H₂News: Herr Gaßmann, in welchem Bereich der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ist die Griesemann Gruppe zu verorten?
Andreas Gaßmann: Unser Schwerpunkt liegt auf der Planung von Wasserstoffleitungen und -anlagen, von der Vorstudie über die Realisierung bis zur Inbetriebnahme. Dabei greifen wir auf fünfzig Jahre Erfahrung im Raffinerie-Bereich zurück, denn in jeder Raffinerie kommt Wasserstoff zum Einsatz. Es handelt sich ja keineswegs um eine neue Technologie – heute setzen wir nur auf grünen statt auf fossilen Wasserstoff.
H₂News: Sie sind also kein Anlagenhersteller, sondern setzen die Gesamtanlage zusammen.
Gaßmann: Genau. Am Ende des Tages ist jeder Elektrolyseur eine komplexe Chemie-Anlage und unterscheidet sich damit nicht stark von den vielen Tausend anderen Anlagentypen. Bei der Integration der einzelnen Komponenten geht es immer um solides Ingenieurswissen und technisches Know-how, und das besitzen wir.
H₂News: Wie finden Sie denn den geeigneten Elektrolyseur für ein spezifisches Projekt?
Gaßmann: Das läuft in der Regel über Ausschreibungen. Zunächst planen wir mit unseren Kunden das Design einer Anlage – wie groß soll sie werden, was soll sie herstellen, wie viel Umsatz benötigt sie für einen Business Case? Im Anschluss holen wir uns Angebote mehrerer Elektrolyseurhersteller ein und prüfen, welches sich am besten eignet. Hat ein Hersteller den Zuschlag erhalten, betreuen wir den ganzen Prozess der Konstruktion bis zur Inbetriebnahme.
H₂News: Sehen Sie aktuell Trends bei den Elektrolyseverfahren?
Gaßmann: Eines vorab: Die Elektrolyse-Welt ist noch jung. Kein Elektrolyseurhersteller besitzt jahrzehntelange Betriebserfahrung, wie es in anderen Branchen der Fall ist. Stattdessen befindet sich der Markt in einer konstanten Entwicklung. Lange schien PEM bei den Neuinstallationen vorne zu liegen, aber in den letzten Monaten hat die alkalische Elektrolyse stark aufgeholt. Das Rennen ist also noch nicht entschieden. Letztlich sind immer die Kosten entscheidend – sowohl die Betriebskosten als auch der Preis für die Anlage selbst.
H₂News: Wie sieht es mit den Anlagenkapazitäten aus?
Gaßmann: Es gibt da aktuell zwei Welten: Die einen Kunden wollen kleinere Anlagen zwischen 5 und 20 Megawatt (MW), die relativ unkompliziert in standardisierten Containern geliefert werden können. Andere Kunden planen Anlagen mit 100, 200 oder sogar 500 MW Leistung, die immer in speziellen Gebäuden untergebracht werden müssen. Das sind zwei völlig verschiedene Planungsansätze.
H₂News: Wer sind Ihre typischen Kunden für Elektrolyse-Projekte?
Gaßmann: Auch hier würde ich wieder zwei Segmente unterscheiden. Im Bereich der kleineren Anlagen hatten wir zuletzt viele Anfragen von Windparkbetreibern. Für sie kann es schnell lukrativ werden, überschüssigen Windstrom in Wasserstoff umzuwandeln, statt ihn abzuregeln. Auch von Stadtwerken sehen wir ein zunehmendes Interesse an Einheiten im Bereich von 10 bis 20 Megawatt. Dies sind Kunden, die neu in diesem Bereich sind und bisher nur wenig, bis keine Berührungspunkte mit Prozessanlagen haben. Daneben gibt es dann die sehr großen Energieunternehmen wie RWE oder Shell, die meistens in anderen Kapazitäten denken.
H₂News: Am Chemiestandort Leuna haben Sie kürzlich mit dem Bau der größten Forschungsanlage für PtL-Kraftstoffe für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) begonnen. Hier würden Sie gerne einen Schritt weitergehen und neben Planung und Bau der Anlage auch den Betrieb übernehmen. Was motiviert Sie dazu?
Gert Saerens: Das DLR hat den Betrieb der Anlage optional zur Planung und Errichtung ausgeschrieben. Der Fokus des DLR liegt bei der Technologieplattform Power-to-Liquid-Kraftstoffe (TPP) auf der Forschung und Technologieentwicklung, weshalb der Betrieb der Anlage durch ein externes Unternehmen erfolgen soll. Als Griesemann Gruppe sehen wir uns dank unserer technischen Kompetenz und Erfahrung bestens aufgestellt, um die Anlage nicht nur zu errichten, sondern auch im Rahmen des TPP-Projekts ganzheitlich zu betreuen.
H₂News: Sie sprechen von einer Forschungs- statt von einer Produktionsanlage. Was genau hat das DLR da vor, wenn wir es einmal zusammenfassen?
