Generic filters
Exact matches only
FS Logoi

„Die Verkehrswende kann auch Spaß machen“

Das Münchner Unternehmen ARTHUR BUS schlägt seit rund drei Jahren hohe Wellen auf dem Wasserstoffmarkt. ARTHUR produziert Wasserstoffbusse – aber keine gewöhnlichen, wie Mitgründer und CEO Philipp Glonner im Interview erläutert.

von | 31.10.24

CEO & Co-Founder von ARTHUR BUS GmbH
© ARTHU BUS
ARTHUR BUS

H₂News: Herr Glonner, Wasserstoffbusse sind noch eine Nische, doch gibt es schon den ein oder anderen Hersteller. Was ist der USP von ARTHUR BUS?

Philipp Glonner: Der USP unseres Flaggschiff-Busses „ARTHUR ZERO“ ist der Energieverbrauch. Unser Bus ist effizienter als vergleichbare Fahrzeuge, garantiert also eine größere Reichweite und eine höhere Verfügbarkeit. Das verschafft unseren Kunden eine bessere total cost of ownership: Die Anschaffung des Fahrzeugs rechnet sich einfach schneller.

H₂News: Und woraus resultiert diese hohe Effizienz?

Glonner: Als echter OEM bauen wir unsere Busse komplett selbst. Wir machen alles, vom Stahlkostüm bis hin zu Details wie Fußböden, Fenstern, Verklebungen und Lackierungen. Hinzu kommt die Installation von den Komponenten unserer Zulieferer. Dadurch haben wir volle Kontrolle über unsere Fahrzeuge und können unser einzigartiges Energiekonzept konsequent umsetzen.

H₂News: Was macht dieses Energiekonzept aus?

Glonner: Der Schlüssel liegt in dem Zusammenspiel aller Komponenten. Wir nutzen für den Betrieb unserer Busse sowohl elektrische als auch thermische Energie, und zwar nicht nur für den Antrieb, sondern für das gesamte Fahrzeug inklusive Klimatisierung und so weiter. Damit verfolgt der Bus ein integriertes Gesamtkonzept, das wir durch den Einsatz von Software unterstützen – wir bezeichnen unsere Busse als Software Defined Vehicle. Ein weiterer USP sind die Fahrcharakteristiken.

H₂News: Was meinen Sie damit?

Glonner: Das Fahrverhalten des Busses. Reichweite und Energieeffizienz sind das eine, aber für uns zählt auch der Fahrspaß. Die Fahrer:innen entscheiden ja schließlich mit, welches Fahrzeug gekauft wird! Diese beiden Faktoren – Effizienz und Fahrverhalten – machen uns zum Benchmark im Segment der Wasserstoffbusse mit 12 Metern Länge.

H₂News: Welche Rückmeldung erhalten Sie von Fahrern, die erste Erfahrungen mit einem H2-Bus gesammelt haben?

Glonner: Für sie gibt es zwei Aspekte: Erstens den praktischen: Schafft der Bus es den Berg hoch, oder nicht? Dabei stellen sie fest, dass H2 Busse mit Diesel- oder E-Bussen mehr als mithalten können. Der zweite Aspekt ist das Fahrgefühl: Je mehr sich das Fahrzeug wie ein klassischer Bus anfühlt, desto besser das Feedback. Wir erhalten auch sehr gute Resonanz auf unser Antriebssystem. Ähnlich wie Tesla bieten wir eine Booster-Funktion für eine höhere Beschleunigung an. Da merken die Menschen: „Wow, die Verkehrswende kann auch Spaß machen.“

© ARTHUR BUS

Der ARTHUR ZERO – Der Brennstoffzellenbus von ARTHUR BUS

H₂News: Müssen sich die Fahrer denn umstellen, wenn sie bisher Diesel-Fahrzeuge gewohnt waren?

