H₂News: Frau Debacher, was macht die HHLA eigentlich?
Karin Debacher: Wir sind ein europäisches Logistikunternehmen und in verschiedenen Geschäftsfeldern entlang der gesamten Transportkette tätig. In Hamburg sind wir vor allem für den Güterumschlag am Hafen bekannt, insbesondere für Container. Unser zweites wichtiges Standbein ist der Containertransport von Seehäfen ins Hinterland per Bahn. In Europa betreiben wir dafür über eine Tochtergesellschaft ein breites Netzwerk aus Seehafen- und Intermodal-Terminals, die wir über Straße und Schiene verbinden.
H₂News: Und was ist Ihre Rolle bei der HHLA?
Debacher: Ich leite die Wasserstoffprojekte bei der HHLA. Das umfasst zwei Bereiche: Erstens die Dekarbonisierung unseres eigenen Betriebs – wir wollen bis 2040 klimaneutral sein, und dabei soll Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Deshalb haben wir Mitte des Jahres auch unser Wasserstoff-Testfeld an einem unserer Containerterminals in Hamburg in Betrieb genommen. Zweitens untersuchen wir, wie Wasserstoff effizient importiert und transportiert werden kann.
H₂News: Wie ist die HHLA auf das Thema Wasserstoff aufmerksam geworden?
Debacher: Das Ziel der Klimaneutralität in der Hafenlogistik beschäftigt uns schon seit Jahren. Anfangs haben wir dafür vor allem auf batterieelektrische Lösungen gesetzt. Dabei merkten wir aber, dass die Elektrifizierung bei manchen Schwerlastgeräten an ihre Grenzen stößt – gerade im 3-Schicht-Betrieb, wenn die Geräte 24/7 in Betrieb sind und keine Ladepausen machen können. Vor etwa vier Jahren haben wir dann entschieden, Wasserstoff und Brennstoffzellen-Fahrzeuge als mögliche Alternative in der Hafenlogistik zu testen.
H₂News: So kam es dann zum Bau des Testfelds, das Sie im Juli eröffnet haben.
Debacher: Genau. Die meisten Schwerlastgeräte wie zum Beispiel Reachstacker und Straddle Carrier waren noch gar nicht als Brennstoffzellen-Variante erhältlich. Wir haben uns also mit Herstellern vernetzt und mit ihnen Prototypen entwickelt, die auf dem neuen Testfeld erprobt werden können. Den Anfang macht eine Wasserstoff-Zugmaschine, die wir auch bei der Eröffnungsfeier vorgestellt haben. Ein weiterer Grund für das Testfeld war, dass wir selbst testen wollen, ob Wasserstoff in der Hafenlogistik sinnvoll ist. Diese Erfahrungen teilen wir anschließend mit den Unternehmen im Clean Port & Logistics Cluster, das sich um das Testfeld gebildet hat.
H₂News: Wer ist alles daran beteiligt?
Debacher: Es umfasst über 40 Firmen weltweit. Viele Mitglieder haben eigene Testfelder zur H₂-Hafenlogistik, über die sie berichten und deren Erfahrung sie teilen. Zu den Mitgliedern gehören etwa die Häfen von Los Angeles und Valencia, aber auch einige südamerikanische Häfen und verschiedene Wasserstoffproduzenten sowie Gerätehersteller weltweit.
H₂News: Welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht?
Debacher: Wir sind derzeit noch an Anfang der Testphase – sowohl die Technologie befindet sich noch in der Prototypen-Phase als auch die umgebende gesetzliche Regulatorik. Aber wir starten aktuell mit dem Einsatz der Wasserstoff-Zugmaschine, weitere Fahrzeuge werden in den nächsten Monaten folgen.
H₂News: Wie funktioniert die Finanzierung?
Debacher: Wir haben einen Teil der Investitionen aus eigenen Mitteln getätigt, zum Beispiel die Fahrzeuge und den verwendeten Wasserstoff. Der Bau des Testfelds und der Wasserstofftankstelle wurde unteranderem vom Bundesverkehrsministerium unterstützt. Unser langfristiges Ziel ist es, das Konzept auf viele Terminals auszurollen und auch andere Fahrzeugtypen mit H₂-Antrieb einzusetzen. Dafür benötigen wir staatliche Fördermittel, da die Finanzierung sonst nicht gesichert ist.
H₂News: Wie erleben Sie abgesehen davon die Unterstützung durch Politik und Behörden?
Debacher: Die lokale Politik in Hamburg treibt das Thema Wasserstoff ganz klar voran und unterstützt uns. Allerdings sind wir kein regionaler Standort, sondern versorgen ganz Deutschland und Europa mit unseren Transporten. Daher brauchen wir auch Unterstützung auf Bundesebene, und da sieht es momentan nicht gut aus – es fehlen eindeutig die Fördermittel für den großflächigen Roll-Out.
