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„Wir kombinieren die Vorteile der alkalischen Elektrolyse mit einem dezentralen Ansatz“

Ecoclean macht vieles anders: Statt PEM setzt das Unternehmen auf alkalische Elektrolyse, statt Gigawatt-Anlagen auf dezentrale kleinere Systeme. Der Maschinen- und Anlagenbauer aus Monschau produziert ab sofort Elektrolyseure, die 100 % „Made in Germany” sind. Mehr dazu im Interview mit dem Wasserstoff-Experten Daniel Jessen.

von | 24.07.25

Daniel Jessen, Business Development Manager, arbeitet bereits seit über 27 Jahren bei der SBS Ecoclean Group
© Ecoclean
„Wir kombinieren die Vorteile der alkalischen Elektrolyse mit einem dezentralen Ansatz"

H₂News: Herr Jessen, Ecoclean ist in der Wasserstoffbranche noch nicht so etabliert wie andere Akteure. Können Sie uns Ihr Unternehmen kurz vorstellen?

Daniel Jessen: Unser ursprüngliches Kernprodukt sind industrielle Bauteilreinigungsanlagen. Mit einem Anteil von seinerzeit über 90 Prozent haben wir damit am Standort Monschau hauptsächlich die Automobilindustrie beliefert, die bekanntlich sehr anspruchsvoll hinsichtlich Verfügbarkeit von Anlagen ist. Wir sind es daher gewohnt, Projekte zum vereinbarten Termin abzuschließen und verlässlich funktionierende Systeme zu liefern. Das ist der Anspruch, den wir verinnerlicht haben und natürlich auch bei unseren Elektrolyseuren verfolgen.

H₂News: Wie kam Ecoclean zum Elektrolyseurbau?

Jessen: Der Einstieg in die Branche ergab sich über das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Das ZSW verfügte bereits über eine alkalische Elektrolyse und suchte im Rahmen des Projekts „Ecolyzer BW” ein Unternehmen, das als Systemintegrator fungiert – also einen Betrieb, der die verschiedenen Komponenten zu einem kompletten System zusammenführt. Wir haben uns das genau angeschaut und festgestellt: Die meisten Aspekte, die für den Bau und Betrieb eines Elektrolyseurs relevant sind, kennen wir bereits aus unseren 50 Jahren im Anlagenbau – hohe Drücke, hohe Temperaturen, Verfahrenstechnik, Steuerungstechnik und so weiter. Das einzige neue Thema war der Umgang mit Wasserstoff. Auch das haben wir schnell gemeistert, und bereits 2024 ging unser erster Elektrolyseur dann in Betrieb.

H₂News: Wieso haben Sie sich für die alkalische Elektrolysetechnologie entschieden, und nicht etwa für die PEM-Elektrolyse?

Jessen: PEM-Elektrolyseure benötigen seltene Materialien. Und wenn die Wasserstoffnachfrage steigt, wird auch die Nachfrage nach diesen zunehmen, wodurch sie noch schwieriger verfügbar werden. Denn die Jahresproduktion dieser Materialien ist stark begrenzt, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch technisch. Ein weiterer Punkt: bei der alkalischen Elektrolyse handelt es sich um eine robuste und über Jahrzehnte bewährte Technologie. Es gibt jedoch noch keine PEM-Systeme, die länger als ca. 30.000 Stunden getestet wurden, auch wenn jeder Hersteller eine Standzeit von 80.000 Stunden angibt. Im alkalischen Bereich weiß man hingegen, dass die Technologie auch über lange Zeit funktioniert. Wir können die Standzeit für unsere Systeme also guten Gewissens zusichern und dabei weiterhin gut schlafen.

H₂News: Wie unterscheidet sich Ihr P200 von anderen alkalischen Elektrolyseuren am Markt?