Glonner: Manche wundern sich natürlich darüber, dass das typische Ruckeln eines Diesel-Busses fehlt. Hierfür gibt es schon Systeme, die die Anfahrtsgeräusche imitieren. Es ist auch wichtig, den Anwendern klar zu machen, dass die Busse sich teilweise anders verhalten. Das Fahrzeug bietet eine innovative Technologie, die je nach Witterungslage optimal angepasst wird. Bei Bedarf sorgt eine kurze Vorwärmzeit der Brennstoffzelle dafür, dass das System effizient und zuverlässig arbeitet.

H₂News: Gibt es auch grundsätzliche Vorbehalte gegenüber Wasserstoff als Treibstoff?

Glonner: Hin und wieder schon. Vor allem Sicherheitsbedenken werden zuweilen geäußert. Diese lassen sich anhand der hohen Standards der Typ-IV-Tanks, in denen der Wasserstoff gespeichert ist, aber leicht zerstreuen. Wasserstoffbusse sind nicht gefährlicher als andere elektrifizierte Busse.

H₂News: Wieso haben Sie sich eigentlich den Wasserstoffbussen verschrieben?

Glonner: 2021 haben wir ARTHUR BUS gegründet, um die Dekarbonisierung des Verkehrssektors voranzutreiben. Und darin besitzt der ÖPNV aus unserer Sicht den schnellsten und größten Hebel. Gerade Stadtbusse bieten den Vorteil, dass man nicht erst auf ein großes Wasserstoffnetz oder eine andere Infrastruktur warten muss, um sie betreiben zu können. Damit sind H2-Busse ein Türöffner für den gesamten Wasserstoffmarkt.

H₂News: Wie sind Sie damals vorgegangen?

Glonner: Im April 2021 habe ich zehn Bus-Experten aus unterschiedlichen Firmen eingestellt. Mit diesem Team haben wir den ersten Prototypen entwickelt. 2022 wurde unsere Typzulassung erbracht und die Erfüllung mehrerer ISO-Normen für die Produktion bestätigt. Das war relativ aufwendig, da es um Themen wie Brandschutz, Überschlagssicherheit und Crashtests ging. Nachdem all dies erfolgreich bestanden war, konnten wir ebenfalls 2022 unsere Weltpremiere feiern.

H₂News: Wo stehen Sie aktuell?

Glonner: Heute haben wir rund 60 Mitarbeiter und betreiben kontinuierliche Produktentwicklung. Erst im April dieses Jahres haben wir eine neue Produktserie aufgesetzt, in deren Konzeption viel Kundenfeedback eingeflossen ist.

H₂News: Welche Bus-Typen haben Sie im Sortiment?

Glonner: Unser Fokus liegt auf Solo-Stadtbussen mit 12 Metern Länge. Großes Interesse sehen wir auch an 18-Meter-Gelenkbussen: Es gibt überall einen Mangel an Busfahrern, und je weniger Fahrer da sind, desto größer müssen die Fahrzeuge sein.

H₂News: Wie viele Busse haben Sie schon produziert?

Glonner: Etwa zehn Fahrzeuge. Sie sind bislang in unserer internen Demo-Flotte im Einsatz oder an Kunden ausgeliefert worden. Mittelfristig wollen wir in unserem Werk zwischen zwanzig und dreißig Einheiten pro Monat herstellen. Das reicht für den Anfang vollkommen aus, da wir uns auf hohe Qualität und Transparenz fokussieren.

H₂News: Wer sind Ihre Kunden?

Glonner: Ich unterscheide da zwei Segmente: Das eine sind die kommunalen Verkehrsunternehmen oder deren Partner, die für den Busbetrieb zuständig sind. Das andere sind private Busunternehmer, die in der Regel einen Fuhrpark von 10 bis 100, teilweise auch bis zu +200 Fahrzeugen haben. Was die Kunden eint, ist ihr Wunsch, ihren Betrieb zu dekarbonisieren – ob aus ökonomischen oder ökologischen Gründen.

© ARTHUS BUS

Wasserstofftankstelle in Erlangen

H₂News: Was ist dabei das größte Argument für den Kauf von Wasserstoff- statt E-Bussen?

