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H2 on air, Folge 11: Offshore-Wasserstoff

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Autor: Magnus Schwarz

Die exklusive Kolumne von Prof. Michael Sterner – der Stimme des Wasserstoffs

Offshore-Wasserstoffproduktion

Herr Prof. Sterner, warum ist die Offshore-Produktion von Wasserstoff eine sinnvolle Ergänzung zur Produktion an Land?
Diese Frage kann man auf drei Ebenen beantworten: Technisch, wirtschaftlich und ökologisch. Technisch macht die Produktion Sinn, weil wir offshore sehr hohe Volllaststunden haben – etwa anderthalb bis zwei Mal, teils sogar zweieinhalb Mal so viele. Damit reduzieren sich die Wasserstoffkosten, zumal die aufwendige Anbindung an das Stromnetz entfällt. Was ich zudem sehr spannend finde: Es existiert bereits eine Energieinfrastruktur offshore, nämlich die Gasinfrastruktur. Es gibt sehr viele alte Gasbohrfelder, die mittlerweile leer sind. Die Plattformen und Pipelines südlich von Norwegen und westlich von Dänemark könnten alle genutzt werden, um dort grünen Wasserstoff einzuspeisen.

Was sind die wirtschaftlichen Vorteile?
Es ist deutlich günstiger, Energie via Wasserstoffpipeline zu transportieren als via Stromkabel. Zudem ist es effizienter, den Wasserstoff direkt offshore zu erzeugen und per Pipeline an Land zu transportieren, als offshore Strom zu produzieren, diesen an Land zu bringen und dann an der Küste Wasserstoff herzustellen. Die Pipeline-Kosten selber sind überschaubar – ungefähr 10% vom Gesamtinvest. Mit der Offshore-Produktion könnten wir auf Kosten von ungefähr 3,20 Euro pro Kilogramm im Jahr 2050 kommen.

Und ökologisch?
Die Produktion an sich ist natürlich sehr klimafreundlich, wenn auch nicht komplett klimaneutral, wenn man die Aufwendungen der Vorkette einbezieht. Aber der aus meiner Sicht größte ökologische Vorteil ist: Wir nutzen keine Fläche an Land und konkurrieren damit nicht um Flächen, die zum Beispiel für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten. Zudem sparen wir uns die von Windenergieanlagen bekannten “Not in my backyard”-Debatten, denn Offshore-Plattformen haben keinen Einfluss auf das Landschaftsbild.

Wie groß ist denn eigentlich das Potenzial, das Deutschland für diese Offshore-Produktion besitzt?
Für die Nordsee gibt es ja ein Ausbauziel von 70 Gigawatt offshore-Stromerzeugung bis 2045. Allein das Projekt Aquaventus will davon bis 2035 genug Kapazität abgreifen, um 10 Gigawatt Wasserstoff offshore zu erzeugen. Das entspräche einer Produktion von ungefähr 1 Million Tonnen Wasserstoff pro Jahr – also etwa 33 Terawattstunden (TWh). Das wäre ein Drittel von dem, was wir für 2030 in Deutschland laut Nationaler Wasserstoffstrategie insgesamt brauchen. Das ist also schon eine Hausnummer.

Wenn wir Richtung Ostsee schauen: Allein das Importpotenzial aus Schweden und Finnland beträgt laut einer DNV-Studie etwa 68 TWh. Hier liegt also auch eine große Chance, über einen sogenannten “Baltic Backbone” zur Versorgung Deutschlands beizutragen.

Segelenergie

Sie haben unter dem Motto „Follow the Wind“ eine Alternative zur „statischen“ Offshore-Erzeugung von Wasserstoff entwickelt: Die „Segelenergie“. Können Sie uns das kurz skizzieren?
Gerne. Mit einigen Studierenden habe ich mir 2012/2013 die Frage gestellt: Wie kann man das große Offshore-Potenzial zur H2-Produktion nutzen? Unsere Idee: Wir installieren einen Elektrolyseur mitsamt der ganzen Verfahrenstechnik auf einem Schiff. Um ihn mit Strom zu versorgen, bewegen wir das Schiff durch einen Flugdrachen, der das Schiff zieht. Über die Seilwinde kann dann dank der Flugwindkraft und zusätzlicher Strömungsturbinen am Schiffsrumpf Strom erzeugt werden. So fährt das Schiff also dem Wind hinterher und „erntet“ dessen Energie.

