H₂News: Frau Dr. Bock, wie ist Ihre Kanzlei auf das Thema Wasserstoff aufmerksam geworden?
Dr. Eva Bock: Über unsere Mandanten! Als Patentanwälte arbeiten wir eng mit Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen und Universitäten zusammen. Mit Wasserstoff kamen wir über Mandanten aus Industrie und Forschung in Berührung, die sich im Zuge der Energiewende und des Klimawandels mit dem Thema beschäftigen. Wir hatten früher schon immer. vereinzelte Patentanmeldungen auf diesem Gebiet, aber in den letzten 10 bis 12 Jahren ist ihre Zahl deutlich gestiegen.
H₂News: Inwiefern unterscheidet sich die Patentierung von Wasserstofftechnologien von anderen technischen Bereichen?
Dr. Bock: Die Patentierung stellt im H2-Sektor definitiv eine besondere Herausforderung dar. Es handelt sich um ein sehr breites Technologiefeld und die Komplexität liegt darin, die verschiedenen Aspekte zusammenzuführen. In der Praxis arbeiten Patentanwälte in interdisziplinären Teams, um die technischen Nuancen präzise zu erfassen. Anders als Forscher, die sich täglich mit der Materie befassen, müssen Patentanwälte sich aktiv darum bemühen, auf dem Laufenden zu bleiben. Gerade bei Wasserstofftechnologien ist es entscheidend, auch kleine Details und präzise Formulierungen zu erfassen, da diese über die Qualität einer Patentanmeldung entscheiden können.
H₂News: Wie läuft eine Patentanmeldung ab?
Dr. Bock: Üblicherweise erhalten wir zunächst eine sogenannte Erfindungsmeldung, in der die Erfindung kurz skizziert ist. Nach einem ausführlichen Gespräch mit den Erfindern arbeiten wir dann eine Patentanmeldung aus und stimmen diese mit den Erfindern ab. Nach der Einreichung der Anmeldung beim Patentamt wird die Patentfähigkeit der Erfindung geprüft. Das Amt erstellt dann einen Prüfungsbescheid, in dem eventuelle Beanstandungen geäußert werden. Wir beantworten diese in enger Abstimmung mit den Erfindern. Üblicherweise erhalten wir 2 bis 3 dieser Prüfungsbescheide, bevor das Patent dann erteilt wird.
H₂News: Gibt es Voraussetzungen für eine Patentanmeldung?
Dr. Bock: Zunächst muss die Anmeldung formal korrekt eingereicht werden. Um dann ein Patent zu erhalten, muss die Erfindung vor allem neu und erfinderisch sein. Mit anderen Worten: es kann kein Patent mehr erteilt werden, wenn über die Erfindung bereits öffentlich gesprochen oder sie anderweitig veröffentlicht worden ist, beispielsweise in einem wissenschaftlichen Artikel. Auch auf selbstverständliche Weiterentwicklungen wird kein Patent mehr erteilt.
H₂News: Was bedeutet es eigentlich konkret, ein Patent zu besitzen?
Dr. Bock: Das Patent bedeutet im Endeffekt ein Monopolrecht, das dem Inhaber des Patents die alleinige Verfügungsgewalt über die patentierte Erfindung zuschreibt. Im Grunde steht das dem Wettbewerbsrecht entgegen, das Monopolstellungen vermeiden soll. Bei Patenten macht man hier eine Ausnahme. Hier bekommt der Inhaber des Patents im Austausch dafür, dass die Erfindung veröffentlicht wird, ein zeitlich begrenztes Monopolrecht. Daher werden Patentanmeldungen generell nach anderthalb Jahren veröffentlicht.
H₂News: Was hat es mit dieser Frist auf sich?
