4. Juli 2024 | Wasserstoff aus Sonnenenergie: Die direkte solare Wasserspaltung gilt als interessante Alternative zur Elektrolyse. Im Verbundprojekt Neo-PEC haben Forschende aus drei Fraunhofer-Instituten hierfür eine modulare Lösung entwickelt, die eine hoch flexible Wasserstofferzeugung und -versorgung mit Sonnenenergie möglich macht.
Kern der Fraunhofer-Entwicklung ist ein sogenanntes Tandem-PEC-Modul (von englisch photoelectrochemical cell (PEC)). Es ähnelt seinem Photovoltaik-Pendant. Der Unterschied: Der Strom wird nicht erzeugt, um später bei der Elektrolyse zum Einsatz zu kommen. Stattdessen läuft der gesamte Vorgang der Wasserstoffproduktion in ein und derselben Einheit ab. Dabei ist Vorsicht geboten: Da im Prozess Wasserstoff und Sauerstoff entstehen, muss der Aufbau so gestaltet sein, dass die Gase strikt voneinander getrennt erzeugt werden und bleiben.
Für die Tandemzelle beschichten die Fachleute handelsübliches Float- oder Flachglas auf beiden Seiten mit halbleitenden Materialien. Bei Sonneneinstrahlung absorbiert eine Modul-Seite das kurzwellige Licht. Gleichzeitig dringt das langwellige Licht durch die obere Glasschicht und wird auf der Umkehrseite aufgenommen. Dabei setzt das Modul auf der Umkehr- oder Kathodenseite Wasserstoff und auf der oberen Anodenseite Sauerstoff frei.
Die Fraunhofer-Wissenschaftler:innen entwickelten über die dreijährige Laufzeit des Projektes hochreine Halbleitermaterialien, die sie mit besonders schonenden Beschichtungsverfahren aufbringen. Dadurch sind sie nach eigenen Angaben in der Lage, die Wasserstoffausbeute des Prozesses zu erhöhen. Wie Wasserstoff aus Sonnenenergie wettbewerbsfähig werden kann, hatte zuletzt das Helmholz-Zentrum Berlin untersucht.
Skalierbare H2-Produktion über PV-Module
Die im Modul verknüpften Photovoltaik-Elemente versorgen das System mit einer zusätzlichen Spannung: Sie wirkt wie ein Turbo, der die Aktivität beschleunigt und den Wirkungsgrad zusätzlich steigert. Die kompakten Elemente können „ohne negative Nebeneffekte” nach Bedarf zusammengeschaltet werden, von einem Einzelmodul bis zu weiten Areale. Dr. Arno Görne, Gruppenleiter Funktionswerkstoffe für hybride Mikrosysteme am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, erläutert:
„Über die Gasphase bauen wir Nanometer-dicke Schichten auf dem Glas auf. Die dabei entstehenden Strukturen haben einen großen Einfluss auf die Reaktor-Aktivität, zusätzlich zu den eigentlichen Materialeigenschaften, die wir ebenfalls optimiert haben.”
Das Ergebnis ist ein Reaktor, dessen aktive Fläche einen halben Quadratmeter misst. Getrennt vom Sauerstoff erzeugt er den Wasserstoff, der unmittelbar aufgefangen und quantifiziert werden kann. Aktuell erbringt ein einzelnes Modul bei europäischer Sonneneinstrahlung eine Leistung von über 30 Kilo Wasserstoff pro Jahr auf 100 Quadratmeter. Mit dieser Ausbeute könnte beispielsweise ein Wasserstoff-Auto 15 bis 20.000 Kilometer zurücklegen.
Kompetenzen verketten
Das Projekt sehen die Institute als gelungenes Beispiel für die institutsübergreifende Zusammenarbeit. Im Rahmen des nun abgeschlossenen Vorhabens erforschte das Fraunhofer IKTS Materialien und Prozessierungen für die fotoaktive Schicht. Die Kolleg:innen des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST brachten ihre Erfahrung in der Großflächenbeschichtung mittels physikalischer Gasphasenabscheidung ein. Das Reaktordesign, die Fertigung und Evaluierung der Module oblag den Expert:innen des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik CSP.
Die Funktionalität von Modul und Zusammenschaltung haben die Projektpartner laut Pressemitteilung des Fraunhofer IKTS „in zahlreichen Feldversuchen” bewiesen. Doch die Fraunhofer-Teams, die ihren Reaktor erstmals im Juni auf der Fachmesse Achema 2024 präsentierten, planen bereits die nächsten Schritte. Zum einen wollen sie ihre Instituts-Zusammenarbeit in einem Folgeprojekt fortsetzen, zum anderen wollen sie ihre Lösung in Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen „in verschiedene Richtungen” weiterentwickeln.