Mithilfe von geografischen Informationssystemen analysierten die Forscher des Fraunhofer ISE das Gebiet im Umkreis von 350 Kilometern um die geplante Industriezone Oakajee in Westaustralien. Das Ergebnis: Die Region weist ein theoretisches Potenzial für eine jährliche Stromproduktion von bis zu 10.000 Terawattstunden (TWh) aus Photovoltaik auf. Hinzu kommen weitere 5.700 TWh aus Onshore-Windenergie.
„Bei vollem Ausbau könnte die Region theoretisch 185 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr aus Solarenergie und weitere 105 Millionen Tonnen aus Windenergie produzieren“, heißt es in der Studie. Die Analysen identifizierten konkret fünf geeignete PV-Cluster mit einer Fläche von 1.005 km² und einer potenziellen Leistung von 55 GW sowie drei Onshore-Windcluster mit 1.364 km² und 20 GW Leistung.
Die potenziellen Produktionskapazitäten für erneuerbares Ammoniak könnten demnach mehr als 15 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen. Dieses Volumen entspreche der derzeitigen europäischen Ammoniakproduktion.
Ammoniak als effizientester Transportweg
Ein Schwerpunkt der „TrHyHub”-Studie lag auf der Analyse verschiedener Exportoptionen nach Europa. Die Forscher modellierten dabei sowohl die Produktion des Energieträgers und dessen Derivaten als auch den Transport. Ein Fokus lag auf der Betrachtung der damit verbundenen Mittel, Kosten und Zeitaufwände.
„Unsere technisch-ökonomische Analyse einer Ammoniak-Lieferkette nach Deutschland bestätigte, dass die große Entfernung keinen bedeutenden Kostenfaktor darstellt und nur 9 Prozent der Gesamtkosten für Produktion und Lieferung ausmacht”, erklärt Studienautor Marius Holst vom Fraunhofer ISE. „Die sehr guten Bedingungen für die Solar- und Windstromproduktion können einen Teil der höheren Transportkosten kompensieren.”
Die Studie prognostiziert Ammoniaklieferkosten zum Hafen Rotterdam von 203 Euro/MWh für 2030. Bis 2050 könnten diese auf 109 Euro sinken. Alternative Transportwege wie flüssiger Wasserstoff oder Methanol stoßen laut Studie noch auf technische und wirtschaftliche Hindernisse. Dazu zählten fehlende kommerzielle Transportkapazitäten für Flüssigwasserstoff oder hohe Kosten für die CO2-Gewinnung aus der Luft bei der Methanolproduktion.
Regulatorische Rahmenbedingungen für den Export aus Westaustralien
Die TrHyHub-Studie analysiert darüber hinaus die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Export von grünem Wasserstoff in die EU. Besondere Bedeutung kommt dabei der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED II und III) zu, die die Anforderungen für RFNBO definiert. Demnach muss, um als RFNBO zu gelten, Wasserstoff unmittelbar mit erneuerbarem Strom erzeugt werden. Die Forscher schlagen daher vor, die Elektrolyseure direkt mit den erneuerbaren Energieanlagen vor Ort zu verbinden, um den EU-Anforderungen zu entsprechen.
Im Rahmen der deutsch-australischen Energiekooperation könnte Australien so zu einem der wichtigsten H2-Lieferanten für Deutschland werden. Die Grundlage für diese Zusammenarbeit hatten die Regierungen im September 2024 durch ein Abkommen zur Förderung neuer Lieferketten für grünen Wasserstoff gelegt. Die Vereinbarung umfasst ein 660-Millionen-Dollar-Finanzierungsfenster (etwa 400 Millionen Euro), das australischen Produzenten von erneuerbarem Wasserstoff europäische Käufer garantiert und Teil des deutschen H2 Global-Auktionsmechanismus ist.
Deutschland unter Kostendruck bei Wasserstoffimporten
Die Ergebnisse des im Dezember 2024 abgeschlossenen Fraunhofer-Verbundprojekts „HYPAT” unterstreichen die Bedeutung der Studie für Deutschland. Demnach wird Deutschland aufgrund seiner Industriestruktur einen besonders hohen Wasserstoffbedarf haben – etwa 20 Prozent des Endenergiebedarfs, verglichen mit global 4 bis 11 Prozent. Der Großteil davon muss importiert werden.
Die HYPAT-Studie prognostiziert für Deutschland die höchsten Wasserstoffpreise innerhalb der EU, was Risiken für die industrielle Wettbewerbsfähigkeit birgt. Die allgemeinen Importkosten für grünen Wasserstoff werden demnach 2030 zwischen 3,50 und 6,50 Euro pro Kilogramm liegen und bis 2050 auf 2,50 bis 4,50 Euro pro Kilogramm sinken. Die Großhandelspreise für Deutschland dürften jedoch auch langfristig (2050) bei mehr als 4 Euro pro Kilogramm liegen.
„Für Deutschland ist es wichtig, eine diversifizierte Importstrategie zu entwickeln, gleichzeitig aber Skaleneffekte durch gezielte Kooperationen zu erreichen”, erklärt Robert Szolak, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE. „Zukünftige Kostensenkungen werden nur durch globale Skalierung und technologische Verbesserungen erreicht, nicht durch Zeit. Wir müssen jetzt anfangen, damit dies Wirklichkeit wird.”