Saerens: Das vorrangige Interesse des DLR ist die Demonstration und Weiterentwicklung von PtL-Technologien in einem semi-industriellen Maßstab. Zum einen soll gezeigt werden, dass die Prozesskette – umgekehrte Wasser-Gas-Shift-Reaktion, Fischer-Tropsch-Synthese und Produktaufarbeitung – funktioniert. Das sind zwar bekannte Technologien, aber sie müssen auch im Verbund mit den teilweise neuen Rohstoffen funktionieren. Dabei soll sowohl ein hochwertiges Produkt entstehen als auch die angestrebte Kapazität erreicht werden. Zum anderem geht es um Forschungsthemen wie beispielsweise dem Fuel-Design. Die Frage dabei ist, welche Parameter geändert werden müssen, um bestimmte Aspekte der Treibstoffe zu verbessern, etwa ihre Emissionen zu verringern. Das DLR hat hier eine große Kompetenz, da es über eigene Labore verfügt und mit Treibstoffherstellern, Flugzeugbauern und Fluggesellschaften kooperiert, um unterschiedliche Treibstoff-Konfigurationen zu testen.
H₂News: Wird der notwendige Wasserstoff On-Site produziert?
Saerens: Der Wasserstoff wird voraussichtlich in Leuna produziert. Über die Art und Weise sind noch mehrere Optionen in der Diskussion. Da das DLR nachhaltiges, synthetisches Kerosin produzieren wird, kommt nur grüner Wasserstoff infrage. Dieser könnte von einem vor Ort ansässigen Gashersteller, der über einen Elektrolyseur verfügt, geliefert werden.
H₂News: Und woher stammt das CO₂?
Saerens: Das CO₂ muss ebenfalls als nachhaltig zertifiziert sein, d. h. zum Beispiel aus biogenen Quellen oder Direct Air Capture stammen. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze: Einer hängt mit einer weiteren Investition am Standort in Leuna zusammen. Im Zuge dieser Investition wird der Standortbetreiber InfraLeuna eine Anlage zur Abwasser-Behandlung betreiben. Reststoffe aus dieser Abwasserbehandlung werden in einer Biogasanlage verarbeitet. Dies kann perspektivisch eine CO₂-Quelle sein. Das CO₂ wäre dann eindeutig biogen und müsste nur noch etwas aufgereinigt werden, bevor es im weiteren Prozess eingesetzt werden kann.
H₂News: Wollen Sie auch Direct Air Capture (DAC) nutzen?
Saerens: Möglich wäre es als CO2-Quelle, allerdings ist dies vorerst nicht geplant. Aktuell gibt es noch keine verfügbare DAC-Anlage, um die benötigte Menge an CO2 bereitzustellen. Im ursprünglichen Konzept hatte das DLR für den Forschungsstrang eine biogene CO2-Versorgung vorgesehen. Eine Integration eines DAC-Modules in einer späteren Ausbaustufe wäre aber möglich, da am Standort genügend Platz vorhanden ist.
H₂News: Gibt es schon Abnehmer für die PtL-Kraftstoffe?
Saerens: Man kann in diesem Fall nicht von Abnehmern im klassischen Sinne reden, da die Anlage nicht kommerziell genutzt werden soll. Es ist eine Demonstrations- und Forschungsanlage, und das DLR muss die dort erzeugten Produkte entweder in eigenen F&E-Projekten, z. B. in deren Laboren und Flugzeugen nutzen oder mit Dritten in F&E-Projekten zur PtL-Anwendung und -Optimierung teilen. Dafür gibt es schon Gespräche mit mehreren Interessenten, etwa Motoren- und Triebwerksherstellern sowie Fluggesellschaften, die PtL-Treibstoffe in ihren Produkten testen wollen.
H₂News: Kommen wir abschließend nochmal auf den Wasserstoff zu sprechen: Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Gaßmann: Wir sehen relativ viel Bewegung, aber der Markt leidet nach wie vor am Henne-Ei-Problem. Es gibt keine sicheren Wasserstoff-Abnehmer, weshalb sich keine Preise etablieren können. Beides macht es potenziellen Produzenten sehr schwer, einen soliden Businessplan aufzustellen und in die Produktion zu investieren. Man sieht: Der Wasserstoffmarkt braucht mehr als grüne Versprechen. Wir hoffen, dass durch zuverlässige Wasserstoffnutzung – zum Beispiel in der PtL-Produktion – mehr und mehr Stabilität entsteht.
H₂News: Könnte das geplante Wasserstoff-Kernnetz hier aus Ihrer Sicht unterstützend wirken?
Gaßmann: Definitiv – das Kernnetz ist von essenzieller Bedeutung. Gastransport macht nur über Pipelines Sinn, weshalb das Kernnetz die Voraussetzung für den Wasserstoff-Hochlauf ist. Ein Beispiel: Kürzlich erhielten wir eine Anfrage von einem Kunststoffbetrieb, der seine Brenner gerne mit Wasserstoff betreiben würde. Natürlich könnte er seine Anlagen umstellen, aber Stand heute müsste er zusätzlich eine eigene Elektrolyse auf dem Werksgelände betreiben, um annähernd genug Wasserstoff für die Produktion zu haben. Das Kernnetz ist also extrem wichtig, um Verbrauch und Erzeugung zusammenzubringen, ganz gleich, ob der Wasserstoff nun aus dem In- oder Ausland kommt.
H₂News: Herr Gaßmann, Herr Saerens, vielen Dank für das Gespräch!
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