Was ist H2Global?
H2Global ist ein Instrument, um den Wasserstoffhochlauf anzuschieben. Die Idee ist, auf dem Weltmarkt kostengünstig Wasserstoff und Wasserstoffderivate anzukaufen und dann an den Meistbietenden in Deutschland oder Europa wieder zu verkaufen. Das soll auch zusätzliche Sicherheit für die Wasserstoff-Anbieter schaffen. In der ersten Auktionsrunde ging es darum, die heimische und die europäische Produktion durch außereuropäische Erzeugung zu ergänzen.
H2Global ist als Stiftung organisiert. Das Geld für die Auktionen kommt vom Staat, aber die eigentliche Arbeit der Stiftung, muss privatwirtschaftlich finanziert werden. Dafür wurde die Hintco gegründet, quasi als ausführende Organisation. Damals bestand die Hintco aus höchstens drei Personen, heute sind es um die 30.
Wie ist H2Global entstanden?
Das Instrument entstand im Jahr 2020. Damals traten über den damaligen Entwicklungsminister Gerd Müller zwei Mitarbeiter der GIZ (Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit), Timo Bollerhey und Markus Exenberger, an mich mit der Bitte heran, ihre Idee für den Wasserstoff-Markthochlauf zu evaluieren. Das war quasi der Beginn von H2Global – zuerst waren es nur Powerpoint-Folien. Wir haben das Konzept dann mit Unterstützung von Christine Falken-Krosser, die mittlerweile das Koordinierungsreferat beim BMWK leitet, beim damaligen Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium Thorsten Herdan platziert, der es dann über den Staatssekretär Andreas Feicht letztlich dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier vorgestellt hat. Dass das Konzept so weit kam, ist auch dem Deutschen Wasserstoffverband zu verdanken. Der Verband hat die industriellen Player aktiviert und so in Windeseile ein Instrument auf die politische Agenda gebracht. Das habe ich so noch nie erlebt.
Es begann mit dem “Marokko-Projekt”, einem Herzensanliegen von Gerd Müller in der Nationalen Wasserstoffstrategie. Es wurde geprüft, ob es finanzierbar wäre, in Marokko eine Elektrolyse-Anlage mit 200 MW Kapazität aufzubauen. Die Rückmeldung der Banken war: Ohne gesicherte Abnahme brauchen wir gar nicht zu beginnen. Außerdem müsste die Abnahme wirklich langfristig sein, um das Projekt bankable zu machen. Der Wunsch, dieses Dilemma – das Henne-Ei-Problem – zu lösen, war die Wurzel von H2 Global. Das Instrument soll eine gesicherte Abnahme für zehn Jahre garantieren, aber dann an den Meistbietenden. Es ging also darum, den Wasserstoffpreis auf der Angebotsseite möglichst niedrig zu halten und gleichzeitig zu garantieren, dass es gesicherte Abnehmer für den Wasserstoff oder die Wasserstoffprodukte gibt, die möglichst viel dafür zahlen.
Ammoniak
Wieso wird der Wasserstoff in Ammoniak-Form geliefert?
Wir haben damals ermittelt, dass er das wirtschaftlichste Transportmedium ist. Der Schlüssel dabei sind die sogenannten Differenzkosten. Wir haben damals in einer ersten Evaluation ermittelt, wie teuer die Gebühr für CO2-Emissionen sein müssten, um einen Markt für grünen Wasserstoff aufzubauen. Interessanterweise bezog sich unsere erste Berechnung auf Ammoniak. Wir haben errechnet, dass eine Tonne CO2 circa 180 Euro kosten müsste: Wenn der Ausstoß von CO2 für Unternehmen so teuer wäre, könnte der Umstieg auf grünen Wasserstoff für sie attraktiv werden – auch ohne staatliche Förderung.
Um die Differenz bis dahin zu überbrücken, brauchen wir Differenzkostenausgleiche vom Staat. Und dadurch, dass wir dank H2Global den geringsten Preis auf der Angebotsseite und den höchsten Preis auf der Abnahmeseite erhalten, werden diese Differenzkosten minimiert. Wir haben uns damals fünf verschiedene Transportoptionen angeschaut, darunter E-Fuels, reinen Wasserstoff und grünes Ammoniak. Das war der Wirtschaftlichkeit am nächsten.
Weil für Ammoniak die niedrigsten Differenzkosten anfallen?
