H₂News: Sie sind seit Mitte Dezember Präsident der Initiative Pre-ENNOH. Können Sie kurz zusammenfassen, worum es sich dabei handelt?
Christoph von dem Bussche: European Network of Network Operators for Hydrogen, kurz ENNOH, ist ein neu zu gründender europäischer Verband, der auf Basis des EU-Wasserstoff- und Gasmarkt-Pakets die Entwicklung eines gesamteuropäischen Wasserstofftransportnetzes auf verschiedenen Ebenen begleiten und vorantreiben soll. Hierbei soll durch ENNOH die Kooperation zwischen den Wasserstofffernleitungsnetzbetreibern gestärkt und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Entwicklung und das reibungslose Funktionieren des Wasserstoffbinnenmarkts sowie den grenzüberschreitenden Handel geschaffen werden.
Durch die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene wollen wir so den Hochlauf des Wasserstoffmarktes unterstützen. Dies ist ein entscheidender Schritt, um die Energiewende in Europa voranzubringen und die Klimaziele zu erreichen. Dabei sind bereits vor der offiziellen Gründung im Laufe des Jahres einige Schritte notwendig, die die zukünftigen Betreiber von Wasserstofffernleitungsnetzen zeitnah angehen müssen. Aus diesem Grund haben 36 zukünftige europäische Wasserstoff-Fernleitungsnetzbetreiber bereits im Dezember 2024 vor der offiziellen ENNOH-Gründung die Pre-ENNOH Initiative ins Leben gerufen.
H₂News: Wie wird sich die Arbeit von Pre-ENNOH von bestehenden Initiativen wie dem European Hydrogen Backbone unterscheiden oder diese ergänzen?
von dem Bussche: Während das European Hydrogen Backbone eine freiwillige Initiative von Pipeline-Infrastrukturbetreibern darstellt und eine Vision der zukünftigen europäischen Pipeline-Infrastruktur aufgezeigt hat, ist ENNOH ein durch die EU-Gesetzgebung vorgeschriebener Verband, in dem künftige Wasserstofffernleitungsnetzbetreiber verpflichtet sind auf Unionsebene zusammenzuarbeiten. Dabei legt das EU-Wasserstoff- und Gasmarkt-Paket nicht nur den Aufgabenbereich des Verbandes fest, sondern definiert auch wichtige Elemente zu der Funktions- und Arbeitsweise.
Zu den Aufgaben von ENNOH zählen unter anderem die Erstellung des unionsweiten Netzentwicklungsplan für Wasserstoff, die Entwicklung von Netzkodizes sowie die enge Zusammenarbeit mit anderen wichtigen Verbänden wie ENTSOG und ENTSO-E. In dieser Rolle wird ENNOH eine effiziente Nutzung der Infrastruktur ermöglichen und so einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass der grenzüberschreitende Handel reibungslos funktioniert.

Der Fernleitungsnetzbetreiber mit Sitz in Kassel treibt H2-Projekte in ganz Deutschland voran (© GASCADE)
H₂News: Was sind für die Pre-ENNOH die wichtigsten Prioritäten für 2025?
von dem Bussche: Wir bereiten gerade die Gründung und das organisatorische Gerüst für die Verbandsarbeit in Brüssel vor. Darüber hinaus steht für uns eine aktive Teilnahme im Prozess zur Ausarbeitung der europäischen Netzentwicklungspläne im Fokus, wobei wir uns hier vor allem mit der Weiterentwicklung des Wasserstoffnetzentwicklungsplans beschäftigen werden. Zudem planen wir, zeitnah mit der Vorbereitung weiterer wichtiger Themen bezüglich Marktdesign und Netzkodizes zu beginnen.
H₂News: Welche regulatorischen Hürden gibt es aus Ihrer Sicht auf EU-Ebene, und welche sollten als erstes angegangen werden?
von dem Bussche: In diesem Zusammenhang sind für uns die Aspekte wichtig, bei denen Infrastruktur zu einem funktionierenden Marktdesign beitragen wird. Hierbei steht besonders die Entwicklung von technischen Standards und Netzkodizes für Wasserstoffnetze auf EU-Ebene im Vordergrund. Darüber hinaus müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Zugang zur Wasserstoffinfrastruktur und deren Nutzung diskutiert werden.