Jessen: Der grundlegende Aufbau ist natürlich immer sehr ähnlich. Das Besondere ist die hohe Qualität der Einzelteile, deren Integration und Zusammenspiel sowie unser umfangreiches Service & Maintenance-Angebot. Aufgrund unserer Erfahrung im Anlagenbau kennen wir uns mit der Auswahl optimaler Komponenten wie Pumpen und Sensorik sehr genau aus. Das gilt auch für die Auslegung von Rohrleitungen oder Gasseparatoren. Letztere haben wir selbst weiterentwickelt und konstruiert. Nicht zu vergessen ist unsere eigene Softwareentwicklung, in die wir unsere einschlägigen Erfahrungen auch einbringen konnten. Übrigens zielen wir auf kompakte, dezentrale Anlagen und nicht auf Gigawattprojekte. Unsere Projektgrenze liegt bei ca. 20 MW.

H₂News: Wieso?

Jessen: Zunächst liegt es an unserer Kapazität: Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit ca. 900 Mitarbeitern. Projekte, die eine Kapazität von 20 MW überschreiten, wären für uns nicht mehr seriös darstellbar. Außerdem gibt es unserer Meinung nach einen großen Bedarf an dezentralen Elektrolyseuren. Viele Wasserstoffverbraucher sind weit entfernt von den geplanten Pipeline-Netzwerken. In diesem Fall ist es besser, den Wasserstoff vor Ort selbst zu produzieren – mit einem richtig skalierten Elektrolyseur.

H₂News: Das ist ein interessanter Ansatz. Meist wird bei dezentralen Anwendungen PEM-Technologie bevorzugt.

Jessen: Genau. Wir kombinieren die Vorteile der alkalischen Technologie mit einem dezentralen Ansatz. Für viele Anwendungen, besonders in ländlichen Gebieten oder für kleinere Industriebetriebe, macht das mehr Sinn als riesige, zentrale Anlagen.

H₂News: Gibt es schon konkrete Interessenten?

Jessen: Absolut. Wir haben beispielsweise Kontakt zu einem Hersteller von Edelstahlrohren, der Wasserstoff als Prozessgas benötigt. Dieser Hersteller will seine Produktion komplett dekarbonisieren. Bisher bezieht er seinen Wasserstoff per LKW-Trailer, aber das ist weder grün noch sicher – wenn im Winter der LKW nicht ankommt, steht die Produktion still. Für solche Anwendungen ist unser dezentraler Ansatz ideal: Der Kunde hat einen Wasserstoffquelle vor Ort,  zudem wird der grüne Strom in direkter Nachbarschaft produziert.

H₂News: Wann wollen Sie Ihr erstes Projekt umsetzen?

Jessen: Unser erster vollständiger Elektrolyseur geht noch in diesem Jahr auf dem Campus der RWTH Aachen in Betrieb. Ursprünglich  war die Installation für 2024 geplant, leider gab es Verzögerungen bei der Genehmigung. Bald ist es nun so weit, und wir freuen uns sehr: Die RWTH ist eine international renommierte Universität, und unser „EcoLyzer” wird dort ein Leuchtturmprojekt und Aushängeschild sein.

Der Demonstrator an der RWTH Aachen

Der Demonstrator an der RWTH Aachen (© Ecoclean)

H₂News: Welche Leistung bietet der P-200, und wie ist das System aufgebaut?

Jessen: Der Name P200 steht für 200 Norm-Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde, das entspricht 1 MW. Zusätzlich gibt es eine 2-MW-Version aus zwei Elektrolysemodulen. Das System besteht aus zwei Containern: Im ersten befindet sich das eigentliche Elektrolysemodul mit Gasseparatoren, Steuerungstechnik und Gasüberwachung. Der zweite Container enthält die teilweise projektspezifischen Komponenten wie Transformator, Gleichrichter und Wasseraufbereitung. Dank dieser modularen Bauweise können wir die Kern-Elektrolyse standardisiert fertigen, während die Peripherie an den jeweiligen Kunden und dessen Anwendungsfall angepasst wird.

H₂News: Ihr System arbeitet mit einem hohen Druck. Welche Vorteile bietet das?

Jessen: Der Wasserstoff verlässt unseren Elektrolyseur mit einem Druck von 30 bar. Dadurch entfällt oft die Notwendigkeit eines zusätzlichen Kompressors. Zudem besitzt der Wasserstoff nach der Produktion eine Qualität von 99,5 Prozent. Das ist für viele Anwendungen ausreichend, zum Beispiel die Beimischung ins Erdgasnetz oder die Nutzung als Brennstoff. Nur wenn der Wasserstoff für Brennstoffzellen benötigt wird, muss eine Gasaufbereitung nachgeschaltet werden.