H₂News: Und wie reagiert die Hamburger Bevölkerung auf Ihr Engagement beim Thema Wasserstoff?
Debacher: Das Interesse ist sehr groß, was sich in zahlreichen Rückfragen widerspiegelt. Wir kommunizieren dabei immer ganz klar, dass Sicherheit für uns absolute Priorität hat. Bisher spüren wir auch kaum Bedenken, sondern eine große Offenheit.
H₂News: Welche Vorteile bietet gerade der Hamburger Hafen für Wasserstoffprojekte?
Debacher: Der Hamburger Hafen erweist sich gerade als idealer Standort für Wasserstoffprojekte. Er ist nämlich nicht nur einer der größten Häfen Europas, sondern auch das größte zusammenhängendes Industriegebiet Deutschlands. Damit bietet er eine enge Vernetzung verschiedener Industriezweige und Logistikunternehmen sowie das Potenzial zum Aufbau lokaler H₂-Produktionsprojekte sowie für Wasserstoff-Importe aus Übersee. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist seine intermodale Infrastruktur, denn der Hamburger Hafen ist der größte Eisenbahnhafen Europas. Etwa die Hälfte aller Container wird per Bahn weitertransportiert – ein deutlich höherer Anteil als in anderen europäischen Häfen. Das kann der Hamburger Hafen nun auch im Wasserstoffbereich ausspielen, da viele inländische Abnehmer nicht über Pipelines versorgt werden können.
H₂News: Wird an Ihren Terminals denn bereits Wasserstoff umgeschlagen?
Debacher: Ja, in verschiedenen Varianten– flüssig, gasförmig und in Form von Derivaten wie Methanol oder Ammoniak.
H₂News: Sind Infrastrukturanpassungen geplant, um künftig noch mehr Wasserstoff umschlagen zu können?
Debacher: Ja, denn irgendwann stoßen wir einfach an unsere Grenzen und müssen strukturelle Anpassungen der Hafenlogistik vornehmen. Dafür muss aber auch die Regulatorik angepasst werden. Es fehlt aktuell besonders an einer Infrastruktur für großvolumige Flüssigwasserstoff (LH2)-Importe. Viele Diskussionen konzentrieren sich auf Ammoniak-Importketten, Pipelines und Cracker, aber damit deckt man nicht alle Wasserstoffabnehmer ab – insbesondere jene, die hochreinen Wasserstoff benötigen. Für deren Versorgung ist LH2 aus unserer Sicht ideal – auch, weil man ihn direkt tanken kann. Die energieintensive Verflüssigung sollte dabei idealerweise am Herstellungsort stattfinden, wo Energie ja ohnehin kostengünstig vorhanden ist.
H₂News: Gibt es eine Präferenz, wo Wasserstoff produziert wird – in Deutschland, Europa oder anderswo?
Debacher: Wir sind da unvoreingenommen, primär geht es uns um wirtschaftliche Machbarkeit. Wir beobachten, dass die Produktion außerhalb Deutschlands deutlich günstiger sein kann, sodass die Transportkosten noch wirtschaftlich vertretbar sind. Der entscheidende Faktor wird letztendlich der Preis sein.
H₂News: Wäre es denkbar, dass Sie auf dem Hafengelände eigenen Wasserstoff herstellen?
Debacher: Das rechnet sich nicht. Flächen im Hafen sind rar und wettbewerbsintensiv – wir haben also einfach keinen Platz, um in die Wasserstoffproduktion einzusteigen. Aus diesem Grund untersuchen wir mit dem Clean Port & Logistics Cluster auch, wie sich für H₂-Anwendungen in der Hafenlogistik eine permanente H₂-Versorgung sicherstellen lässt. Der 24/7-Betrieb ist für sehr wichtig, und es wäre fatal, wenn die Anlagen einmal stillstehen müssten, weil gerade kein Wasserstoff vorhanden ist.
H₂News: Wie geht es jetzt weiter mit Ihrem Testfeld?
Debacher: Wir wollen weitere Prototypen anschaffen und zusätzliche Tests durchführen. Dabei schauen wir uns zum Beispiel an, wann das Betanken sinnvoll ist, welche Unterschiede das Wetter auf die Fahrzeugleistung hat und welche Lastprofile für die Fahrzeuge optimal sind. Mit diesen Daten bereiten wir die nächste Phase vor, die die Beschaffung von H₂-Fahrzeugen und Infrastruktur im großen Maßstab vorsieht. Aktuell betreiben wir am Containerterminal eine Wasserstofftankstelle. Unser Ziel ist es aber, ganze Flotten auszurüsten – dafür braucht es schon etwas mehr.
H₂News: Frau Debacher, vielen Dank für das Gespräch!
Zu den Wasserstoff-Aktivitäten der HHLA