Genau. Es kamen noch andere Gründe hinzu, etwa die Nutzbarkeit. Wir haben 2021 eine Studie für das BMWK erstellt, um den Wasserstoffbedarf in Deutschland zu simulieren. Ich habe damals eine Matrix mit den Kernergebnissen der Studie erstellt. Darin sieht man, dass wir den reinen Wasserstoff im Verkehrssektor eigentlich sofort bräuchten. In der Industrie und als Strom-Backup-Versorgung benötigen wir ihn etwas später, aber Derivate wie Ammoniak, Methanol, Kerosin, Diesel und so weiter können wir sofort nutzen.
Wir haben auch die Kosten der notwendigen Technik und der Transportwege untersucht. Für die Produktion von Ammoniak brauche ich Stickstoff, den ich aus der Luft nehmen kann. Für E-Fuels oder synthetisches Methan (SNG) brauche ich hingegen eine Kohlenstoffquelle, die aufwendiger zu finden ist.
Beim Transport gilt: Reiner Wasserstoff ist schwierig zu transportieren, der internationale Transport von Ammoniak oder Methanol ist aber absolut etabliert. Auch die Verbrauchsinfrastruktur und die zeitliche Verfügbarkeit waren bei Ammoniak und Methanol wesentlich besser einzuordnen als bei reinem Wasserstoff. Aber vor allem die Differenzkosten waren beim Ammoniak im Vergleich zum Wasserstoff definitiv am geringsten. Beim reinen Wasserstoff waren sie astronomisch hoch, genau wie bei Methanol und bei E-Fuels.
Die erste Auktionsrunde
Was ist Ihr Fazit der ersten Auktionsrunde?
Mein Fazit lautet: Der Doppelauktionsmechanismus funktioniert. Es haben sich fast 1400 Akteure aus 65 Ländern die Dokumente der Ausschreibung heruntergeladen. Es gab also eine weltweite Resonanz, obwohl H2Global erst 2022 offiziell gestartet wurde. Nach einer Evaluierungsphase wurden die Produzenten vor ungefähr einem Jahr erstmals dazu aufgerufen, ihre Angebote einzureichen. Die sind dann Anfang 2024 eingegangen und wurden kritisch ausgewertet. Unter anderem musste sichergestellt werden, dass die notwendige Infrastruktur existiert, um den Ammoniak zu verschiffen.
Wer hat die Auktion gewonnen?
Der Zuschlag geht jetzt an Fertiglobe, ein emiratisch-niederländisches Konsortium mit Sitz in Ägypten. Das Unternehmen verspricht die größten Mengen Wasserstoff zum niedrigsten Verkaufspreis. Für das Projekt werden 295 Megawatt an erneuerbaren Energien zugebaut, Wind und Solar. Zudem errichten sie 145 Megawatt alkalische Elektrolysekapazität. Die Elektrolyse findet in der Nähe des Nil-Deltas statt und der Export des Ammoniaks kann über ein bestehendes Terminal erfolgen. Das Ammoniak kommt dann in Rotterdam an und kann sofort genutzt werden, indem es fossiles Ammoniak aus grauem Wasserstoff ersetzt. Diese unmittelbare Anwendbarkeit war immer unser Argument für Derivate. Und Ammoniak hat für mich den großen Charme, dass es auch in Entwicklungsländern eine Chance hat. Aus Ammoniak können Düngemittel hergestellt werden, die zur Ernährungssicherheit beitragen. Durch die Wasserstoffproduktion werden zudem Jobs vor Ort geschaffen. In Ägypten sollen jetzt zum Beispiel etwa 1300 Jobs entstehen, sowohl in der Bauphase als auch darüber hinaus.
Wie geht es jetzt weiter?
Ab 2027 sollen jährlich 40.000 bis 80.000 Tonnen grünes Ammoniak nach Europa kommen, auch nach Deutschland. Diese werden dann über die Börse an den Meistbietenden verkauft. Die Hoffnung ist, dass der CO2-Preis dann irgendwann so hoch ist, dass das fossile, graue Ammoniak ähnlich teuer ist wie das grüne und es so mehr Abnehmer findet. Dadurch würden die Differenzkosten langsam auf 0 sinken, wodurch letztlich auch H2 Global überflüssig wird.
Das Instrument ist nicht geschaffen, um dauerhaft zu bleiben, sondern nur, um die Markteinführungsphase zu überwinden, in der es noch eine eklatante Preisdifferenz zwischen fossilem und grünem Ammoniak gibt. Doch für diese Überwindung ist entscheidend, dass der CO2-Preis stark anzieht. Nach unseren Berechnungen könnte dies schon zwischen 2028 und 2030 der Fall sein.