H₂News: Gibt es schon Pläne für die Serienproduktion?

Jessen: Wir haben alles dafür vorbereitet: Direkt neben unserem Standort in Monschau stehen zwei Hallen leer – die größere davon ist für die Elektrolyseurproduktion vorgesehen, die kleinere haben wir schon seit ein paar Jahren für die Fertigung von bestimmten Reinigungsanlagen angemietet. Im Prinzip warten wir nur noch auf den Startschuss in Form einer Mindestanzahl an Aufträgen. Bis dahin werden wir auf unseren eigenen bzw. den bereits heute genutzten angemieteten Flächen produzieren.

H₂News: Zudem entwickeln Sie einen eigenen Elektrolyse-Stack, mit dem Sie ebenfalls bald in Serie gehen wollen. Können Sie mehr dazu sagen?

Jessen: Das ist ein entscheidender Schritt für uns. Wir haben unsere Kooperation mit dem ZSW aus dem ursprünglichen „EcoLyzer BW”-Projekt erweitert und werden ab sofort die Stacks selbst produzieren. Bisher haben wir diese Schlüsselkomponenten als Black Box zugekauft. Das bedeutet ein vollständiges Produkt „Engineered and Made in Germany”.

H₂News: Welche Rolle spielt dieses Label für Sie?

Jessen: Es wird immer wichtiger. In der aktuellen geopolitischen Lage fragen Kunden verstärkt nach der Herkunft der Komponenten und dem ökologischen Fußabdruck ihrer Systeme. Zudem benötigen Industrieunternehmen, Kommunen und Energieversorger häufig europäische Produkte, um Projektförderung zu erhalten. Daher setzen wir auf eine europäische Lieferkette ohne kritische Abhängigkeiten – und das ist bei alkalischen Systemen auch machbar, da wir keine seltenen Erden oder Edelmetalle benötigen.

H₂News: Betreiben Sie weitere F&E-Aktivitäten?

Jessen: Ja, parallel kooperieren wir mit der Firma WEW aus Dortmund, die atmosphärische Stacks entwickelt. Das ist ein völlig anderes Konzept als unser hochdruckbasiertes System – es arbeitet mit einem Druck von unter einem Bar. Dadurch hat es deutlich geringere Sicherheitsanforderungen und kann kompakter gebaut werden: Auf der gleichen Stellfläche, wo wir heute 2 Megawatt unterbringen, könnten wir 3 Megawatt realisieren. Solche Systeme benötigen dann gegebenenfalls eine separate Verdichtung.

H₂News: Wie schätzen Sie die Entwicklung der Wasserstoffbranche ein?

Jessen: Wir beschäftigen uns seit 2021 mit dem Thema. In den ersten Jahren gab es gefühlt einen riesigen Hype, 2024 kam dann eine Delle – die Nachfrage ging stark zurück. Wir hoffen, dass wir die Talsohle durchschritten haben und es jetzt wieder bergauf geht.

H₂News: Kommt es Ihnen bei solchen Durststrecken zugute, dass Sie kein „Wasserstoffunternehmen” im klassischen Sinne sind?

Jessen: Auf jeden Fall. Wir haben mehrere Standbeine und sind deshalb nicht darauf angewiesen, jedes Jahr eine bestimmte Anzahl an Elektrolyseuren zu verkaufen. Stattdessen können wir uns in Ruhe auf die Entwicklung konzentrieren, bis der Markt soweit ist. Momentan sehen wir einige Marktbegleiter, die sich auf die Elektrolyseurherstellung fokussiert haben und jetzt ins Straucheln geraten. Wir besitzen also sowohl einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Start-ups, die bei 0 anfangen, als auch gegenüber etablierten Marktteilnehmern, die stärker „eingleisig” fahren.

H₂News: Herr Jessen, vielen Dank für das Interview!

 

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