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H2 on air, Folge 8: Was bedeutet die Bundestagswahl für den H2-Hochlauf?

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Autor: Magnus Schwarz

Die exklusive Kolumne von Prof. Michael Sterner – der Stimme des Wasserstoffs

Zum Wahlausgang

Herr Prof. Sterner, wie bewerten Sie den Wahlausgang?
Zunächst finde ich die Wahlbeteiligung von 82,5 Prozent bemerkenswert. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung und gibt der neuen Regierung eine starke Legitimation. Zweitens ist es erfreulich, dass 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler demokratische Parteien gewählt haben, davon rund 65 Prozent Parteien der Mitte. Dies zeigt eine starke demokratische Basis, die wehrhaft ist gegen die politischen Ränder.

Hätten SIe sich ein anderes Wahlergebnis gewünscht?
ZIch hätte eine Kenia-Koalition ideal gefunden, nicht aus Stabilitätsgründen – da ist eine Zweier-Koalition sicher besser. Aber man hätte die wirtschaftliche Rationalität der Union, das ökologische Gewissen der Grünen und den sozialen Aspekt der SPD wunderbar vereinen können. 

Was erhoffen Sie sich nun insgesamt für die kommende Legislaturperiode?
Ich wünsche mir eine stabile Koalition, die zusammenbleibt und nicht aus egoistischen Gründen ausschert. Dies war bei der FDP der Fall, die nun auch dafür abgestraft wurde. Außerdem erhoffe ich mir eine Regierung, die wichtige Themen wie den Klimaschutz nicht vernachlässigt.

Bedeutung für die Wasserstoffwirtschaft

Damit wären wir beim Thema. Was bedeutet der Wahlausgang nun für den Wasserstoffsektor?
Die gute Nachricht ist: Wasserstoff bleibt ein zentrales Thema. Gemeinsam mit dem VDI haben wir die Wahlprogramme der Parteien analysiert und geschaut, wie oft der Begriff Wasserstoff vorkommt. Das Ergebnis: Bei SPD und CDU wird das Thema besonders häufig erwähnt. Ich bin daher relativ optimistisch. Auch E-Fuels und erneuerbare Energien sind in den Programmen der beiden Parteien verankert. Die Union nennt in ihrem auch explizit Brennstoffzellen und CCU/CCS. Elektrolyseure hingegen werden leider von keiner Partei direkt erwähnt. Auch Leitmärkte, vermutlich sind damit die Industrie und Stahlbranche gemeint, sind ein wesentliches Thema in den Wahlprogrammen. Und die CO₂-Bepreisung soll laut den Parteien als zentrales Instrument bestehen bleiben.

Wie unterscheiden sich die Maßnahmen der Parteien zur konkreten Umsetzung?
Die SPD will in ihrem Wahlprogramm Wasserstoffleitmärkte zum Beispiel über Mindestquoten beim Stahl fördern. Das deckt sich weitgehend mit der Position der CDU, die „Pioniermärkte” – mit Grünquoten für Gas, Heizöl und Stahl – etablieren möchte. Die Union will besonders die Industrie als Leitmarkt stärken, um zwei Probleme gleichzeitig anzugehen: die Deindustrialisierung in Deutschland stoppen und den Klimaschutz voranbringen. Ich bin ziemlich sicher, dass unter diesen Voraussetzungen auch die Schuldenbremse fallen wird.

Wie wird sich die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung entwickeln?
Die Große Koalition hat 2020 die erste Wasserstoffstrategie herausgebracht. Daher vermute ich, dass wir nach der Wasserstoffstrategie 2.0 der Ampel-Koalition nun eine Wasserstoffstrategie 3.0 sehen werden.

Was könnte diese Wasserstoffstrategie 3.0 enthalten?
Neben Wasserstoffimporten müssen wir unser nationales Ziel von 10 Gigawatt Elektrolyseurkapazität priorisieren. Am besten machen wir das wie bei Wind- und Solarenergie durch Ausschreibungen – vielleicht jährlich 2 Gigawatt über 5 Jahre. Die Photovoltaik-Ausschreibungen mit ihrem Strompreis von 5,7 Cent pro Kilowattstunde zeigen, wie gut dieses Modell funktioniert. Die Bundesnetzagentur könnte es mit geringen staatlichen Mitteln umsetzen und so einen europäischen Wasserstoffhochlauf ankurbeln. Wir könnten zudem ein CO2-Kriterium einbauen, das die Vorkette bewertet, womit Elektrolyseure aus China mit ihrem größeren CO2-Fußabdruck gegenüber deutschen Produkten benachteiligt würden. Das wäre gleichzeitig ein Konjunkturprogramm für Deutschland.

