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H2 on air: Folge 5 – Das Wasserstoff-Kernnetz

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Autor: Magnus Schwarz

Die exklusive Kolumne von Prof. Michael Sterner – der Stimme des Wasserstoffs
Kernnetz

Das Kernnetz: Grundidee und Herausforderung

Was ist das Kernnetz?

Das Wasserstoff-Kernnetz ist das Rückgrat des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland. Es soll bis 2032 bereitstehen, rund 9.600 km lang sein und zu 80 % aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Der Kern des Kernnetzes ist also nichts Neues. Konzipiert wurde es von den Fernleitungsnetzbetreibern (FNB), also jenen Unternehmen, die Hunderttausende Kilometer Ferngasnetz in Deutschland betreiben. Mitte Juli wurde der Antrag der FNB zur Genehmigung bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) eingereicht. Darauf wurde lange gewartet, auch ein bisschen hingezittert.

Worin besteht die Problematik bei der Planung?
Das Kernnetz bildet das Bindeglied zwischen Wasserstofferzeugung und -verbrauch. Wenn die Erzeugung aber unsicher ist – und das ist sie, wenn man bedenkt, dass von den bis 2030 anvisierten 10 Gigawatt gerade einmal 0,3 GW installiert sind – sorgt das für große Unsicherheit bei möglichen Investoren. Denn es stellt sich die Frage, ob nach ihrer Fertigstellung überhaupt etwas in die neuen Pipelines eingespeist werden kann.

Wie sieht es bei den Abnehmern aus?
Nicht viel besser. Viele Stadtwerke beschäftigen sich zwar mit der kommunalen Wärmeplanung, aber wo wie viel Wasserstoff benötigt wird, ist noch unklar. Gleiches gilt für eine andere Gruppe möglicher Großabnehmer: die wasserstofffähigen Gaskraftwerke. Aktuell weiß niemand, wo genau sie stehen werden. Ein weiterer Abnahme-Sektor wäre die Mobilität. Aber auch hier herrscht Unklarheit. Das Verkehrsministerium wollte 60 neue H2-Tankstellen fördern, hat seine Förderbescheide nach dem Urteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) aus Karlsruhe im November 2023 aber zurückgezogen. Und bei neuen Mobilitätsprojekten gilt nach der Förder-Affäre im Februar ein Förderstopp. Kurz: Es ist nicht eindeutig, wo wann wie viel Wasserstoff gebraucht wird.

Das Kartenhaus des Wasserstoffhochlaufs könnte nach wie vor zusammenbrechen, wenn die Erzeugung und der Import nicht wie geplant anlaufen oder die erhoffte Nachfrage ausbleibt. Wieso haben sich die FNB trotzdem für das Kernnetz entschieden?
D
ie Bundesregierung hat alles getan, um ihre Investitionspläne abzusichern. Außerdem hat sie die Förderbescheide für 23 IPCEI-Projekte übergeben und damit grünes Licht für 1,4 GW Elektrolyseleistung gegeben. Auch der Bau von 2.000 km Wasserstoff Kernnetz bis 2027 ist in diesen Projekten enthalten. Auf der Nachfrageseite gibt es wiederum die Kraftwerksstrategie und die Klimaschutzverträge. Das ganze Gerüst wächst also langsam zusammen, aber es bleibt ein Kraftakt.

Das Kernnetz: Planung

Wie haben die FNB eigentlich das Kernnetz konzipiert?
Die entscheidende Frage ist immer, wo sich Abnehmer für den Wasserstoff befinden und wie sicher deren Abnahme ist. Um dies zu beantworten, haben die Gasnetzbetreiber den Wasserstoffbedarf von Industrie- und Gewerbekunden mehrfach abgefragt. Weitere Faktoren für die Netzplanung sind die realen oder geplanten Standorte von Wasserstoffkraftwerken, regionalen Elektrolyseuren, Wasserstofftankstellen und Gasspeichern. Dem Ganzen liegt übrigens der übergeordnete Netzentwicklungsplan Gas zugrunde.

Genießen die großen H2-Verbraucher also Priorität bei der Planung der Anschlüsse?
Ja, weil sie einen großen Bedarf haben und die Produktion und Importe ankurbeln. Ohne das Kernnetz kann sich im Grunde überhaupt kein Markt für Wasserstoff bilden. Man hätte einfach lokale Elektrolyseure, die mit lokalen Abenehmern verbunden werden, aber oft passt beides nicht zusammen. Die industrielle Wertschöpfung hat sich ja immer dort angesiedelt, wo die Energie war, etwa aufgrund der Kohle im Ruhrgebiet. Umso wichtiger ist es, heute über Wasserstoffleitungen eine flexible und kostengünstige Versorgung zu sichern.

Das ist die Verbrauchsseite – die möglichen Einspeisepunkte spielen bei der Netzplanung doch sicher auch eine Rolle.
Selbstverständlich. Dabei sind vorwiegend Norddeutschland und Ostdeutschland relevant. Ein wenig findet sich auch im Westen, aber so gut wie nicht im Süden. Dort wurde einfach viel zu wenig Wind- und Solarstrom aufgebaut. Teilweise wurde dies auch politisch verhindert, etwa durch gewisse Abstandsregelungen für Windräder oder eine Vernachlässigung des Stromnetzausbaus.