Was sagen Sie zu dem erzielten Preis?
Erstmal: Wir haben jetzt zum ersten Mal echte Preise. Er liegt 811 Euro die Tonne, das entspricht ungefähr 4,50 Euro pro Kilo Wasserstoff. Allerdings kommt der Wasserstoff in Form von Ammoniak an und wird auch als Ammoniak genutzt werden. Die ersten Anlagen zur Ammoniakspaltung (Cracker) stecken technisch nämlich noch in den Kinderschuhen. Darauf brauchen wir also nicht zu hoffen. Der Wasserstoff kommt, das habe ich immer gesagt, zuerst als Ammoniak nach Deutschland und wird auch direkt als Ammoniak verwertet.
Aber kurz gesagt: Es ist ein tolles Preissignal, das zeigt, dass grünes Ammoniak zu wettbewerbsfähigen Kosten hergestellt werden kann. Und zwar unweit von uns in der Mena-Region und zu den Kriterien, die gesetzt wurden, also sowohl sozial als auch ökologisch verträglich. Und wenn das grüne Ammoniak dann zu uns kommt, sind inklusive der ganzen Logistik und der Importzölle Preise von rund 1.000 Euro pro Tonne anvisiert. Das ist schon ein sehr, sehr gutes Ergebnis.
Importstrategie
Was hat es mir der angekündigten Wasserstoff-Importstrategie der Bundesregierung auf sich?
Die Importstrategie ist ein wichtiges Puzzleteil zur Ergänzung der nationalen Wasserstoffstrategie. Sie war auch Teil des ursprünglichen Konzepts. Wir haben im Januar mit dem Nationalen Wasserstoffrat eine Stellungnahme dazu veröffentlicht, wo ich ein Sondervotum eingereicht habe. Meiner Meinung nach ist die heimische Produktion in Deutschland genauso wichtig. Wir hätten das technische Potenzial bei uns, den Wasserstoffbedarf zu decken – das sollten wir nicht vergessen. Aber es macht unter anderem aus Wettbewerbsgründen auch Sinn, zusätzlichen Wasserstoff zu importieren. Dabei ist mein großes Petitum: Lasst alle Derivate zu, fokussiert euch nicht nur auf den blauen Wasserstoff. Denn das ist momentan die Tendenz.
Es steht der Glaube im Raum, dass erstmal ganz viel blauer Wasserstoff kommen wird. Blauer Wasserstoff ist aber nicht klimaneutral. Er ist emissionsbehaftet und verstetigt die fossile Infrastruktur. Von daher habe ich dafür votiert, dass wir uns um grünen Wasserstoff und vor allem grüne Derivate kümmern und auch hier technologieoffen bleiben und die Vielfalt zulassen. Dazu gehören erneuerbare Gase wie SNG, aber auch Methanol, Ammoniak und so weiter. Wir haben in mehreren Studien gezeigt, dass sie alle ready to go sind. Diese Medien haben kurze Implementierungszeiten bei einer ausgereiften, wettbewerbsfähigen Technik. Ich denke, darauf sollten wir setzen.
Ich hoffe und glaube aber, dass die Importstrategie technologieoffen umgesetzt wird. Das muss sie einfach, da unsere Ziele sehr ambitioniert sind. Erst kürzlich hat der Europäische Rechnungshof die Kommission gerügt, weil ihre Wasserstoff-Ziele zu ambitioniert und kaum erreichbar sind. Damit sind wir am Ende alle frustriert.
Ist H2Global in diesem Kontext ein positives Signal?
Ja, H2Global gibt uns Hoffnung. Es geht eigentlich nur darum, dass der Markt liquider wird und mehr Fördermittel erhält. Immer mehr Länder wollen inzwischen H2Global kopieren, etwa die USA, Japan oder Südkorea. Der Wasserstoffhochlauf wird also schon gelingen, aber wir müssen uns realistische Ziele setzen. Übrigens ist es wichtig, dass die nationale Importstrategie in eine europäische Strategie eingebettet wird, denn nach Deutschland können wir auch aus Spanien, Finnland oder Norwegen importieren. Zu Wasserstoff und Derivaten wie SNG gibt es dort tolle Projekte. Deswegen ist es falsch, in einer Importstrategie oder bei den Klimaschutzverträgen aus ideologischen Gründen grüne Gase wie SNG auszuschließen.