04. August 2023 | Experten des Forschungszentrums Jülich glauben, eine Lösung für die Wasserstoffwirtschaft der Zukunft in Deodorant-Sprühflaschen gefunden zu haben: Dimethylether (DME). Das Treibgas könnte sich nach neuesten Erkenntnissen als effizienter Wasserstoffspeicher eignen.
Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich, der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg und des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben in der Fachzeitschrift Energy & Environmental Science einen Artikel zu Dimethylether als Wasserstoffspeicher veröffentlicht.
Darin bezeichnen sie den geschlossenen DME/CO2 Kreislauf als „bisher unterschätzten Wasserstoffspeicher“ und zeigen das Potenzial von DME für Wasserstofftransporte über sehr große Entfernungen auf. Die Technologie sei geeignet, einen „signifikanten Einfluss auf die zukünftige weltweite Wasserstoffwirtschaft“ auszuüben.
Pro Masse transportiertem DME werde deutlich mehr nutzbarer Wasserstoff freigesetzt als im Fall von Ammoniak oder Methanol. Außerdem sei DME im Gegensatz zu Ammoniak und Methanol ungiftig und deshalb einfacher zu handhaben.
„Man kann das Handling von DME mit einem Gas wie Butan vergleichen, das in einer Campinggasflasche aufbewahrt werden kann“, erklärt Autor Dr. Michael Alders vom Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich.
Vorteile von DME im Wasserstofftransport
Die benötigte Temperatur für die Wasserstofffreisetzung sei bei DME (250°C-400°C) vergleichbar mit Methanol (250°C-300°C) und geringer als bei Ammoniak (400°C-600°C). Die volumetrische Energiedichte ist mit 6 kWh pro Liter höher als bei Methanol (4,9 kWh/L) und Ammoniak (4,0 kWh/L). Auch auf das Gewicht umgerechnet ernthalte DME pro kg am meisten Energie, nämlich 8,7 kWh, im Vergleich zu Methanol (6,2 kWh/kg) und Ammoniak (5,9 kWh/kg).
„Zwar sind die wesentlichen Teilschritte einer auf DME basierten Wasserstoffspeicherung bekannt. Bisher sind sie aber noch nicht zu einer Wasserstoffspeichertechnologie verknüpft worden“, sagt der INW-Gründungsdirektor Prof. Peter Wasserscheid, der zu den Autoren gehört. „Das werden wir am INW in Zusammenarbeit mit unseren Partnern vorantreiben. Das Interesse am DME-CO2-Wasserstoffspeichersystem ist in der Industrie sehr groß.“
Pfandflaschen-Prinzip
Die Autoren kommen unter anderem zu der Schlussfolgerung, dass DME gut geeignet sei, Wasserstoff über lange Seewegstrecken zu transportieren. Etwa von Regionen mit großem Wasserstoff-Produktionspotenzial wie Südamerika oder Australien nach Europa. Denkbar ist laut Autor Sebastian Thill (INW), den Wasserstoff dann an den Nordseehäfen mittels Dampfreformierung freizusetzen.
Das zweite Spaltprodukt nach der Reaktion, CO2 , könne anschließend ähnlich dem Prinzip der wiederverwertbaren Pfandflasche mit demselben Schiff zurück an die Standorte der Wasserstoffproduktion transportiert und dort erneut mit Wasserstoff beladen werden.
„Wir reden über einen emissionsfreien Kreislauf, bei dem das eingesetzte CO2 vielfach zum Wasserstoff-Transport genutzt wird und nicht in die Atmosphäre gelangt“, so Thill.

Quelle: Forschungszentrum Jülich
DME: Wasserstoffspeicher aus der Deo-Flasche?
DME verflüssigt sich bei geringem Druck. Es ist leicht entzündlich und bildet CO2 und Wasserstoff H2, wenn es während der sogenannten Dampfreformierung mit Hilfe von Wasserdampf reagiert. Das Verflüssigen bei geringem Druck ist relevant für die Verwendung in sprühbaren Deodorants.
Unter Druck ist DME in der Flasche flüssig; wird es freigesetzt, geht es in den gasförmigen Zustand über und eignet sich deswegen als Träger für die Duft- und Wirkstoffe des Deos. DME ist damit eines der Treibgase, die das für die Ozonschicht schädliche FCKW abgelöst haben.
„Die Eigenschaften von DME sind alle bekannt“, sagt Alders.
Neben dem INW war seitens des Forschungszentrums auch das Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für erneuerbare Energien (HI-ERN) an der Arbeit beteiligt.