IPCEI-Projekte
Was sind IPCEI-Projekte?
IPCEI steht für Important Projects of Common European Interest. Die Idee ist, auf europäischer Ebene gemeinsame Vorhaben anzuschieben, die einzelne Länder nicht schaffen können. Diese Projekte sollen Europa also bei wichtigen Zukunftsthemen länderübergreifend voranbringen.
2018 erhielt ich einen Anruf vom Bundesforschungsministerium (BMBF), in dem mir mitgeteilt wurde, dass die EU etwas Großes vorhabe, das sich über ganz Europa erstrecken und Power-to-X vorantreiben soll. Die Überlegung des BMBF war, im europäischen Kontext gemeinsame Infrastrukturen aufzubauen. In unserem Fall geht es um Wasserstoff, aber es gibt auch zu anderen Themen IPCEI-Projekte, etwa zur Mikrochip- oder Batterieproduktion.
Wie steht es um die deutschen Wasserstoff-IPCEI-Projekte?
In Deutschland gibt es 23 Wasserstoff-Infrastrukturprojekte mit IPCEI-Notifizierung. Die beteiligten Unternehmen haben am 15. Juli, kurz vor der Sommerpause, ihre lange erwarteten Förderbescheide erhalten. Das hat die Stimmung gedreht, zumindest bei mir. Im Juni hatten wir im Nationalen Wasserstoffrat noch ein Brandpapier verfasst und zu schnellerem Handeln gemahnt; der Süddeutschen Zeitung gegenüber hatte ich gesagt, dass ich den Wasserstoffhochlauf nach wie vor für ein Kartenhaus halte, das jederzeit zusammenfallen kann.
Nun sind wirklich 4,6 Milliarden Euro verteilt worden – auch mit europäischer Unterstützung. Hinzu kommen private Investitionen in Höhe von etwa 3,3 Milliarden Euro. Insgesamt werden also fast 8 Milliarden Euro investiert. Die Projekte umfassen ca. 1,4 Gigawatt Elektrolyse und über 2000 Leitungskilometer im Wasserstoff-Kernnetz. Es gibt also richtig starke Impulse, und es zahlt sich aus, dass viele Regionen sehr früh bundesländerübergreifende Initiativen gebildet haben. Es gibt beispielsweise in Norddeutschland ein großes Cluster, in dem sich Niedersachsen mit Hamburg und Schleswig-Holstein zusammengeschlossen hat. Solche Cluster gibt es auch in NRW, in Ostdeutschland rund um Leuna sowie in den Stahlregionen im Saarland.
Das positive Signal lautet: Jetzt wird gebaggert und gebuddelt. So hat Robert Habeck es formuliert. Jetzt kommen wir weg von den PowerPoint-Folien, jetzt geht es wirklich in die Umsetzung. Und das macht Mut.
Gibt es ein Projekt, das Sie besonders spannend finden?
Ja, das Projekt GET H2 fand ich schon immer besonders interessant. Zum einen, weil es auf einer bestehenden Pipeline in NRW aufbaut, und zum anderen, weil es die über das niedersächsische Lingen sowohl eine Brücke zu den neuen Wasserstoff-Speichern in Norddeutschland – hier würde ich insbesondere die Kaverne in Etzel hervorheben – als auch zu industriellen Großverbrauchern wie Thyssenkrupp in Westdeutschland schlägt. Zudem ist Lingen gut an den Hafen von Rotterdam in den Niederlanden angebunden.
Darüber hinaus stammen viele Projektpartner in Lingen aus der Öl- und Chemieindustrie. Diese Unternehmen haben sich wirklich dazu committed, nicht nur die Nachfrage nach Öl und Gas zu decken, sondern auch Wasserstoff anzubieten. Von daher ist GET H2 für mich ein Vorzeigeprojekt, bei dem sowohl große als auch kleine Unternehmen an der praktischen Umsetzung beteiligt sind. Die Entschlossenheit, mit der die Firmen das Projekt vorantreiben, hat mich schon immer fasziniert.
Neben einer Produktionsanlage mit 300 MW Kapazität soll im Rahmen von GET H2 auch ein Gasspeicher mit einem Speichervolumen von 28 Millionen Kubikmetern für die Einlagerung von Wasserstoff ertüchtigt werden. Es sind also wirklich große Klötze, die jetzt von den Laboren der Universitäten in die Praxis wandern. Und gerade für diese Überführung sind die Förderbescheide von Bund und Ländern ein Meilenstein.
E-SAF
Allerdings gibt es auch Rückschläge bei der Energiewende: Bei der H2Global-Auktion im Juli sind in der Ausschreibung für nachhaltiges Kerosin (e-SAF) keine Gebote eingegangen. Warum?
