Natürlicher Wasserstoff entsteht ohne menschliches Zutun in der Erdkruste. Die am 13. Dezember 2024 veröffentlichte Studie des US Geological Survey (USGS) liefert nun erstmals belastbare Zahlen zur Gesamtmenge dieser Ressource. Die Ergebnisse übertreffen alle bisherigen Erwartungen: Die Studienautoren schätzen die Vorkommen auf etwa 5,6 × 10⁶ Megatonnen. Das entspricht 5,6 Billionen Tonnen Wasserstoff – eine Menge, deren Energiegehalt den aller bekannten Erdgasreserven um das Doppelte übersteigen würde.
Lange gingen Wissenschaftler davon aus, dass sich natürlicher Wasserstoff nicht in größeren Mengen in der Erdkruste ansammeln könne. Aktuelle Entdeckungen bedeutender Lagerstätten in Mali, Australien und Albanien stellten diese Annahme jedoch in Frage. Die US-amerikanische Studie beziffert das vermutete Potenzial nun mit einer neuen Methode.
Die Geologen Geoffrey Ellis und Sarah Gelman entwickelten für ihre Quantifizierung ein probabilistisches Massenbilanzmodell. Es berücksichtigt sowohl die geogene (natürliche) Wasserstoffproduktion als auch die Speicherung in unterirdischen Reservoirs sowie H2-Verluste durch biologische und chemische Prozesse. Das Ergebnis ist eine „enorme Bandbreite” möglicher Vorkommen von 10³ bis 10¹⁰ Megatonnen, wobei Ellis und Gelman 5,6 × 10⁶ Megatonnen als den statistisch wahrscheinlichsten Wert angeben.
Natürlicher Wasserstoff könnte globalen Bedarf decken
Die energetische Relevanz der modellierten Ressourcen ist beträchtlich. Schon bei einer konservativen Gewinnungsrate von zwei Prozent der Gesamtmenge ergäbe sich ein technisch förderbares Potenzial von circa 100.000 Megatonnen H₂. Dies entspricht laut der Studie einem Energiegehalt von etwa 1,4 × 10¹⁶ Megajoule. Diese Menge würde ausreichen, um den prognostizierten globalen H₂-Bedarf für etwa 200 Jahre zu decken.
Die Untersuchung dokumentiert jedoch auch limitierende Faktoren, die erklären, warum die Autoren eine realistische Fördermenge von nur zwei Prozent annehmen. So lägen viele der vermuteten Vorkommen in großer Tiefe oder schwer zugänglichen bzw. geologisch komplexen Regionen. Dies gelte besonders für Offshore-Vorkommen. Bevor diese Reservoirs angezapft werden können, müssten erst die richtigen Explorationsmethoden entwickelt und die nötige Infrastruktur errichtet werden, so die Autoren. Außerdem seien viele Vorkommen zu klein für eine wirtschaftlich rentable Förderung: Die Erschließungskosten wären bei dem heutigen Stand der Technik größer als der mögliche Gewinn durch den Vertrieb des Wasserstoffs.
Weitere Forschung notwendig
Hinzu kommt. dass jährlich nur rund 24 Megatonnen Wasserstoff auf natürliche Weise entstehen. Angesichts eines für das Jahr 2050 projizierten globalen Bedarfs von 530 Megatonnen ist damit klar, dass sich langfristig nicht der gesamte Wasserstoffbedarf aus natürlichen Vorkommen decken lässt. Eine nachhaltige Nutzung der Ressource müsste sich daher auf die über lange geologische Zeiträume akkumulierten Reservoirs konzentrieren.
Die Forschenden empfehlen daher weitere Untersuchungen zur genauen Lokalisierung und Charakterisierung der Vorkommen. Parallel sollten Wissenschaft und Wirtschaft frühzeitig Technologien für deren umweltverträgliche Exploration entwickeln. Dabei betrete man nicht unbedingt technologisches Neuland, da Erfahrungen aus der Erdgasförderung die Entwicklung entsprechender Infrastrukturen für den H2-Bereich beschleunigen können.
Obwohl die sehr große Zahl von 5,6 Billionen Tonnen also zu relativieren ist, markiert die Studie einen Meilenstein bei der Erforschung natürlicher Wasserstoffvorkommen. „Weißes H2″ könnte einen größeren Beitrag zur Energiewende leisten als bislang gedacht – sofern sich die technischen Herausforderungen bewältigen lassen.