Blicken wir auf den aktuellen Planungsstand: Was fällt Ihnen an der Karte auf?
Ähnlich wie bei den IPCEI-Projekten sehen wir wieder eine Clusterbildung. Hauptsächlich in Norddeutschland, weil dort auch die Häfen und großen Gasspeicher sind. Eine weitere Clusterbildung sehen wir in den Industrieregionen von NRW und in Teilen Ostdeutschlands. Teilweise betreiben große Chemiekonzerne dort schon seit Jahrzehnten reine Wasserstoffnetze. Weitere Cluster gibt es in der Nähe großer Stahlwerke, etwa im Saarland. In Süddeutschland wird es schon spärlicher, einfach weil so gut wie keine Einspeisung da ist. Aber Abnehmer wären natürlich schon vorhanden. Es drängen jetzt auch immer mehr darauf, dass sich ihre lokalen Politiker für einen Anschluss an das Kernnetz einsetzen. Denn irgendwann müssen sie dekarbonisieren. Solange noch kein Kernnetz beantragt wurde, war der Einsatz von Wasserstoff nur eine Fiktion. Daher ist der aktuelle Antrag jetzt für die ganze Wasserstoffwirtschaft ein wirklich großer Schritt nach vorne.

Das Kernnetz: Finanzierung

Um wie viel Geld geht es eigentlich?
Insgesamt handelt es sich um eine Investition von 20 Milliarden Euro. Das klingt nach einer Menge, aber im Vergleich zum Stromnetz liegt das gerade einmal in der Größenordnung der Mehrkosten für die unnötige Erdverkabelung. Eigentlich ist es also nicht wirklich viel Geld.

Wer trägt die Kosten?
Zu 85 % geht der Staat in Vorleistung, den Rest zahlen die FNB aus Eigenkapital. Anfangs sollten sie noch 25 % Eigenkapital einbringen, der Anteil schrumpfte dann aber auf 15 %. Denn hinter den Netzbetreibergesellschaften stehen große Pensions- und Immobilienfonds, die eine sichere Geldanlage mit auskömmlicher Rendite möchten. Da das Wasserstoff-Kernnetz aber nur eine Rendite von 7 % verspricht und sein Bau mit den genannten Unsicherheiten behaftet ist, taten sie sich schwer damit, 25 % aufzubringen. Ein Vergleich: Mit Investitionen in das etablierte Stromnetz lassen sich rund 10 % Rendite erwirtschaften.

H2-Infrastruktur regional und europäisch

Das Kernnetz soll Wasserstoff auf der überregionalen Ebene transportieren. Wie sieht es auf der regionalen, also der Verteilnetzebene aus?
Auf regionaler Ebene kümmern sich viele verschiedene Unternehmen um das Gasnetz, darunter zahlreiche Stadtwerke. Diese Verteilnetzbetreiber (VNB) erstellen eigene Transformationspläne, für die sie die Wasserstoffbedarfe ihrer lokalen Kunden ermitteln. Daraus leitet sich ein bundesweiter Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) ab. Er gibt einen guten Eindruck von den Wasserstoffbedarfen vor Ort und berücksichtigt dabei auch die kommunalen Wärmeplanungen, soweit sie existieren. Das ist sehr wichtig, denn die FNB denken nicht kommunal, sondern europäisch.

Wie wichtig ist diese europäische Ebene?
Extrem wichtig – Deutschland war und ist eine Drehscheibe für den europäischen Gashandel. Das wird auch beim Wasserstoff der Fall sein. Wir verfügen über zahlreiche Gasspeicher und sind an die Nord- und Ostsee angebunden. Via Pipeline haben wir das meiste Gas bisher aus dem Osten erhalten. Dieser Fokus könnte sich langfristig in Richtung Süden verlagern, wenn wir Pipeline-Wasserstoff über Italien aus der MENA (Middle East and Northern Africa)-Region erhalten. Von wo das Gas auch kommt, von Deutschland aus wird es in alle Teile Europas weiterexportiert.

Kritik am Kernnetz

Haben Sie auch Kritik am Kernnetz?
Durchaus. Ich hätte es besser gefunden, auf synthetisches Methan (sNG) aus grünem Wasserstoff und Kohlendioxid zu setzen. Das wäre viel einfacher gewesen als der Neubau einer Infrastruktur für reinen Wasserstoff, da man die bestehenden Gasnetze inklusive sämtlicher Komponenten hätte weiterverwenden können. So, wie es jetzt geplant ist, müssen relativ viele ausgetauscht werden.

Welche zum Beispiel?
Zunächst braucht ein Wasserstoff-Transportnetz neue Verdichter, weil Wasserstoff nur rund ein Drittel der Energiedichte von Methangas besitzt. Dadurch benötigt er mehr Kompressionsenergie, um die gleichen Energiemengen zu transportieren. Außerdem müssen Regeleinrichtungen und Messtechnik kontrolliert und notfalls ausgetauscht werden. Gleiches gilt für Kugelhähne, Dichtungen, Armaturen und alles, was sonst mit dranhängt. Eigentlich sind wir nur bei den Pipelines selbst auf der sicheren Seite, denn die sind laut den bisherigen Untersuchungen Gott sei Dank H2-ready, auch wenn es ein viel kleineres und explosiveres Molekül ist.

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