Die Importstrategie
Braucht Deutschland wirklich eine Wasserstoff-Importstrategie?
Es war höchste Zeit! Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir bis 2030 beträchtliche Mengen an Wasserstoff und Wasserstoffderivaten oder: „Power-to-X-Produkten“ – ungefähr 95 bis 130 Terrawattstunden (TWh). Das ist sehr viel, wenn man sich vor Augen führt, dass wir nur fünf Jahre Zeit haben. Denn wir müssen auch die Bauzeiten berücksichtigen: Selbst, wenn für eine H2-Anlage alle Genehmigungen eingeholt sind, dauert es noch drei bis fünf Jahre, bis sie in Betrieb gehen kann.
Deckt sich die Importstrategie mit der aktuellen Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS)?
Ja. Die Angaben zum H2-Bedarf wurden sogar leicht erhöht: Für 2045 geht die Bundesregierung nun von 360 bis 500 TWh aus, hinzu kommen 200 TWh an Derivaten. Wo soll das alles herkommen, wenn nicht – zu großen Teilen – aus dem Ausland? In Deutschland sind heute nur rund 0,3 Gigawatt (GW) installiert, und zwar überwiegend Anlagen, die durch Forschungsprojekte oder öffentliche Subventionen zustande kamen. Die NWS sieht eine Kapazität von 10 GW bis 2030 vor, und trotzdem besagt die Importstrategie, dass wir rund die Hälfte unseres Bedarfs werden importieren müssen. Daran merkt man, um was für eine Herkulesaufgabe es sich hier handelt.
Welche Aussagen trifft die Importstrategie im Hinblick auf die Länder, aus denen Wasserstoff und seine Derivate kommen sollen?
Zunächst sollen es möglichst viele Partnerländer sein. Der Grund ist, dass Deutschland seine Energieversorgung diversifizieren will, um nicht erneut in die Abhängigkeit weniger Länder zu fallen. Weiterhin definiert die Strategie verschiedene Nachhaltigkeitskriterien, die die Energieträger erfüllen müssen, um für den Import infrage zu kommen. Zudem nennt sie mögliche Transportwege wie Schiffe und Pipelines.
Was gefällt Ihnen an der Importstrategie?
Mir gefällt besonders, dass sie technologieneutral ist und einen breiten Instrumentenmix vorsieht. Es wird eben nicht nur über Wasserstoff gesprochen, sondern auch über Derivate. Zudem wurden in dem Paper sinnvolle Nachhaltigkeitskriterien verankert, wobei auch der fachliche Input aus dem Nationalen Wasserstoffrat (NWR) berücksichtigt wurde.
Worauf beziehen Sie sich da?
Beispielsweise haben wir lange heiß diskutiert, ob sich die Strategie auf reinen Wasserstoff fokussieren oder bestimmte Importverfahren bzw. Derivate hervorheben soll. Letzteres ist passiert, und mich persönlich freut es, dass Derivate nun eine große Rolle spielen. Wir hatten mit dem NWR schon im Januar eine Stellungnahme veröffentlicht, in der wir auf den immensen Importbedarf hinwiesen, den wir für die Erreichung unserer Klimaziele bis 2035 haben.
Importverfahren
Eignen sich manche Importverfahren besser als andere?
Definitiv. Einerseits ist es gut, dass die Importstrategie so technologieoffen ist, aber andererseits muss man sehen, dass nur wenige Technologien die technische Reife aufweisen, die für den Import in einem relevanten Größenmaßstab bis 2030 notwendig ist. Beispielsweise können wir alles ausschließen, was mit LOHC zu tun hat, aber auch flüssigen Wasserstoff sowie Technologien, die auf Direct Air Capture basieren. Und der Aufbau einer neuen Infrastruktur für reinen Wasserstoff wäre einfach zu teuer – also Speicher, Terminals, Pipelines, und Anwendungen. Der Staat kann zwar eine Anschubfinanzierung leisten, aber nicht dauerhaft subventionieren. Daher finde ich wettbewerbliche Instrumente wie H2Global auch sinnvoll, da sie helfen, die Kosten für den Staat zu minimieren.
Welche Importverfahren würden Sie also empfehlen?
Ich würde in der Importstrategie, genau wie für den Markthochlauf insgesamt, auf heute verfügbare und ausgereifte Technologien wie Synthetic Natural Gas (SNG), Ammoniak und Methanol setzen. So können die begrenzten finanziellen Mittel den maximalen Beitrag zu Versorgungssicherheit und Klimazielen leisten. Als Forscher fordere ich natürlich, dass man uns frei forschen und ausprobieren lässt. Daher bin ich auch nicht gegen die Entwicklung neuartiger Wasserstoffträger wie Dimethylether. Solche Verfahren gehören langfristig auch in eine Importstrategie, aber für einen Zeitraum wie 2030 oder 2035 sind sie überhaupt nicht relevant.
In unserer zweiten Folge sprachen wir im Rahmen über H2Global bereits über den internationalen Transport von Wasserstoff. Dort sagten Sie, Ammoniak habe sich als Transportmedium durchgesetzt.
