Generic filters
Exact matches only
FS Logoi

Wasserstoffversprödung

© RMedia / Adobe Stock #1002354463
Wasserstoffversprödung
Wasserstoffversprödung betrifft insbesondere metallische Werkstoffe wie Stahl
« zurück

Wasserstoffversprödung ist ein Materialschädigungsmechanismus, bei dem Wasserstoff in Werkstoffe eindringt und deren mechanische Eigenschaften verschlechtert. Dabei variieren die schädigenden Einflüsse je nach verwendetem Material stark.

Das Phänomen gilt als zentrale Herausforderung beim Aufbau von Wasserstoffinfrastrukturen und betrifft besonders die Rohr- und Anlagentechnik. Die schädigende Wirkung wurde bereits 1863 von Henri Étienne Sainte-Claire Deville und Louis Joseph Troost wissenschaftlich dokumentiert.

Mechanismus und Auswirkungen

Als kleinstes Atom des Universums kann sich Wasserstoff in die Zwischengitterplätze der Kristallstruktur von Metallen bewegen. Nach der Adsorption atomaren Wasserstoffs an der Oberfläche diffundiert dieser zu Bereichen hoher Zugspannung wie Kerben oder Materialfehlern. Besonders kritisch ist dies bei Drücken von 700 bar, wie sie in Wasserstofftanks von Brennstoffzellenautos auftreten.

Die Versprödung kann sowohl durch Wasserstoff aus der Gasphase als auch aus wässrigen Medien erfolgen. Zwischen erster Wasserstoffaufnahme und endgültigem Materialversagen liegen dabei oft Monate oder Jahre liegen.

Wasserstoffversprödung

Eine mikroskopische Ansicht der Wasserstoffversprödung von Inconel. Bild aus Iannuzzi, Mariano & Barnoush, Afrooz & Johnsen, Roy. (2017): Materials and Corrosion Trends In Offshore and Subsea Oil and Gas Production (© General Electric)

Werkstoffspezifische Anfälligkeit

Nicht alle Materialien sind gleich stark von Wasserstoffversprödung betroffen. Bei Stählen hängt die Gefährdung stark von ihrer inneren Struktur ab. Besonders problematisch sind hochfeste Stahlsorten, wie sie etwa für schwere Maschinenbauteile verwendet werden. Auch bestimmte Gefügearten im Stahl – Fachleute sprechen von „ferritischen“ und „martensitischen“ Strukturen – nehmen Wasserstoff leicht auf und werden dadurch schnell spröde.

Deutlich widerstandsfähiger sind sogenannte austenitische Stähle, die den Wasserstoff viel langsamer aufnehmen. Auch die Zugabe verschiedener Metalle beim Legieren beeinflusst die Anfälligkeit: Nickel macht den Stahl beispielsweise resistenter gegen Wasserstoff, während Zusätze wie Chrom, Molybdän oder Titan die Versprödungsgefahr erhöhen.

Wasserstoffeinfluss auf nicht-metallische Werkstoffe

Bei Kunststoffen tritt keine klassische Versprödung auf, jedoch kann sich Wasserstoff in die Hohlräume zwischen den Molekülketten einlagern. Bei schneller Dekompression können diese Gasblasen zum Aufplatzen des Materials führen. Aluminium- und Magnesiumlegierungen zeigen bei trockenem, gasförmigem Wasserstoff keine Versprödungsneigung, können aber unter anderen Bedingungen eine reversible Wasserstoffschädigung erleiden. Die Eigenschaften lassen sich dann durch langes Entgasen wiederherstellen.

Einflussfaktoren und Reaktionsbedingungen

Verschiedene chemische Stoffe können die Wasserstoffaufnahme beschleunigen oder verlangsamen. Beschleunigend wirken vor allem Phosphor, Arsen, Antimon und verschiedene Schwefelverbindungen – sie sorgen dafür, dass mehr Wasserstoff in das Material eindringen kann. Als besonders problematisch hat sich Schwefelwasserstoff erwiesen, der in der Chemie- und Mineralölindustrie schon zu vielen Schadensfällen geführt hat.

Andere Stoffe wie Sauerstoff und Schwefeldioxid schützen dagegen das Material, indem sie die Wasserstoffaufnahme bremsen. Kohlenmonoxid und Wasser haben ebenfalls eine schützende Wirkung, allerdings ist diese nicht sehr stark ausgeprägt.

