Eine nachhaltige Energieversorgung ist eine der zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Viele Experten sind sich einig, dass die Nutzung von CO₂-neutralem Wasserstoff ein Teil der Lösung ist. Die Herstellung mit Elektrolyseuren ist jedoch teuer und kann derzeit nur in kleinen Mengen erfolgen. Ein möglicher Ausweg könnte die Nutzung von natürlich vorkommendem Wasserstoff, der auch weißer oder goldener Wasserstoff genannt wird, sein.
Ein Forschungsteam unter Leitung von Dr. Frank Zwaan vom GFZ hat nun mittels plattentektonischer Modellierung entdeckt, wo großflächige natürliche Wasserstoff-Ansammlungen vorkommen könnten. Sie fanden heraus, dass Gebirgszüge, in denen sich Mantelgestein nahe der Oberfläche befindet, eine potenzielle Wasserstoff-Quelle darstellen. Denn wenn das Mantelgestein mit Wasser reagiert, bilden sich dabei neue Minerale sowie weißer Wasserstoff. Diesen Prozess nennt man Serpentinisierung. Dafür muss jedoch das normalerweise tief liegende Mantelgestein an die Oberfläche gelangen. Dies geschieht nur in zwei plattentektonischen Umgebungen: beim Öffnen von Ozeanbecken (Rifting) und bei der Bildung von Gebirgen durch Kontinentalkollisionen.
Die Wissenschaftler simulierten mit hochmodernen numerischen Modellen die gesamte plattentektonische Entwicklung – vom Rifting über das Aufbrechen der Kontinente bis zur Beckenschließung und Gebirgsbildung. Dabei bestimmten sie erstmals, wo, wann und in welchem Umfang Mantelgestein an die Oberfläche gelangt und wann es unter günstigen Temperaturen mit Wasser in Kontakt kommen kann.
Gebirge bieten 20-mal höhere Wasserstoffproduktion
Prof. Sascha Brune, Leiter der Sektion „Geodynamische Modellierung” am GFZ, erklärte: „Diese Forschungsarbeit erweitert unser Verständnis von geeigneten Umgebungen für die natürliche Wasserstofferzeugung. Angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten ist es jetzt wichtig, die Migrationswege von Wasserstoff und tiefe, Wasserstoff verbrauchende mikrobielle Ökosysteme zu untersuchen.”
Die Forschungsergebnisse zeigen: Die Bedingungen für Serpentinisierung sind in Gebirgen deutlich besser als in Riftbecken. In der kälteren Gebirgsumgebung findet sich mehr freigelegtes Mantelgestein bei idealen Serpentinisierungstemperaturen von 200-350°C. Zudem ermöglicht die Wasserzirkulation entlang großer Verwerfungen eine effiziente Ausschöpfung des Potenzials.
Die jährliche Wasserstofferzeugungskapazität in Gebirgen kann bis zu 20-mal größer sein als in Riftzonen. Ein weiterer Vorteil: Gebirge verfügen über geeignete Speichergesteine wie Sandstein, die für die Akkumulation wirtschaftlich nutzbarer H₂-Volumina erforderlich sind. Diese Speichermöglichkeiten fehlen bei der Serpentinisierung in tieferen Teilen von Riftbecken.
Neue Explorationsstrategien für Wasserstoffnutzung entscheidend
„Entscheidend für den Erfolg dieser Bemühungen wird die Entwicklung neuartiger Konzepte und Erkundungsstrategien sein”, sagte Frank Zwaan, Hauptautor der Studie. „Von besonderer Bedeutung ist, wie die Bildung wirtschaftlicher natürlicher H₂-Ansammlungen durch die tektonische Geschichte eines bestimmten Explorationsgebiets gesteuert wird.”
Bereits jetzt laufen verschiedene Explorationsprojekte in Regionen wie den Pyrenäen, den europäischen Alpen, dem Balkan und Australien, wo Forscher Hinweise auf stetige natürliche Wasserstofferzeugung gefunden haben. Die Forscher sehen einen möglichen Wendepunkt für die Suche nach weißem Wasserstoff.
„Wir könnten die Geburt einer Industrie des natürlichen Wasserstoffs miterleben”, stellte Zwaan fest.