Generic filters
Exact matches only
FS Logoi

Natürlicher Wasserstoff: Weltweite Reserven deutlich größer als gedacht

Ein Team von US-Geologen hat erstmals systematisch berechnet, wie viel natürlicher Wasserstoff in der Erde gespeichert ist. Die im Fachjournal Science Advances veröffentlichten Ergebnisse übertreffen alle Erwartungen: Etwa 5,6 Billionen Tonnen könnten in der Erdkruste gespeichert sein und rund doppelt so viel Energie enthalten wie alle bekannten Erdgasreserven. Doch der Weg zur Nutzung ist noch weit.

von | 02.01.25

Im US-Bundesstaat Nebraska bohrt das Start-up Natural Hydrogen Energy nach Wasserstoff.
© Viacheslav Zgonnik / Natural Hydrogen Energy
Natürlicher Wasserstoff

Natürlicher Wasserstoff entsteht ohne menschliches Zutun in der Erdkruste. Die am 13. Dezember 2024 veröffentlichte Studie des US Geological Survey (USGS) liefert nun erstmals belastbare Zahlen zur Gesamtmenge dieser Ressource. Die Ergebnisse übertreffen alle bisherigen Erwartungen: Die Studienautoren schätzen die Vorkommen auf etwa 5,6 × 10⁶ Megatonnen. Das entspricht 5,6 Billionen Tonnen Wasserstoff eine Menge, deren Energiegehalt den aller bekannten Erdgasreserven um das Doppelte übersteigen würde.

Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich natürlicher Wasserstoff nicht in größeren Mengen in der Erdkruste ansammeln könne. Aktuelle Entdeckungen bedeutender Lagerstätten in Mali, Australien und Albanien stellten diese Annahme jedoch in Frage. Die US-amerikanische Studie beziffert das vermutete Potenzial nun mit einer neuen Methode.

Die Geologen Geoffrey Ellis und Sarah Gelman entwickelten für ihre Quantifizierung ein probabilistisches Massenbilanzmodell. Es berücksichtigt sowohl die geogene (natürliche) Wasserstoffproduktion als auch die Speicherung in unterirdischen Reservoirs sowie H2-Verluste durch biologische und chemische Prozesse. Das Ergebnis ist eine „enorme Bandbreite” möglicher Vorkommen von 10³ bis 10¹⁰ Megatonnen, wobei Ellis und Gelman 5,6 × 10⁶ Megatonnen als den statistisch wahrscheinlichsten Wert angeben.

Natürlicher Wasserstoff könnte globalen Bedarf decken

Die energetische Relevanz der modellierten Ressourcen ist beträchtlich. Schon bei einer konservativen Gewinnungsrate von zwei Prozent der Gesamtmenge ergäbe sich ein technisch förderbares Potenzial von circa 100.000 Megatonnen H₂. Dies entspricht laut der Studie einem Energiegehalt von etwa 1,4 × 10¹⁶ Megajoule. Diese Menge würde ausreichen, um den prognostizierten globalen H₂-Bedarf für etwa 200 Jahre zu decken.

Die Untersuchung dokumentiert jedoch auch limitierende Faktoren, die erklären, warum die Autoren eine realistische Fördermenge von nur zwei Prozent annehmen. So lägen viele der vermuteten Vorkommen in großer Tiefe oder schwer zugänglichen bzw. geologisch komplexen Regionen. Dies gelte besonders für Offshore-Vorkommen. Bevor diese Reservoirs angezapft werden können, müssten erst die richtigen Explorationsmethoden entwickelt und die nötige Infrastruktur errichtet werden, so die Autoren. Außerdem seien viele Vorkommen zu klein für eine wirtschaftlich rentable Förderung: Die Erschließungskosten wären bei dem heutigen Stand der Technik größer als der mögliche Gewinn durch den Vertrieb des Wasserstoffs.

Natürlicher Wasserstoff

Geogene Wasserstoffproduktion (© Science Advances)

Weitere Forschung notwendig

Hinzu kommt. dass jährlich nur rund 24 Megatonnen Wasserstoff auf natürliche Weise entstehen. Angesichts eines für das Jahr 2050 projizierten globalen Bedarfs von 530 Megatonnen ist damit klar, dass sich langfristig nicht der gesamte Wasserstoffbedarf aus natürlichen Vorkommen decken lässt. Eine nachhaltige Nutzung der Ressource müsste sich daher auf die über lange geologische Zeiträume akkumulierten Reservoirs konzentrieren.

Die Forschenden empfehlen daher weitere Untersuchungen zur genauen Lokalisierung und Charakterisierung der Vorkommen. Parallel sollten Wissenschaft und Wirtschaft frühzeitig Technologien für deren umweltverträgliche Exploration entwickeln. Dabei betrete man nicht unbedingt technologisches Neuland, da Erfahrungen aus der Erdgasförderung die Entwicklung entsprechender Infrastrukturen für den H2-Bereich beschleunigen können.