So war es bei dieser Auktion auch. Die Anlage, die die erste Ausschreibung von H2Global gewonnen hat, ist eine etablierte Ammoniak-Synthese, die bislang mit fossilem Wasserstoff betrieben wurde. Diese wird jetzt auf grünen Wasserstoff umgewidmet. Nur indem sie eine bestehende Infrastruktur weiternutzen, schaffen es die Betreiber, schon 2027 signifikante Mengen zu liefern.
Internationale Wasserstoffproduktion
Blicken wir nochmal auf die potenziellen Partnerstaaten. Wie schätzen Sie das weltweite Potenzial für die Produktion von grünem Wasserstoff ein?
Es ist sehr groß. Rund 70 Länder haben inzwischen eigene Wasserstoffstrategien aufgesetzt und planen den großvolumigen Export. Allerdings haben nur wenige Länder ihr angestrebtes Produktionspotenzial so genau definiert wie Deutschland. Deswegen wurde die Importstrategie international mit großer Spannung erwartet: Manche dachten, die Bundesrepublik würde sich nun auf einzelne Länder fokussieren. Im Ergebnis tun wir das aber nicht, sondern legen gewisse Kriterien fest. Auch das ist ein Signal nach außen.
Müssen wir den Wasserstoff denn immer aus Übersee importieren?
Ganz und gar nicht, auch die europäischen Nachbarn können relevante Mengen reinen Wasserstoffs liefern, entweder über separate Pipelines oder über ein europaweites Kernnetz, wie es derzeit in Form des European Hydrogen Backbone entsteht. Viel schneller wäre es natürlich, den Wasserstoff Erdgaspipelines beizumischen oder SNG zu produzieren.
Heißt das, für den europäischen Transport setzen Sie auf reinen Wasserstoff oder SNG in Pipelines, und für den internationalen auf Ammoniak und Methanol via Schiff?
Ja. Beim Methanol kommt das Problem hinzu, dass es nur als grün anerkannt wird, wenn der Kohlenstoff, mit dem es produziert wurde, gemäß den EU-Kriterien als nachhaltig eingestuft wird. Dafür darf er aber nicht aus einer industriellen Punktquelle stammen, sondern muss via DAC aus der Luft abgeschieden worden sein. Das ist absolut absurd: Für das Klima ist es völlig egal, woher das CO2 kommt. Bei den politischen Debatten ist leider immer auch viel Ideologie mit im Spiel.
Wie lautet Ihr Ansatz bei solchen Fragen?
Ganz einfach: Wie erreichen wir die Ziele mit den begrenzten Mitteln und Technologien, die vorhanden sind? Unter dieser Betrachtungsweise kann auch LNG eine Rolle spielen, da es SNG über bestehende Infrastrukturen sofort importierbar macht. Die H2Global-Auktion in Ägypten hat sehr deutlich gemacht, dass niemand wettbewerbsfähig ist, der nicht auf vorhandene Infrastrukturen setzt.
In vielen Ländern, die als Wasserstoff-Exportnationen gehandelt werden, sind diese allerdings noch gar nicht vorhanden.
Genau, etwa in Namibia. Ich glaube nicht, dass dort bis 2030 oder 2035 Solarparks, Windparks, Energieanlagen und ein neuer Hafen gebaut werden. Von daher lautet der Königsweg aus meiner Sicht, in bestehenden Ammoniak- und Methanolanlagen den grauen Wasserstoff durch grünen zu ersetzen – oder SNG aus grünem Wasserstoff zu produzieren.
Demnach müssen die ersten großen Wasserstoffimporte aus Ländern kommen, in denen es eine etablierte Öl- und Gasinfrastruktur gibt.
Genau. In diesen Staaten gibt es schon die Anlagen und das technische Knowhow. Vor allem Chile, Indien, Australien und Kanada können interessant sein. Deutschland verfügt über viele solcher Energiepartnerschaften, die man mit der Importstrategie weiter vorantreiben will.
Haben Sie auch Kritik an der Importstrategie?
Ja – sie nimmt das SNG nicht ernst und ist hier nicht auf dem neusten Stand. In dem Text heißt es, noch seien keine großskaligen SNG-Anlagen in Betrieb. Das ist Quatsch. In Deutschland hat Audi eine Anlage mit 6 Megawatt Kapazität betrieben, und es gibt weitere Anlagen, etwa seit fast zehn Jahren die 1-GW-Anlage des dänischen Herstellers Haldor Topsoe in China. SNG wird eher verteufelt, da man es mit dem bösen Erdgas assoziiert. Dabei sind alle wichtigen Häfen heute schon SNG-ready. Die ganze Infrastruktur ließe sich viel schneller bereitstellen als für Methanol oder Ammoniak.
Wie lautet also Ihr Fazit?
Insgesamt ist die Strategie schon ein großer Schritt in die richtige Richtung, vor allem in der Kommunikation nach außen. Mit der Importstrategie kommunizieren wir unseren Partnerländern, welche Technologiepfade wir sehen und welche Nachhaltigkeitskriterien aus unserer Sicht erfüllt werden müssen. Leider ist das Paper an einigen Stellen sehr unkonkret geblieben. Für mich ist es aber erstmal am wichtigsten, dass die Vielfalt der Technologien gesehen und zugelassen wird. Die brauchen wir nämlich definitiv, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen.
e Substanz da ist und man sicherstellen will, dass die Energiewende auch langfristig in die richtige Richtung geht.