Wie kann sichergestellt werden, dass der deutsche Markt davon profitiert?
Man könnte ein CO₂-Kriterium in die Ausschreibungen integrieren, sodass die Vorkette mitbilanziert wird. Damit würden beispielsweise sehr günstige Elektrolyseure aus China ausscheiden, da sie einen größeren CO₂-Fußabdruck haben als in Deutschland produzierte Anlagen. So könnte ein Konjunkturprogramm innerhalb Deutschlands geschaffen werden – ähnlich wie bei Offshore- und Onshore-Windanlagen und Photovoltaik. Bei Photovoltaik hatten wir zuletzt 2 Gigawatt mit einem Preis von 5,7 Cent. Das ist ein hervorragender Ansatz, der nicht viele staatliche Mittel binden würde und einen europäischen, heimischen Wasserstoffhochlauf ankurbeln könnte.

Bedeutung für einzelne Sektoren

Welche Sektoren könnten von der Wasserstoffpolitik der neuen Regierung profitieren?
In der Industrie wird definitiv eine Nachfrage nach Wasserstoff bestehen. Der Wärmemarkt ist umstritten, könnte aber unter einer schwarz-roten Regierung wieder stärker in den Fokus rücken. Im Verkehrssektor wird es wahrscheinlich nicht mehr nur auf Elektromobilität hinauslaufen, sondern eher auf den technologieoffeneren Ansatz, den die Union schon immer verfolgt hat.

Wie sehen die Parteien das Thema E-Fuels?
Die Union befürwortet E-Fuels grundsätzlich. Die SPD differenziert: Für Pkws lehnt sie E-Fuels ab, für Flugzeuge und Schiffe befürwortet sie diese. Das war auch immer die Position der Grünen, weil man E-Fuels als zu wertvoll erachtet, um sie in PKWs zu „verschwenden”. Meine persönliche Position ist: Für Bestandsfahrzeuge würde ich E-Fuels einsetzen, aber am Verbrenner-Aus nicht rütteln. Über 50 Prozent der verkauften Neufahrzeuge in China sind elektrisch – das ist ein eindeutiger Trend. Aber für Lkws, Schiffe, Flugzeuge und Arbeitsmaschinen brauchen wir E-Fuels. 

Wie wird es mit den Klimaschutzverträgen weitergehen?
Das ist eine spannende Frage, da die Klimaschutzverträge in Wirtschaftskreisen nicht besonders beliebt waren. Dennoch wird es definitiv Anreize für die Wasserstoffnachfrage brauchen. Es ist jetzt auch dringend eine neue Kraftwerksstrategie erforderlich, die den Aufbau wasserstofffähiger Kraftwerke sicherstellt. Ohne diese können wir den Kohleausstieg nicht gewährleisten und müssten zusätzliche Erdgaskraftwerke fördern.

Also hängt der Kohleausstieg direkt mit der Nutzung von Wasserstoff zusammen?
Nein, der Kohleausstieg hängt eher mit dem Ausbau neuer Speicherkapazitäten zusammen. Bei Batteriespeichern erleben wir derzeit einen regelrechtne Boom. Auch Pumpspeicher werden wieder rentabel. Diese können bereits einen großen Teil des Speicherbedarfs abdecken. Die Dunkelflauten, also Zeiten ohne Wind- und Sonnenenergie, bewältigen wir jedoch nur mit Langzeitspeichern. Hier haben wir zwei Optionen: Entweder wir nutzen synthetisches Methan oder eben Wasserstoff.

Was halten Sie von einer möglichen Renaissance der Kernkraft, wie sie in Teilen der der Union befürwortet wird?
Ich sehe weder eine Renaissance der Kernkraft noch die Kernfusion. Kernkraftwerke bauen können eigentlich nur noch China und Russland, sowohl vom Know-how her als auch vom Personal. China ist auf der schwarzen Liste, und dass Russland bei uns neue Kernkraftwerke baut, ist auch unter der neuen Koalition unvorstellbar. Kernfusionskraftwerke werden laut meinen Kollegen aus München frühestens nach 2045 kommen – viel zu spät für unsere Klimaziele.

Gibt es denn kein Szenario, in dem ernkraftwerke wirtschaftlich sinnvoll sind?
Nein, das zeigt Frankreich: Bauzeitverlängerungen von 17 bis 18 Jahren haben zu siebenfach höheren Kosten geführt. Umgerechnet landet man bei etwa 16–17 Cent pro Kilowattstunde. Da kann Wasserstoff locker mithalten.

Mögliche Veränderungen in den Ministerien

Welche Veränderungen erwarten Sie in den Ministerien und deren Zuständigkeiten?
Das hängt stark davon ab, wie die Ministerien besetzt werden. Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftsministerium von der Union geführt wird, womit der Zusatz „und Klimaschutz” wohl entfallen wird – was ich sehr bedauere. Die Frage ist, wohin der Klimaschutz dann wandert. Ich vermute, dass der Bereich wieder ins Umweltministerium zurückkehrt. Das wird sicherlich große Veränderungen ergeben, die wir jetzt noch nicht absehen können. Aber ich bin mir sicher: Im Wasserstoffbereich geht es weiter.