert sowie bestehende Erdgasventile in wasserstofftaugliche Ventile umgebaut. André Vehring, Key Account Manager bei Hora, kennt die Schmerzpunkte der Kunden und kann bei diesen Fragen Antworten liefern.
Worauf kommt es bei dem Wechsel von reinem Erdgas zu einer Wasserstoffbeimischung an?
André Vehring: Es gilt mehrere Aspekte zu berücksichtigen – elektrischen und mechanischen Explosionsschutz, die Dichtungstechnik, sowie die Grundwerkstoffe. Nicht alle Metalle können unter erhöhter Beimischung von Wasserstoff eingesetzt werden. So kann es bei manchen Materialien z. B. zur sogenannten Wasserstoffversprödung kommen, womit eine vorzeitige Materialermüdung oder gar ein Komplettausfall einhergeht. Wesentlichen Einfluss haben die vorliegenden Design- und Betriebsbedingungen in der Anwendung. So liegt im Erdgasnetz z. B. ein Druck von 85 bar(g) vor. Die Eckdaten werden durch unsere Spezialisten individuell bewertet. Auf dieser Basis erfolgt im Technischen Vertrieb die Auslegung einer Armatur, zugeschnitten auf die Applikation des Kunden.
Wann kommt ein Retrofitting in Frage, wann muss eine neue Armatur gewählt werden?
André Vehring: Grundsätzlich bestehen für ein Retrofitting die gleichen Anforderungen wie für eine Neuarmatur. Anwendungsbezogen muss daher zuerst die metallische und dichtungsbezogene Materialkonformität geprüft werden. Wenn das Erdgasventil in Zukunft mehr als 30 Prozent Wasserstoffanteil regeln soll, ist in der Regel ein Retrofitting möglich.
Wenn der Wasserstoffanteil über 75 Prozent beträgt, wird oftmals eine Neuarmatur notwendig. Ursache für diese Grenzen sind die Anforderungen aus dem mechanischen Explosionsschutz durch den Gasgruppenwechsel von IIB in IIC. Nach Untersuchungen des BAM 2016 (siehe Bild) ist das Verhalten der Grenzspaltweite nahezu linear zum Verhältnis der Stoffe Erdgas bzw. Wasserstoff. Ab ca. 30 Prozent Wasserstoffzumischung tritt der Wechsel der Explosionsuntergruppe IIA zu IIB und bei rund 75 Prozent der Wechsel von IIB in IIC auf.
Was bedeutet dieser Wechsel genau?
André Vehring: Aus dem Wechsel der Explosionsuntergruppen folgen erhöhte technische Anforderungen an das Produkt in Bezug auf die elektrischen Komponenten als auch konstruktive Details. Unter anderem besteht bei IIC eine größere Gefahr, dass an der Spindelabdichtung bei häufiger und schneller Betätigung zu viel Hitze erzeugt wird, was eine Entzündung des brennbaren Mediums hervorrufen könnte.
Wie kann man die Explosion in diesem Fall verhindern?
André Vehring: In Bezug auf elektrischen Ex-Schutz ist die Komponentenauswahl im Antriebskonzept zu berücksichtigen. Im konstruktiven Ex-Schutz wird die Gefahr durch Verringerung der Spaltmaße erreicht. Dies unterbindet die Flammenausbreitung. Ein weiterer Punkt des mechanischen Explosionsschutzes ist auch die Lackierung. Die nicht-leitfähigen Schichtdicken dürfen eine Dicke von maximal 0,2 mm DFT nicht überschreiten, um eine Weitergabe der Aufladung an die umgebenen geerdeten Bauteile zu sichern. Übliche Schichtstärken bei Außenaufstellung sind jedoch >0,2 mm (200 μm) DFT und können daher nur schwer realisiert werden. Die Anforderungen der Umgebungsbedingungen und Ex-Schutz stehen somit im Gegensatz. Wir haben ein Hora-Wasserstoff-Lacksystem, das sowohl die Anforderungen des Explosionsschutzes bei IIC als auch allen Anforderungen für Außenaufstellung selbst bei rauen Witterungsverhältnissen wie C5 erfüllt.
Gibt es noch weitere Explosionsgefahren, die beachtet werden müssen?
André Vehring: Ja, es gibt noch weitere Explosionsgefahren, die auch im direkten Zusammenhang mit einer statischen Aufladung stehen. Selbst für kleine Details wie Aufkleber ist Zusätzliches zu beachten. Beispielsweise ist die Fläche nicht ableitfähiger Aufkleber in der Zone 1 und 2 um fünfmal kleiner auszuführen, um einer Explosion durch statische Aufladung vorzubeugen.
In diesem Zusammenhang erhält Hora vermehrt Anfragen von Gasnetzkunden für eine potenzielle Umstellung auf einen erhöhten H2 Prozentanteil im Erdgas. Die Anwendungen der Gaskunden reichen von Kavernen- und Porenspeichern, über Transport und Verdichterstationen bis hin zu Gasdruckregel- und Messanlagen, für die unterschiedliche Lösungen bereitgestellt werden können. Für die verschiedenen Anwendungen hat Hora ein patentiertes Dichtungssystem entwickelt, das über einen langen Zeitraum Leckrate A gewährleistet. Ebenso erfüllen die Gehäuse und Spindelabdichtungen alle TA Luft-Anforderungen, sodass ein Austreten von Emissionen in die Umwelt verhindert wird (Bild 2).
Bedingt durch die veränderte Gaszusammensetzung stellen sich die Unternehmen recht schnell die Frage, ob ihre Gasarmaturen ausgetauscht werden müssen oder einem Retrofitting unterzogen werden können.
Für jede Anforderung die optimale Lösung
Für den anstehenden Wechsel in eine dekarbonisierte Zukunft mit Wasserstoff gibt es also Einiges zu beachten. Hora bietet seinen Kunden eine optimale Lösung zugeschnitten auf die jeweiligen Applikationen und Prozesse. Um den anstehenden Wechsel in ein neues Energiezeitalter voranzutreiben und Anwendern die Unsicherheiten zu nehmen, veranstaltet Hora zusammen mit Partnerunternehmen kostenfreie Webinare zum Thema Wasserstoff mit der Überschrift „Mit Industriearmaturen ins Wasserstoffzeitalter“.
Die Termine können auf dem LinkedIn-Profil des Unternehmens eingesehen werden.