Um sie an Bord in Wasserstoff umzuwandeln?
Exakt. Strom an sich bringt nichts – du wandelst ihn direkt auf dem Schiff mithilfe von entsalzenem Meerwasser in Wasserstoff oder ein anderes Derivat um. Die Idee der Segelenergie bildet also ein Wind-Wasserkraft-Wasserstoff-System. Mit ihm können wir konstant den Wind ernten und haben eine optimale Auslastung – eine noch höhere als bei Offshore-Windkraft, fast doppelt so hoch. Zudem haben wir einen geringeren Ressourcenverbrauch, weil wir halt einfach das ganze Material vernünftig auslasten.

Die Segelenergie kombiniert bekannte Technologien: Meeresströmungsturbinen gibt es, Kites gibt es, Schiffe und Elektrolyse sowieso. Durch die Kombination könnten wir ein riesiges ungenutztes Potenzial erschließen und vor allem geopolitisch unabhängig. Und “Not in my backyard”, keine Konkurrenz zu Nahrung und Futter – das ist ein schlagendes Argument für mich, diesen Pfad weiter zu gehen. Es gab in der Folge die Firma Oceanergy, die in Südafrika solche Kites gebaut hat und auch fliegen hat lassen. Firmen wie Google haben unsere Patentanmeldungen damals kopiert. Ich empfehle also jedem, sich einmal auf www.segelenergie.de mit dem Konzept zu beschäftigen – vielleicht inspiriert es ja jemanden, dort weiterzumachen.

Aquaventus

Kommen wir einmal zurück zur klassischen Offshore-Wasserstoffproduktion mittels Windkraftanlage und Elektrolyseur auf einer statischen Plattform. Hierzu gibt es das sehr bekannte Projekt Aquaventus, in dem 100 Partner 10 Gigawatt Elektrolysekapazität auf der Nordsee installieren möchten. Was ist Ihre Meinung zu dem Vorhaben?
Ich habe kürzlich mit einem Vertreter der Initiative gesprochen. Er war sehr optimistisch, dass sie alles wie geplant umsetzen können. Der Vorteil liegt auf der Hand: Es sind über 100 Partner beteiligt, das Pilotprojekt AquaVentus One mit einem Gigawatt bis 2030 ist in der Planung. Auch Pläne für die Infrastruktur liegen vor – “Aquaductus” soll das Pipelinenetz heißen. Die Technik ist ebenfalls vorhanden und erprobt. Von daher sehe ich hier erstmal keinen Showstopper.

Woran es wieder hakt, ist die Regulatorik: Genehmigungs- und Anschlussfragen. Das Windseegesetz müsste zum Beispiel massiv überarbeitet werden. Hinzu kommt, dass die anvisierten Standorte zum Teil sehr weit von der Küste entfernt liegen – bis zu 350 Kilometer. Das ist nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen. Eine weitere mögliche Hürde ist, wie bei allen H2-Projekten, die gesicherte Abnahme. Last but not least gibt es auch offshore eine gewisse Flächenkonkurrenz mit Stromproduzenten, gerade in den seichten Gewässern der Nord- und Ostsee. Dabei geht es nicht nur um Flächen, sondern auch um Personal, Material, Investitionssummen und so weiter.

Was wäre also Ihr Fazit zum Thema?
Es bleibt spannend – so wie überall in der Wasserstoffwirtschaft. Noch basiert eben alles auf Fördermitteln. Ich hoffe, dass sich irgendwann ein eigenständiger Markt herausbildet. Dafür brauchen wir aber einen realistischen CO2-Preis, einen europäischen Emissionshandel ohne Ausnahme und natürlich günstigen Wasserstoff und günstige Technologie – chinesische Elektrolyseure kommen schon auf ungefähr 100-150 Euro pro Kilowatt. Bis es soweit ist, werden wir weiter forschen und hoffen, dass Offshore-Projekte zustande kommen, die zeigen, dass es geht.

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