Glonner: Für den Kunden geht es erstmal nicht um Wasserstoff oder Strom, sondern darum, seine Kunden zuverlässig von A nach B zu bringen. Das kann bei E-Bussen schwierig werden, etwa weil Linien aufgrund zu geringer Reichweiten oder mangelnder Ladestationen nicht befahren werden können. Auch in hügeligen Gebieten tun sich E-Busse schwer. Darum sage ich: Welche Antriebsart sinnvoller ist, hängt von dem Einsatzgebiet ab – der Topographie, der Infrastruktur und der Auslastung. Beide Varianten können ihre Berechtigung haben.

H₂News: Könnte man also auch über gemischte Flotten nachdenken – E- und H2-Busse in einem Fuhrpark?

Glonner: Absolut! So lässt sich für jede Linie das am besten geeignete Fahrzeug wählen. Viele unserer Kunden gehen schon in diese Richtung.

H₂News: Und wie sieht Ihre typische Vorgehensweise aus, wenn ein Kunde sich für ARTHUR BUS entschieden hat?

Glonner: Das hängt davon ab, wie viel Erfahrung die Kunden im Vorfeld mit Wasserstoff gesammelt haben. Ist der Energieträger völliges Neuland, schauen wir, ob in der Nähe eine H2-Tankstelle für den Testbetrieb steht. Wir werden dann beratend tätig und geben dem Kunden einen Bus für eine kostenlose Probephase. Stößt das auf Interesse, kümmern wir uns um die Entwicklung einer Betankungsinfrastruktur und einer H2-Versorgung. Manchmal sind einige Puzzleteile schon lokal vorhanden, sodass wir nur noch die fehlenden ergänzen müssen. Einige Kunden nutzen sogar bereits Wasserstoffbusse und möchten einfach noch effizientere Fahrzeuge.

H₂News: Das dürfte die Ausnahme sein: Noch ist das Wasserstofftankstellennetz in Deutschland ja relativ lückenhaft.

Glonner: Ja, und dabei ist es schon deutlich größer als in anderen Ländern. Wir können mit unserer Demo-Flotte eine komplette Roadshow durch Deutschland fahren, ohne einmal bei externen Anbietern Wasserstoff kaufen zu müssen! Es dürfte aber noch mehr Hydrogen Valleys geben, also regionale Wasserstoff-Cluster, in denen produziert, gespeichert und vertankt wird. Hierfür werden europaweit Projekte ins Leben gerufen und gefördert. Denn die Technik ist vorhanden und bewährt, wir müssen nur noch besser und kostengünstiger werden.

H₂News: Was muss dafür passieren?

Glonner: Ein ganz wichtiges Element ist das Wasserstoff-Kernnetz. An seinen Knotenpunkten können wunderbar H2-Tankstellen entstehen, die direkt über eine 40 bar-Leitung versorgt werden – im Idealfall grün, ansonsten vielleicht blau oder grau. Sehr wichtig ist auch, dass der Kilopreis für Wasserstoff sinkt. Wenn er dann a) verfügbar und b) kostengünstig ist, kommt c) die Effizienz unserer Fahrzeuge ins Spiel. So rechnet sich für den Kunden das Gesamtkonstrukt – und wir können die Produktion hochskalieren, was die Fahrzeuge noch günstiger macht.

H₂News: Welchen Wasserstoffpreis pro Kilo peilen Sie da an?

Glonner: Zwischen vier und sechs € würden schon genügen. Damit wären wir immer noch wettbewerbsfähig zum Diesel. Daran sieht man übrigens, warum die Mobilität früher H2 nutzen kann als zum Beispiel die energieintensive Industrie: Dort heißt es oft, dass Wasserstoff erst ab etwa 2 € pro Kilo eine wirtschaftliche Alternative bei der Stahlproduktion sein könne.

H₂News: Also kann die H2-Mobilität einen Impuls für die ganze H2-Wirtschaft geben.