Forschung und Prävention

Die Erforschung des Phänomens gewinnt durch den geplanten Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur an Bedeutung. Während Wasserstoffversprödung bisher hauptsächlich an Schweißnähten oder durch Korrosion in kleinem Maßstab auftrat, werden die künftigen Wasserstoff-Pipelines deutlich größeren Mengen ausgesetzt sein.

An der Universität des Saarlandes wurde beispielsweise an standardisierten industriellen Prüfverfahren geforscht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf verschiedenen „Beladungsmethoden”: Wasserstoff kann entweder elektrochemisch oder durch Druckbeladung (200 bar, 200-300°C) ins Material eingebracht werden. Zur Schadensanalyse kommen Verfahren wie hochauflösende Computertomographie zum Einsatz, die Strukturen im Nanometer-Bereich erfassen kann. Diese zerstörungsfreie Prüfung ermöglicht die Live-Beobachtung von Rissentstehung und -wachstum.

Zur Vermeidung existieren verschiedene Präventionsmaßnahmen. Zentral ist die Wärmebehandlung, insbesondere das Spannungsarmglühen bei 200-230 °C. Nach galvanischen Prozessen muss diese Behandlung innerhalb von vier Stunden erfolgen. Die Überwachung wasserstoffführender Systeme erfolgt durch regelmäßige Werkstoffprüfungen nach ISO, bei denen Bauteile über 48 Stunden definierten Zugspannungen ausgesetzt werden.

 

« zurück
Funktionale Sicherheit entlang der H2-Wertschöpfungskette

Funktionale Sicherheit entlang der H2-Wertschöpfungskette

Durch die Verwendung erneuerbarer Ressourcen für die Produktion eliminiert grüner Wasserstoff CO₂-Emissionen an der Quelle und setzt damit einen neuen Standard für saubere Energie. Wasserstoff ist jedoch leicht entzündlich und explosiv und erfordert besondere Sicherheitsvorkehrungen bei der Handhabung und Lagerung. So sind beispielsweise die Erkennung und Kontrolle von Leckagen in Anlagen und Rohrleitungen entscheidend, um Unfälle zu vermeiden. Betrachtet man die Wertschöpfungskette von Wasserstoff, so können einige in der Prozessindustrie etablierten Sicherheitslösungen eingesetzt werden. Andere müssen aufgrund der erhöhten Risiken bei Wasserstoff jedoch angepasst oder sogar neu gedacht werden. Wie Funktionale Sicherheit entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette funktioniert, erfahren Sie im Fachartikel von Gabriele Civati, Business Development Manager, EPC and Hydrogen bei HIMA Group.

mehr lesen
Thermoplastische Werkstoffe in der Wasserstoffproduktion

Thermoplastische Werkstoffe in der Wasserstoffproduktion

Für die Energieversorgung der Zukunft wird das H₂-Molekül eine tragende Rolle spielen, denn grüner Wasserstoff kann nicht nur ganze Industriezweige dekarbonisieren, sondern auch als Speicher für überschüssige Energie aus anderen erneuerbaren Quellen dienen. Dieser Umstand spiegelt sich auch in den Wachstumsprognosen der Wasserstoffwirtschaft wider: Schätzungen zufolge wird der Markt für grünen Wasserstoff bis 2050 auf 600 Millionen Tonnen und 1,4 Billio-nen Dollar Umsatz wachsen, mit einem Einsparpotential von bis zu 85 Gigatonnen CO₂ (Green Hydrogen Studie von Deloitte, 2023). Ein Fachartikel von Cyrus Ardjomandi, Business Development Manager bei GF Piping Systems, über Thermoplastische Werkstoffe in der Wasserstoffproduktion.

mehr lesen
IHK Nord Westfalen entwickelt Wasserstoff-Bildungsoffensive

IHK Nord Westfalen entwickelt Wasserstoff-Bildungsoffensive

Mit dem Projekt H2!Academy startet die IHK Nord Westfalen eine Wasserstoff-Bildungsoffensive. Dafür hat das Institut einen Bedarfsradar entwickelt, der sich an kleine und mittelständische Unternehmen richtet. Auf Basis der erhobenen Weiterbildungsbedarfe will die IHK fortan Rahmenlehrpläne konzipieren und erproben. Mehr über das Bildungs-Bedarfsradar lesen Sie im Fachartikel von Timothy Johnstone, Referent H2!Academy der IHK Nord Westfalen.

mehr lesen
Datenschutz
h2-news.de, Inhaber: Vulkan-Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
h2-news.de, Inhaber: Vulkan-Verlag GmbH (Firmensitz: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: