H₂News: Herr Kurras, wie ist Maximator Hydrogen entstanden?
Matthias Kurras: 2019 wurden Maximator Hydrogen als Business Unit innerhalb der Maximator GmbH gegründet – das war die Keimzelle unseres Unternehmens. In der Business Unit haben wir das Geschäft mit Wasserstofftankstellen hochgefahren, da unser Mitgründer René Himmelstein mehrere Experten von einem Wettbewerber abwerben konnte. In dem Team waren die größten Koryphäen der damaligen H2-Betankungstechnik versammelt: Sie hatten alleine rund 75 Prozent aller H2-Stationen konzipiert! Mit diesen Ingenieuren haben wir den ersten Prototypen unseres Verdichters entwickelt. An dem Interesse unserer Kunden haben wir dann gemerkt: Das Thema wird groß.
H₂News: Da waren Sie aber noch Teil der Maximator GmbH.
Kurras: Richtig. Wie es sich für eine Erfolgsstory gehört, hatten unsere Anfänge Garagencharakter: Die ersten Verdichter haben wir in einer ganz kleinen Halle zusammengebaut. Ich wurde 2020 Geschäftsführer des Teams. Operativ wurde das Ganze, als wir unter dem Namen Maximator Hydrogen ausgegründet wurden und unseren neuen Standort in Nordhausen bezogen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon rund 90 Mitarbeiter. Es war von Beginn an ein gut laufendes Business mit mehreren realisierten Projekten und vollen Auftragsbüchern.
H₂News: Und wo stehen Sie heute?
Kurras: Inzwischen haben wir in Nordhausen 246 Kolleginnen und Kollegen. Natürlich war das schnelle Wachstum der letzten Jahre mit Herausforderungen verbunden, aber wir konnten zahlreiche Prozesse optimieren. Die Zahl der ausgelieferten Tankstellen haben wir jedes Jahr in etwa verdoppelt – und damit auch unseren Umsatz. In diesem Jahr liegen wir bei geplanten 80 Millionen Euro.
H₂News: Fokussieren Sie sich auf den Betrieb von Tankstellen, oder die Herstellung der Betankungstechnologie?
Kurras: Die Technologie ist unser Hauptgeschäft. Daran ist aber ein nicht minder wichtiges Service-Geschäft angeschlossen, denn nur mit einem guten Service können wir eine hohe Verfügbarkeit garantieren. Wir betreiben selbst keine Tankstellen, sondern bieten unseren Kunden eine weitestgehend autonome Technologie an, die wir aus dem Hintergrund überwachen. Das Konzept bezeichnen wir als First-Level-Support.
H₂News: Könnten Sie das ausführen?
Kurras: Viele Tankstellenbetreiber haben noch nicht viel Erfahrung mit Wasserstofftechnologie. Von daher sollten sich die Stationen quasi selbst betreiben, und dafür müssen wir sicherstellen, dass man dort tanken kann. Ist das einmal nicht der Fall – etwa, weil es an Wasserstoff mangelt oder die Geräte gewartet werden – muss das sofort an Fahrer kommuniziert werden, damit sie eine andere Station ansteuern können. Gerade in dieser frühen Phase des Marktes ist das enorm wichtig, um die Zufriedenheit von Tankstellenbetreibern und Kunden hochzuhalten.
H₂News: Und welche Verfügbarkeit können Sie derzeit garantieren?
Kurras: Aktuell liegen wir bei einem Wert von rund 98 Prozent. Daran sieht man aus meiner Sicht, dass wir den Fokus richtig gesetzt haben: Die Tankstellenbetreiber haben mit unseren Geräten nicht viel zu tun, da wir sie größtenteils aus dem Back Office warten und steuern. So können sie sich um ihr Kerngeschäft kümmern, während wir den Betrieb der Zapfanlagen sicherstellen.
H₂News: Können Sie dieses Geschäftsmodell weiter optimieren?
Kurras: Wir entwickeln zusätzliche Services, die es kinderleicht machen sollen, eine H2-Station und das damit verbundene Equipment zu betreiben. Außerdem forcieren wir die Digitalisierung unserer Anlagen. Das heißt zum Beispiel, dass wir Daten zur Verfügung stellen, mit denen Logistiker die Routen ihrer H2-Lkw besser planen können. Unser Schwerpunkt liegt aber auf der Weiterentwicklung der Technologie: Unsere Systeme sollen noch robuster werden. Zudem ist Skalierung notwendig, um die Kosten nach unten zu bringen.
H₂News: Wie viele Tankstellen nutzen bereits Ihre Verdichter?
Kurras: Insgesamt haben wir über 50 Verdichtersysteme im Einsatz. Allerdings werden nicht alle für Tankstellen genutzt, sondern auch für Trailer-Abfüllstationen oder Industrieprozesse.
H₂News: Sie sind also die Steuerungszentrale, von der aus diese 50 Systeme in Echtzeit gemonitort und bedient werden?
Kurras: So ist es. Ich sage gerne: Die Tankstellen sprechen mit uns. Wir werden wir benachrichtigt, wenn getankt wird, wenn der Verdichterbetrieb startet oder wenn es eine Störung gibt. In unserer Remote Operation Central sitzen einige Kollegen vor Bildschirmen, auf denen sie diese Meldungen auf einer digitalen Karte sehen, die all unsere Stationen darstellt. Je nach Zustand werden sie grün, gelb oder rot angezeigt. Auch die verfügbare Menge an Wasserstoff und die aktuelle Auslastung gehen daraus hervor. Dank dieser digitalen Infrastruktur können wir schnell auf Störungen reagieren, Fehlerquellen erkennen und die Systeme immer weiter optimieren.
H₂News: So beheben Sie vor allem technische Herausforderungen. Wie oft sind die Tankstellen auf Ihren Displays denn „gelb” oder „rot”, weil einfach nicht genügend Wasserstoff vorhanden ist?
Kurras: Wir haben es noch nicht quantifiziert, aber es kann durchaus passieren, dass eine Tankstelle „trocken läuft”. In Ostdeutschland hatten unsere Stationen erst kürzlich ein Problem mit der Wasserstoffversorgung; auch in der Schweiz gab es das zuletzt phasenweise. Gründe sind zum Beispiel der Ausfall eines Lieferanten oder ein hoher Strompreis, der die Wasserstoffproduktion unrentabel macht. Man muss aber sagen, dass das Problem immer seltener auftritt, weil sich die Quellensituation diversifiziert.
H₂News: Was bedeutet das?
Kurras: Dass es immer mehr Elektrolyseure gibt, die unabhängig vom Netzstrom produzieren können. Dadurch bricht die Produktion seltener aufgrund von Strompreisschwankungen ab. Derzeit beobachten wir, dass die lokalen H2-Ökosysteme immer besser funktionieren: Fällt ein großer Lieferant aus, können immer mehr kleinere Produzenten in die Bresche springen.
H₂News: Die H2-Community hilft sich also gegenseitig.
Kurras: Genau. Noch ist sie relativ klein, aber seit unseren Anfängen ist sie schon deutlich gewachsen. Wir sind eine Art Bindeglied der Branche: Unsere Kunden sind sowohl Tankstellenbetreiber als auch H2-Hersteller, die den Wasserstoff mit unseren Kompressoren in ihre Trailer-Anlagen füllen. Dadurch können wir vermitteln, falls irgendwo Wasserstoff fehlt. Zuletzt hatte eine unserer Stationen in Süddeutschland beispielsweise keinen Wasserstoff und fragte bei uns nach; wir haben sie dann mit einem Abfüller-Kunden aus der Schweiz vernetzt. Jetzt erhält die Tankstelle in Süddeutschland ihren Wasserstoff aus der Schweiz.
H₂News: Ist die Versorgung denn bei jeder Tankstelle anders aufgezogen?
Kurras: In Deutschland gibt es große regionale Unterschiede. Manchmal bleibt der Trailer vor Ort, manchmal wird er wieder mitgenommen, manchmal wird der Wasserstoff vor Ort gespeichert, manchmal nicht und so weiter. Es gibt auch eine große Bandbreite von Drücken, zwischen 200 und 425 bar ist alles dabei – von den verschiedenen Anschlussarten zwischen Trailer und Zapfsäule ganz zu schweigen. Zwischen Zapfsäule und Tank herrscht eine gewisse Standardisierung, aber zwischen Trailer und Zapfsäule gibt es noch viele unterschiedliche Systeme.
H₂News: Gibt es auch Tankstellen, bei denen der Wasserstoff direkt nebenan erzeugt wird?
Kurras: Ja. Bei einem unserer ersten Projekte ist das der Fall: In Wuppertal haben wir eine Station in Betrieb, die direkt über einen Elektrolyseur versorgt wird, der seinen Strom aus dem örtlichen Müllheizkraftwerk bezieht. Dort tanken seit vielen Jahren bis zu 20 Wasserstoffbusse pro Tag auf! Wir sehen immer mehr Interesse an solchen Projekten.
H₂News: Gibt es weitere Leuchtturmprojekte, die Sie hervorheben würden?
Kurras: Wir haben eines am Geirangerfjord in Norwegen, das sehr schön gelegen ist und ebenfalls Herstellung und Anwendung auf kleinstem Raum verbindet. Mit unserem Schwester-Unternehmen Fest, das Elektrolyseure herstellt und auch zur Schmidt-Kranz-Group gehört, haben wir eine ähnliche Infrastruktur für den ÖPNV in Wien aufgebaut. Dort wird unsere Tankstelle von sämtlichen Fahrzeugtypen genutzt: Lkw, Bus, Müllfahrzeug, Pkw und so weiter. Ikea betreibt in Wien sogar eine Flotte von H2-Transportern, die bei uns auftanken.
H₂News: Mit den Transportern sprechen Sie ein Segment an, für das Wasserstoff immer relevanter wird: Leichte Nutzfahrzeuge. Wie steht es hier mit der Konkurrenz zur E-Mobilität?
Kurras: Wasserstoff besitzt da einige Vorzüge, insbesondere das schnelle Auftanken. Es ist nicht unmöglich, eine Flotte von, sagen wir, 100 Lieferfahrzeugen elektrisch zu laden. Aber es ist schon eine Herausforderung, da sie in der Regel ständig in Betrieb sind, schnell aufladen müssen und viel Strom benötigen. Ich denke, Flottenbetreiber tun gut daran, sich frühzeitig mit Wasserstoff auseinanderzusetzen. So können sie selbst bewerten, ob der Treibstoff für sie in Frage kommt oder nicht. Das Potenzial ist jedenfalls da; denken Sie an die vielen Paketfahrzeuge und Personentransporter in unseren Städten.
H₂News: Wie entwickelt sich die Wasserstoffmobilität aus Ihrer Sicht?
Kurras: Ich würde sagen, sie ist auf dem richtigen Weg. Vielen Investoren geht es nicht schnell genug, und es ist sicher eine Herausforderung, den Ausbau der Infrastruktur, die verfügbaren Fahrzeuge und das Angebot an grünem Wasserstoff auszubalancieren. Aber wir sehen immer wieder Commitments großer Hersteller zu dem Thema – erst neulich haben BMW und Toyota zum Beispiel den ersten H2-Serien-PKW bis 2028 abgekündigt.
H₂News: Wobei das PKW-Segment sicher nicht als erstes ein starkes Wachstum erfahren wird.
Kurras: Nein, das erwarten wir eher im Bereich Nutzfahrzeuge. Hoch ausgelastete Fahrzeuge, die viel Last über weite Strecken transportieren – da hat Wasserstoff einfach die Nase vorn. Dementsprechend arbeiten eigentlich alle wichtigen Lkw-Hersteller an Wasserstoff-Modellen, ob mit Brennstoffzelle oder Verbrennungsmotor. Das gleiche gilt für die wichtigen OEMs wie Bosch und ZF. Das freut uns, da Schwerlastmobilität das größte Dekarbonisierungspotenzial bietet und man mit ihr, sozusagen auf dem Rücken der H2-Lkw, die Wasserstoffinfrastruktur ausbauen kann.
H₂News: Wieso genau?
Kurras: Die Infrastruktur ist für Lkw besonders gut planbar. Es geht nicht darum, alle 50 km eine H2-Tankstelle zu bauen, sondern die wichtigen Knotenpunkte abzudecken: Logistik-Hubs, Häfen, Flughäfen, zentrale Warenhäuser großer Supermarktketten etc. Hinzu kommen die Klassiker – Busse für den ÖPNV – und immer mehr die schon erwähnten leichten Nutzfahrzeuge. Bei den PKW sind meines Erachtens vor allem der Oberklasse- und der SUV-Bereich prädestiniert für Wasserstoff – Autos, mit denen man tendenziell lange Strecken bei höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten fährt.
H₂News: Wieso sollten Flottenbetreiber eigentlich von Diesel auf Wasserstoff umsteigen?
Kurras: Viele Logistiker haben sich eine Net-Zero-Strategie gegeben und wollen ihre Flotten emissionsfrei betreiben. So werden sie für Unternehmen interessant, die sogenannte Scope 3-Ziele haben. Damit verpflichten sie sich dazu, nicht nur ihre eigene Fertigung, sondern auch ihre Zulieferer und Logistikrouten zu dekarbonisieren. Und dafür gibt es nur zwei Wege: Elektro- oder Wasserstoffmobilität. Verschiedene politische Instrumente machen den Umstieg zusätzlich attraktiv, etwa eine Mauterhöhung, von der emissionsfreie Fahrzeuge ausgenommen sind.
H₂News: Wie stehen Sie zu Förderinstrumenten wie dem THG-Quotenhandel?
Kurras: Sie sind genau der richtige Weg. Wir kommen aus einer Phase, in der primär in Einzelprojekte investiert wurde und auch die staatliche Förderung projektorientiert war. Das half uns beim Produktdesign, aber nicht bei der Skalierung. Für die ist es besser, wenn die Förderung in die Betriebskosten fließt. Da ist der THG-Quotenhandel ideal, da er hilft, die Differenz zwischen Wasserstoffangebot und -nachfrage auszugleichen und so unser Geschäftsmodell an sich wirtschaftlich zu machen. Auch Steuererleichtungen für emissionsfreie Fahrzeuge helfen uns langfristig viel mehr als kurzfristige Zuschüsse.
H₂News: Damit haben Sie also eine Perspektive für langfristiges Wachstum. Wie wird das Thema Wasserstoff eigentlich bei Ihnen in Thüringen gesehen, stoßen Sie auch auf Skepsis?
Kurras: Wir versuchen, Nordhausen zu einer Wasserstoff-Modellregion zu machen – gegen alle Widerstände, falls es die überhaupt gibt. Es gibt bei uns viel Potenzial für PV-Flächen und Windanlagen, eine Hochschule, die auf erneuerbare Energien spezialisiert ist, und immer mehr Unternehmen aus dem Wasserstoff und EE-Bereich. Die wollen wir alle ins Boot holen. Darin liegt eine Chance, die wir nicht verstreichen lassen sollten.
H₂News: Herr Kurras, vielen Dank für das Gespräch!
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