Glonner: Genau. Es geht darum, in die Skalierung zu kommen: Indem die Mobilität einen Wasserstoffbedarf schafft, kurbelt sie die Entstehung neuer Produktionsstätten und Infrastrukturen an, die den H2-Preis senken, was letztlich auch der Industrie hilft. Und die emissionsarme Mobilität wird ins Rollen kommen. Wer weiß, vielleicht werden sich die Menschen in 50 Jahren darüber wundern, dass man früher toxische Flüssigkeiten in Motoren verbrannt hat, um damit unter hohem Schadstoffausstoß Auto zu fahren. Wir müssen eine positive Vision der Zukunft entwerfen, statt von morgens bis abends meckern. Im Maschinenbau und Automotive-Bereich haben wir riesige Kompetenzen, ja, die besten Lösungen weltweit. Jetzt müssen wir uns selbst einfach die Chance geben, diese Lösungen auch auszurollen.

H₂News: Herr Glonner, vielen Dank für das Gespräch!

 

Zur Homepage von ARTHUR BUS

 

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

Jetzt Newsletter abonnieren

Brennstoff für Ihr Wissen, jede Woche in Ihrem Postfach.

Hier anmelden

H2-Projekte in Ihrer Region

Mehr als 300 Wasserstoff-Projekte in Deutschland und Europa

Hier geht's zur interaktiven Karte

„Wir sehen ein echtes Momentum in der Wasserstoffwirtschaft“
„Wir sehen ein echtes Momentum in der Wasserstoffwirtschaft“

Für H2APEX-Geschäftsführer Peter Rößner hat die Wasserstoffwirtschaft das „Tal der Tränen“ durchschritten. Während politisch neue Weichen gestellt werden, baut er sein Unternehmen systematisch aus: Mit der strategischen Übernahme der HH2E Werk Lubmin GmbH sicherte sich H2APEX kürzlich die letzten Top-Standorte in Lubmin, zudem versorgen die Rostocker bereits Europas größte Wasserstoffbusflotte und entwickeln neuartige H2-Speicher auf Basis von Backpulver. Im H2Talk erklärt der CEO, wie sich Wasserstoffprojekte heute bewerkstelligen lassen – und warum die Branche aus seiner Sicht endlich wieder Fahrt aufnimmt.

mehr lesen
Stellantis stoppt Produktion von Brennstoffzellen-Fahrzeugen
Stellantis stoppt Produktion von Brennstoffzellen-Fahrzeugen

Der Automobilkonzern Stellantis hat sein Entwicklungsprogramm für Brennstoffzellentechnologie eingestellt. Damit endet die geplante Serienproduktion der wasserstoffbetriebenen Pro One Transporter. Der Automobilkonzern begründet die Entscheidung mit der mangelnden Wirtschaftlichkeit des Wasserstoffmarkts für leichte Nutzfahrzeuge.

mehr lesen
Energiekonzern sucht Abnehmer für Wasserstoff aus Lingen
Energiekonzern sucht Abnehmer für Wasserstoff aus Lingen

Der Energiekonzern BP hat ein Interessenbekundungsverfahren für mögliche Käufer von grünem Wasserstoff gestartet. Das Unternehmen sucht Abnehmer für den erneuerbaren Wasserstoff aus dem Lingen Green Hydrogen Projekt (LGH2). Ab 2027 soll der 100-MW-Elektrolyseur voraussichtlich 10 bis 12 Kilotonnen Wasserstoff pro Jahr produzieren.

mehr lesen

H2 Talk

Cadmus
Chatzimarkakis

Publikationen

Das Projekt H2home

Das Projekt H2home

Autor: Matthias Block, Steffen Giesel, Andreas Herrmann und Norman Klüber

Das Ziel von H2home war die Entwicklung eines integrativen Systems mit 5 kW elektrischer Leistung zur hocheffizienten Nutzung von elektrischer Energie, Wärme- und Kälteenergie, bereitgestellt auf Basis von 100 % grünem Wasserstoff. Dieses System ist ...

Zum Produkt