Power2Jobs
Sie analysieren mit der “Power2Jobs”-Funktion Ihres “Wasserstoffatlas” das Potenzial auf dem Arbeitsmarkt der Wasserstoffwirtschaft. Was zeichnet Ihr Tool aus?
Mit “Power2Jobs” können wir genau aufzeigen, wie sich der Wasserstoff-Arbeitsmarkt regional entwickeln wird. Das ist je nach Landkreis sehr unterschiedlich. Wir haben zunächst analysiert, welche Industrie- und Verkehrszweige künftig besonders stark auf Wasserstoff angewiesen sein werden. Das erlaubt uns präzise Prognosen für jeden einzelnen Landkreis. Dabei berücksichtigen wir sowohl die bestehenden Industriestrukturen als auch das Potenzial für die Wasserstofferzeugung.
Wo sehen Sie die größten Beschäftigungspotenziale?
Wir haben mehrere Schwerpunktregionen identifiziert. Das sind zum einen die klassischen Stahlstandorte wie Salzgitter und Duisburg. Dort werden Anlagentechniker und Prozessingenieure gebraucht, die die Umstellung von koksgefeuerten Hochöfen auf wasserstoffbasierte Direktreduktion begleiten. Hinzu kommen die großen Chemieregionen, etwa Ludwigshafen mit BASF oder das Chemiedreieck um Altötting. Außerdem werden Standorte der metallverarbeitenden Industrie wie Schweinfurt und Erlangen zu wichtigen Entwicklungszentren, in denen Ingenieure und Techniker an Komponenten für die Wasserstoffwirtschaft arbeiten. Nicht zu vergessen sind Raffineriestandorte wie in der Uckermark oder große Flughäfen wie Berlin und München, die Spezialisten für die Betankungsinfrastruktur und die Wartung von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen benötigen.
Sie teilen die Regionen in verschiedene Kategorien ein. Was steckt dahinter?
Wir unterscheiden vier Typen: Die “Heavy User” wie Duisburg oder Ludwigshafen werden sehr viele Arbeitsplätze in der Wasserstoffwirtschaft haben, können aber selbst relativ wenig H2 produzieren. Die “Powerhorses” – etwa Stendal oder die Mecklenburgische Seenplatte – haben hingegen ideale Bedingungen für die H2-Produktion, aber wenig Eigenbedarf. Diese Regionen gilt es mit den Heavy Usern zu verbinden. Als drittes gibt es “Selbstnutzer” wie die Uckermark, die beides kombinieren – hier entsteht also eine komplette Wasserstoff-Wertschöpfungskette mit entsprechenden Jobs von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zur Nutzung. Die vierte Kategorie sind “Beobachter”, meist Großstädte wie Berlin oder München, die zwar einen gewissen Bedarf haben werden, aber wenig Produktionspotenzial.
Der Wasserstoffatlas berücksichtigt auch das Beschäftigungspotenzial vor Ort. Wie werden sich lokale Arbeitsmärkte durch den H2-Hochlauf verändern?
Wir werden in vielen Regionen einen klaren Shift von “Brown Jobs” zu “Green Jobs” sehen. Ein Beispiel: Ein Kohlekraftwerk-Mitarbeiter bringt viele übertragbare Kompetenzen mit – von der Anlagentechnik bis zur Prozesssteuerung. Diese Skills sind auch in einer Wasserstoff-Elektrolyseanlage gefragt. Ähnliches gilt für Raffinerie-Beschäftigte, die künftig synthetische Kraftstoffe produzieren werden.
Wasserstoff-Weiterbildungen
Welche konkreten Weiterbildungswege gibt es?
Um die sogenannten “Skill Gaps” zu schließen, existieren Qualifizierungsangebote auf verschiedenen Ebenen. Für Ingenieure gibt es spezielle Master-Studiengänge und Zertifikatskurse in Wasserstofftechnologie. Techniker und Meister können sich durch Zusatzmodule in Wasserstofftechnik weiterbilden. Für Facharbeiter entwickeln wir mit der Industrie spezielle Qualifizierungsprogramme – etwa zum “Wasserstoff-Anlagentechniker” oder zur “H2-Sicherheitsfachkraft”.
Gibt es in den verschiedenen Regionen Unterschiede beim Qualifizierungsbedarf?
Ja, da sehen wir erhebliche Unterschiede: In Nordrhein-Westfalen, dem klassischen Energieland, ist der “Skill Gap” sehr gering. Die Region profitiert von ihrer langen Energie-Tradition – von der Kohle über Wind und Solar bis zur Industrie. Auch Standorte mit starker Chemieindustrie wie der Raum Düsseldorf sind gut aufgestellt, weil dort schon viel Know-how im Umgang mit Wasserstoff existiert. Die Mitarbeiter kennen bereits wichtige Sicherheitsaspekte und Verfahrenstechniken.
Und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
In Regionen wie dem Saarland und in der Pfalz, aber auch in Teilen von Mittel- und Norddeutschland sowie in Bayern haben wir noch erheblichen Qualifizierungsbedarf. Das betrifft besonders die sehr spezifischen H2-Kompetenzen wie Hochdrucktechnik oder Sicherheitssysteme.
Fazit
Kann der Fachkräftemangel den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft gefährden?
Das ist in der Tat eine reale Gefahr. Besonders kritisch wird es in den Regionen, die sowohl einen großen Skill Gap als auch hohe Wasserstoffnachfrage haben. Diese Standorte werden entweder Personal aus anderen Regionen abwerben oder sehr schnell eigene Fachkräfte ausbilden müssen. Sonst kann der Wasserstoffhochlauf tatsächlich am fehlenden qualifizierten Personal scheitern. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die verschiedenen Berufsgruppen jetzt gezielt weiterentwickeln und ihre Qualifikationen an die neuen Anforderungen anpassen.
Wie kann der Wasserstoffatlas den Hochlauf bei dem Arbeitsmarkt-Problem unterstützen?
Der Wasserstoffatlas kann eine erste Orientierung geben: Wo entstehen welche Jobs? Welche Qualifikationen werden gebraucht? Wir haben den Atlas gemeinsam mit DWI Econ und dem VDMA als Vernetzungstool konzipiert, und seine Besonderheit liegt in der Detailtiefe. Die gibt es so nur bei uns. Wir bilden wirklich alles ab, was mit Wasserstoff in Deutschland zu tun hat: die Potenziale, die Kosten, die Arbeitsplätze und das künftige Kernnetz. Nutzer können für jede Region analysieren, ob und wie sie sich selbst versorgen kann, ob sie andere Regionen mit Wasserstoff beliefern kann und so weiter. Und daraus lassen sich eben valide Schlüsse auf Beschäftigungsverhältnisse und Qualifizierungsbedürfnisse ziehen.