Obwohl die sehr große Zahl von 5,6 Billionen Tonnen also zu relativieren ist, markiert die Studie einen Meilenstein bei der Erforschung natürlicher Wasserstoffvorkommen. „Weißes H2″ könnte einen größeren Beitrag zur Energiewende leisten als bislang gedacht – sofern sich die technischen Herausforderungen bewältigen lassen.

(Quelle: Science Advances/2024)

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Jetzt Newsletter abonnieren

Brennstoff für Ihr Wissen, jede Woche in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

H2-Projekte in Ihrer Region

Mehr als 300 Wasserstoff-Projekte in Deutschland und Europa

Hier geht's zur interaktiven Karte

„CO2-neutral und autark“: Wasserstoff-BHKW starten am Hafen Duisburg
„CO2-neutral und autark“: Wasserstoff-BHKW starten am Hafen Duisburg

Rolls-Royce Power Systems und die Duisburger Hafen AG haben ein erneuerbares Energiesystem für das neue Duisburg Gateway Terminal eröffnet. Kernstück sind zwei mtu-Blockheizkraftwerke, die mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden – nach Angaben der Unternehmen eine Weltpremiere. Neben den Wasserstoff-BHKW nutzt das Energiesystem am Duisburger Hafen Brennstoffzellen, Batteriespeicher und Photovoltaik.

mehr lesen
Neue Standards für kohlenstoffarmen Wasserstoff verabschiedet
Neue Standards für kohlenstoffarmen Wasserstoff verabschiedet

Die Europäische Kommission hat neue Regeln für kohlenstoffarmen Wasserstoff und Kraftstoffe verabschiedet. Die Standards ergänzen die bestehenden Vorschriften für erneuerbaren („grünen”) Wasserstoff und komplettieren den EU-Rechtsrahmen. Der Regelung zufolge gilt Wasserstoff als kohlenstoffarm, wenn seine Produktion mindestens 70 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursacht als fossile Referenzbrennstoffe. Branchenverbände wie Hydrogen Europe begrüßen die Rechtssicherheit, kritisieren aber „unverhältnismäßige Berichtspflichten”.

mehr lesen
„Das Verhalten der EU-Kommission grenzt an Arbeitsverweigerung“
„Das Verhalten der EU-Kommission grenzt an Arbeitsverweigerung“

Aus der Wasserstoffwelt kamen zuletzt mehrere Hiobsbotschaften: Konzerne wie ArcelorMittal, LEAG und EWE AG stoppten kurz nacheinander Projekte. Doch Jorgo Chatzimarkakis, CEO von Hydrogen Europe, warnt vor Pessimismus. Das Problem sei nicht die Wirtschaftlichkeit, sondern Überregulierung aus Brüssel: Ein „toxischer Technologie-Positivismus” treibe europäische Unternehmen nach China. Im H2Talk stellt der ehemalige EU-Parlamentarier dem seine Vision einer „souveränen Marktwirtschaft” entgegen und zeigt auf, wie Europa industrielle Unabhängigkeit zurückgewinnen kann. Dabei setzt er unter anderem auf weißen Wasserstoff, innovative Start-ups und eine neue Allianz gegen die RED-Kriterien der EU-Kommission.

mehr lesen

H2 Talk

Chatzimarkakis
Sailer
Dohler

Publikationen

Power-to-Gas

Power-to-Gas

Erscheinungsjahr: 2020

Das Fachbuch fasst aktuelles Wissen zu Power-to-Gas zusammen und bereitet es für Ingenieure der Energie- und Gasversorgung auf. Es wird die gesamte Wertschöpfungskette vom bereitgestellten Strom über die Erzeugung von Wasserstoff und die ...

Zum Produkt

Gasqualitäten im veränderten Energiemarkt

Gasqualitäten im veränderten Energiemarkt

Erscheinungsjahr: 2020

Das Werk umfasst eine Sammlung praxisorientierter Fachbeiträge aus den Zeitschriften gwf Gas + Energie, PROZESSWÄRME und „gwi – gaswärme international“, die den Lesern einen Überblick über die Neuerungen, die sich für Gasanwender und ...

Zum Produkt

Erneuerbarer Wasserstoff mit Solar-Wind-Hybridkraftwerken

Erneuerbarer Wasserstoff mit Solar-Wind-Hybridkraftwerken

Autor: Raphael Niepelt, Rolf Brendel

Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselelement für die Transformation und Defossilierung des Energiesystems. Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie hat sich die Politik klar zu grünem Wasserstoff bekannt, wobei der Bedarf vor allem über Importe ...

Zum Produkt

Datenschutz
h2-news.de, Inhaber: Vulkan-Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
h2-news.de, Inhaber: Vulkan-Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: