Ammoniak-Cracking könnte bald nicht nur Wasserstoff, sondern auch Düngemittel erzeugen. Beide Vorgänge sind bislang separate chemische Prozesse. Mit seinem neuen Ansatz zeigt ein Team der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Duisburg-Essen, dass im Labormaßstab beides miteinander verbunden werden kann. Die Bochumer Gruppe um Ieva Cechanaviciute und Prof. Dr. Wolfgang Schuhmann hat in der Zeitschrift Angewandte Chemie International Edition am 23. Juni 2024 über ihre Ergebnisse berichtet.
Die Produktion von grünem Wasserstoff erfordert Strom aus erneuerbaren Quellen. Nach Ansicht von Prof. Schuhmann kann dies nur in Ländern wie Namibia erfolgen, die viel Platz für Windkraft und viel Sonne für Fotovoltaik bieten. Daher brauche die deutsche Wasserstoffwirtschaft H2-Importe aus „entfernten Ländern”. Aufgrund seiner hohen Energiedichte und guten Handhabbarkeit empfiehlt Schuhmann Ammoniak als Transportmedium: „Ein Tanker gefüllt mit flüssigem Ammoniak würde etwa 2,5-mal mehr Energie transportieren als ein Tanker gefüllt mit flüssigem Wasserstoff“
Am Bedarfsort müsste der Ammoniak schließlich wieder in Wasserstoff umgewandelt werden. In der Regel passiert das mit der umgekehrten Haber-Bosch-Reaktion, auch als Ammoniak-Cracking bekannt. Dabei wird Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoff umgesetzt. Von den beiden Produkten kann allerdings nur der Wasserstoff gewinnbringend genutzt werden.
Doppelter Wasserstoff-Output
„Wir hatten daher die Idee, die umgekehrte Haber-Bosch-Reaktion mit einer zweiten Elektrolyse von Wasser zu verknüpfen und dabei statt Stickstoff ein Produkt zu erzeugen, das man leicht für die Produktion von Dünger verwenden kann, wie Nitrit oder Nitrat“, erzählt Ieva Cechanaviciute.
In dieser Reaktion werden also Ammoniak und Wasser in Nitrit und Wasserstoff umgewandelt. Im Gegensatz zur umgekehrten Haber-Bosch-Reaktion verdopple sich dabei der Wasserstoff-Ertrag. Zudem entstehe anstelle des verwertbaren Stickstoffs überwiegend Nitrit – ein optimaler Ausgangsstoff für die Produktion von Düngemitteln.
Für die Reaktion setzte das Team Gasdiffusionselektroden ein, in die gasförmiges Ammoniak werden kann. „Das wurde zuvor nie gemacht“, erläutert Wolfgang Schuhmann. „Ammoniak wurde immer in gelöster Form genutzt.“
Den thermodynamischen Grand Canyon überbrücken
Eine Herausforderung für die Forschenden war dabei die Suche nach einem geeigneten Katalysator. Denn durch das energetische Gefälle neigen die Ausgangsstoffe dazu, sich in Stickstoff umzuwandeln und nicht in Nitrit. „Wir mussten erst einmal diesen thermodynamischen Grand Canyon überbrücken“, beschreibt Cechanaviciute.
In früheren Arbeiten hatte das Team zuvor mit Multimetallkatalysatoren experimentiert, die sich für diesen Zweck als geeignet erwiesen. Mit ihnen ließ sich der gasförmige Ammoniak zu 87 Prozent in Nitrit umsetzen. Zudem schaffte es das Team nach eigenen Angaben, Sauerstoff als unerwünschtes Nebenprodukt der Wasser-Elektrolyse zu vermeiden.
„Mit unserer Arbeit zeigen wir, dass unser Gedankenexperiment prinzipiell funktioniert“, resümiert Wolfgang Schuhmann. „Aber wir sind weit entfernt von einer technischen Umsetzung im Industriemaßstab.“
(Quelle RUB/2024)