Lassen Sie mich vorne beginnen: Bei unserer letzten Folge von H2 On Air sprachen wir bereits über die H2Global-Auktion zu Ammoniak, die sehr erfolgreich war. Es gab aber auch eine Auktion, die gescheitert ist, und das war die Auktion zu e-SAF (sustainable aviation fuel), also grünem Kerosin. Die wurde mit einem ähnlich großen Volumen ausgeschrieben, allerdings gab es keine Bieter. Das Problem dabei war weder das Geld noch der Wille der Unternehmen, sondern das überaus strenge Set an Regularien, das sich die Europäische Union auferlegt hat.
Sind die Anforderungen der EU zu hoch?
Ja. E-SAF darf nur gefördert werden, wenn zusätzliche erneuerbare Energieanlagen für seine Produktion gebaut werden, die zudem noch räumlich in der Nähe liegen und zeitlich laufen, damit man ganz sicher sein kann, dass ausschließlich grüner Strom für die Treibstoffproduktion verwendet wird. Bei der Elektromobilität oder bei Wärmepumpen werden nicht derart strenge Kriterien angelegt.
Ich vergleiche das Vorgehen der EU immer mit dem von Eltern, die von ihrem gerade geborenen Baby erwarten, dass es sofort sprechen, lesen, schreiben und rechnen kann. Das ist einfach absurd. Stellen Sie sich vor, wir hätten vor 20 Jahren ähnlich strenge Kriterien an die Photovoltaik angelegt. Durch solche Regularien man kann eine Sache auch im Keim ersticken. Und das ist hier leider passiert.
Die EU-Anforderungen beziehen sich nicht nur auf den zur e-SAF-Produktion verwendeten Strom, sondern auch auf das CO2. Spielt das ebenfalls eine Rolle?
Absolut. Die EU hat vorgeschrieben, dass der verwendete Kohlenstoff aus Ländern kommen muss, die über einen CO2-Handel verfügen und in denen eine CO2-Bepreisung stattfindet. Dann hat die EU-Kommission die Kriterien, die beim europäischen Emissionshandel gelten, einfach auf den ganzen Globus übertragen. Und das schafft natürlich massive Unsicherheit bei den Investoren: Kaum ein Land besitzt ein CO2-Preissystem, das mit dem von Europa oder Deutschland vergleichbar wäre. Somit dürfte im Endeffekt kein Land der Welt grünes Kerosin oder Methanol nach Europa liefern, einfach weil der Nachweis der Kohlenstoffquelle gar nicht möglich ist und wir zu strenge Regeln für den Import haben.
Wie begründet die EU ihre Regeln denn?
Der Hintergedanke ist, dass fossiles CO2 ganz schlimm sei und wir es erstmal verbuddeln müssten. Das dabei angewandte CCUS (Carbon Capture and Storage) ist aber eine riskante Technologie, die weltweit noch keiner wirklich ausprobiert hat und die nur in der Theorie gut funktioniert. Das Absurde ist, dass die EU nur CO2 aus Direct Air Capture (DAC) als sauber und damit zulässig ansieht. Dabei steckt die DAC-Technologie noch in den Kinderschuhen. Es dauert mindestens noch zehn Jahre, bis die ersten Pilotanlagen so hochskaliert sind, dass sie zu akzeptablen Kosten CO2 aus der Luft abscheiden. Es wäre viel leichter, das CO2 von einem Industriebetrieb oder einem fossilen Kraftwerk abzutrennen. Auch die Klimabilanz wäre dieselbe.
Wenn ein CO2-Molekül an seiner Entstehungsquelle abgefangen und in Kerosin umgewandelt wird, das man anschließend in einem Flugzeug verbrennt, kommt kein zusätzliches CO2-Molekül in die Atmosphäre. Die EU-Regularien verbieten aber die Nutzung dieses abgeschiedenen CO2, da es schlecht sei. Damit will die EU auch andere Länder dazu bringen, CO2-Bepreisungssysteme einzuführen, um ihre e-Fuels nach Europa verkaufen zu können. Wie wir jetzt mit H2Global gesehen haben, ist das Resultat dieser Strategie Stillstand. Keiner wagt, da ein Angebot abzugeben, einfach weil die Rechtsgrundlage absolut unsicher ist.
Von daher ist mein Appell: Lasst dem Kind Zeit, damit es wachsen kann. Irgendwann kann man dann strenge Kriterien ansetzen, aber erst, wenn wirklich schon eine gewisse Substanz da ist und man sicherstellen will, dass die Energiewende auch langfristig in die richtige Richtung geht.