Dr. Bock: In den ersten anderthalb Jahren nach Einreichung beim Amt bleibt die Anmeldung zunächst geheim. Der Anmelder kann die Patentanmeldung innerhalb dieser Zeit noch zurückzuziehen, sodass die Erfindung vollständig vertraulich bleibt. Erst
nach Ablauf der Frist wird die Patentanmeldung veröffentlicht. Die ursprüngliche Idee des Patentrechts ist es, Technologie und Innovation zu fördern. Einerseits winkt das Monopolrecht als Anreiz für Erfinder, ihre Innovationen zu veröffentlichen. Andererseits ermöglicht die Offenlegung anderen Unternehmen der Branche, alternative Lösungen zu entwickeln. Die Konkurrenz kann sehen, wer in welchen Bereichen aktiv ist, und dann entscheiden, ob und wo weitere Forschung vielversprechend sein könnte. Unternehmen müssen dabei das bestehende Patent respektieren, können aber durch die Veröffentlichung Impulse für eigene Lösungen in verwandten Technologiefeldern erhalten.
H₂News: Was kann man aus den Patentanmeldungen ablesen?
Dr. Bock: Wenn Patentanmeldungen veröffentlicht werden, wird nicht nur der Inhalt veröffentlicht, sondern auch, wer die Anmeldung gemacht hat – also ob eine Universität oder eine Firma dahintersteht. Auch die Namen der Erfinder werden genannt. Man kann zudem sehen, aus welchem Land der Anmelder stammt. Daran lässt sich zum Beispiel ablesen, in welchen Ländern bestimmte Themen besonders relevant sind und an welchen technischen Lösungen der Wettbewerb arbeitet.
H₂News: Welche Länder bestimmen denn gerade die Patentanmeldungen im Wasserstoff-Bereich?
Dr. Bock: Deutschland liegt hier sehr weit vorne, genau wie die EU insgesamt. Auch Korea etabliert sich aktuell als wichtiger Player. Diese Verteilung spiegelt ein Stück weit die Politik in den jeweiligen Ländern wider, denn Forschung und Entwicklung kosten immer Geld. Dort, wo Subventionen fließen und die Regierung Start-ups, Universitäten und Firmen finanziell unterstützt, werden auch mehr Patentanmeldungen zu bestimmten Themengebieten eingereicht.
H₂News: In vielen Zukunftsbranchen gilt China als wichtigster Konkurrent für den europäischen Markt, etwa bei der E-Mobilität oder der Solartechnologie. Beobachten Sie beim Wasserstoff eine ähnliche Entwicklung?
Dr. Bock: Aktuell ist China noch nicht im Fokus der Patentanmeldungen im Wasserstoffbereich. Man muss aber sagen: Wenn die chinesische Regierung beschließt, sehr viel Geld in diesen Bereich zu investieren, kann sich das sehr schnell ändern. Das ist eben das Besondere am zentralistischen System Chinas.
H₂News: Aus welchem Segment der Wasserstoff-Wertschöpfungskette kommen aktuell die meisten Innovationen?
Dr. Bock: Aussagen zu Trends sind im Wasserstoff-Bereich schwierig, da die Patentanmeldungen ja erst nach 1,5 Jahren veröffentlicht werden – sie hinken also immer etwas hinterher. Die interessantesten Anwendungen kommen aus meiner Sicht aber derzeit aus der energieintensiven Industrie. In Deutschland konzentriert man sich etwa auf grüne Stahlproduktion. Wir sehen hier Patentanmeldungen mit über 15 Prozent Wachstum in den letzten zehn Jahren – und das nicht nur von Startups, sondern vor allem auch von etablierten Industrieunternehmen. Auch in der Produktion gibt es spannende Entwicklungen: Die Patentanmeldungen für die Protonenaustauschmembran (PEM)- und Festoxid-Elektrolyse sind deutlich gestiegen.

Entwicklung der Patentanmeldungen verschiedener Elektrolysetechnologien (© Europäisches Patentamt/Internationale Energie Agentur)
H₂News: Gibt es technologische Entwicklungen, auf die Sie sich besonders freuen?
Dr. Bock: Ich freue mich vor allem auf das, was wir noch nicht sehen können. Ich glaube fest an die vielen klugen Köpfe und die Innovationskraft der Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland. Manchmal denke ich, dass sie sich im internationalen Vergleich unter Wert verkaufen. Ich bin einfach gespannt, was sie in diesem kompetitiven Umfeld entwickeln und womit sie uns hoffentlich alle überraschen werden.
H₂News: Frau Dr. Bock, vielen Dank für das Interview!
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