Ganz oben auf der Agenda steht zudem die Klärung offener Fragen bezüglich der Finanzierung und Kostenallokation, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitende Wasserstoffinfrastruktur. Diese Maßnahmen sollten prioritär angegangen werden, damit wir die Entwicklung des Wasserstoffmarktes in Europa beschleunigen können.
H₂News: Welche Rolle spielt Wasserstoff für GASCADE Deutschland?
von dem Bussche: Gascade ist bestrebt, die Energiewende aktiv mitzugestalten und einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Wasserstoffmarktes zu leisten. Wir sind überzeugt, dass der Markthochlauf gelingt und schaffen die Grundlagen für unser Geschäft in einem zukünftig dekarbonisierten Energiesystem. GASCADE hat zahlreiche Projekte ins Wasserstoffkernnetz eingebracht und wird diese umsetzen. Dabei bringen wir unsere Expertise als verlässlicher und erfahrener Netzbetreiber ein, sei es bei der Umstellung heutiger Erdgastransportleitungen oder bei Neubauprojekten. Mit der Infrastruktur gehen wir in Vorleistung, um die nötige Sicherheit für Investitionsentscheidungen auf den vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsstufen zu schaffen.
H₂News: Welche Ihrer zahlreichen H2-Aktivitäten würden Sie besonders hervorheben?
von dem Bussche: Besonders hervorheben möchte ich zum einen das Programm „Flow – making hydrogen happen“. Schon in diesem Jahr werden wir erste Pipeline-Abschnitte von der Ostseeküste bis nach Bobbau in Sachsen-Anhalt schnell und kostengünstig für großvolumige Transporte umstellen. Damit zeigen wir, dass den Worten auch Taten folgen und die Umsetzung der Kernnetzprojekte tatsächlich erfolgt. Die Erweiterung sowohl in den Ostseeraum als auch nach West- und Süddeutschland folgt in den kommenden Jahren.
Ein weiteres wichtiges Projekt, das ich ansprechen möchte, ist die Offshore-Pipeline AquaDuctus, die eine Transportkapazität von bis zu 20 GW haben wird. Diese Pipeline in der deutschen Nordsee wird die Potenziale der Wasserstofferzeugung auf hoher See nutzen und die deutsche Infrastruktur mit der der übrigen Nordsee-Nachbarstaaten vernetzen.

Im ersten Abschnitt soll AquaDuctus auf einer Länge von ca. 200 Kilometern den Wasserstoff-Windpark SEN-1 mit Wilhelmshaven verbinden (© GASCADE)
H₂News: Wie lautet Ihre Prognose für den Wasserstoffhochlauf in Deutschland – sind die in der NWS angestrebten 10 GW Produktionskapazität bis 2030 noch realistisch?
von dem Bussche: Der Wasserstoffmarkthochlauf wird gelingen, weil er für die Dekarbonisierung der deutschen Industrie dringend erforderlich ist. Wie genau die Entwicklung verläuft und wann welche Produktions- oder Importmengen zur Verfügung stehen, wird sich zeigen. Als Netzbetreiber ist es unsere Aufgabe, die nötige Infrastruktur für Transporte bereitzustellen.
Das tun wir mit der Umsetzung unserer Projekte und schaffen damit die Grundlage für Investitionsentscheidungen der Marktakteure. Gascade verfolgt das Ziel, Importkorridore im Nord- und Ostseeraum für Deutschland und Europa zu öffnen und sowohl die Offshore- als auch die Onshore-Produktion aufzunehmen.
H₂News: Wie haben Sie die Planungen zum Kernnetz – also z.B. die Zusammenarbeit mit anderen FNB und den Behörden – erlebt?
von dem Bussche: Wenn das gemeinsame Ziel als alternativlos anerkannt ist, klappt die Zusammenarbeit immer gut. Alle Parteien, sowohl die Netzbetreiber als auch die Behörden, haben gemeinsam daran gearbeitet, das Wasserstoffkernnetz zum Laufen zu bringen. Die Kooperation unter den Netzbetreibern ist aus dem Erdgasbereich gelebte Praxis und funktioniert im Bereich Wasserstoff genauso. Das Ergebnis ist ein gutes Kernnetz, das von der Bundesnetzagentur genehmigt wurde.