Im Laufe der vergangenen Woche wurde ein Impulspapier zu erneuerbarem Methanol veröffentlicht und die deutsche Importstrategie für Wasserstoff und seine Derivate vom Bundeskabinett beschlossen. Das Thema Methanol sorgt immer wieder für kontroverse Diskussionen, so auch in der Kommentarspalte unseres LinkedIn Postings zur Veröffentlichung des Impulspapiers. Diese Debatte greifen wir hier auf und präsentieren zwei Meinungen zu der Frage, ob sich Methanol als Wasserstoffträger eignet.
Pro
Prof. Dr.-Ing. Ertan Akgün ist Professor für Verfahrenstechnik und Wasserstofftechnologie an der Technische Hochschule Ingolstadt. Er ist für die Nutzung von Methanol:
„Methanol ergänzt zusammen mit weiteren Wasserstoffträgern die Wasserstoffwirtschaft. Manche Regionen und Länder wie Deutschland benötigen mehr Wasserstoff als sie produzieren können, weswegen sie auf Importe angewiesen sind. Als Wasserstoffträger, der bei Umgebungstemperatur und -druck in flüssiger Form gespeichert werden kann, kann Methanol einfacher als reiner Wasserstoff transportiert und gelagert werden. Das spielt bei längeren Distanzen eine entscheidende Rolle, zudem die höhere volumetrische Energiedichte des Methanols auch ermöglicht, im gleichen Volumen mehr Energie zu speichern und transportieren. Durch diese Vorteile eignet sich Methanol auch als Kraftstoff für die Mobilität von großen Schiffen, wo Wasserstoff am Board generiert und der Brennstoffzelle für die Elektrifizierung zur Verfügung gestellt werden kann.
Für die Herstellung von Methanol gibt es bereits viel Erfahrung, da es weltweit in großen Mengen produziert und gehandelt wird. Die notwendigen Technologien und Logistiksysteme sind also vorhanden. Auch die Rückumwandlung in Wasserstoff ist technisch bekannt.
Auf diese Erfahrung kann weiter gebaut werden, um grünen Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid zu grünem Methanol umzuwandeln. Nach dem Transport kann mittels Methanol-Reformierung wieder Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid erzeugt werden. Wasserstoff kann so in Form von Methanol sein geographisches Ziel erreichen oder gasförmig z.B. in Rohrleitungen zum Ziel gebracht werden, und das Kohlenstoffdioxid wird im Idealfall aufgefangen und als Rohstoff beispielsweise für die Erzeugung von grünem Methanol eingesetzt, um den Kreis für das Kohlenstoffatom zu schließen. Auf diese Weise wird kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre emittiert.
Dabei ist nicht nur entscheidend, dass die Fertigung von Elektrolyseuren weiterentwickelt, skaliert und günstiger wird, sondern auch die Methoden für die Gewinnung von Kohlenstoffdioxid aus bestehenden Emissionspunktquellen und der Atmosphäre. Weitere technologische Entwicklungen sind auf dem Gebiet „Carbon Capture“ ohnehin notwendig, um diese Arbeit nicht nur der Natur zu überlassen. Wir sollten von der Natur lernen, wie die Mechanismen genau funktionieren, um resiliente und wirtschaftlich tragbare Lösungen zu entwickeln. Das ermöglicht die Nutzung von kohlenstoffhaltigen Verbindungen wie Methanol, die allerdings CO₂-neutral sind.”
Contra
Prof. Dr.-Ing. Jan Mugele ist Professor am Lehrstuhl für Gebäudetechnik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Er sieht die Nutzung von Methanol eher kritisch:
„Um aus Wasserstoff Methanol zu synthetisieren, benötigt man Kohlenstoff, meist in Form von Kohlenmonoxid oder Kohlendioxid. Doch woher kommt der Kohlenstoff?
- Fossile Quellen scheiden aus, sonst könnte man ja z.B. Erdgas (aka Methan) direkt verwenden. Aber wir dürfen auf gar keinen Fall neuen Kohlenstoff explorieren und in den Kohlenstoffkreislauf überführen.
- Nachwachsende Rohstoffe, die zumindest schon in den natürlichen Kohlenstoffkreislauf eingebunden sind, haben viele Probleme. Angefangen von Monokulturen, wie Mais, die die Artenvielfalt zerstören, Überdüngung und Lachgasproduktion, über die Tank oder Teller Problematik bis hin zur schlechten Gesamtenergieeffizienz. Das hat uns der Biogashype der Nuller- und Zehnerjahre gelehrt.
- Die Nutzung von Kohlendioxid aus der Luft erfordert einen sehr hohen Energieaufwand und teure Systemtechnik. In naher Zukunft ist das sicher keine wirkliche Option.
- Biogene Abfälle sind die einzige Kohlenstoffquelle, deren Nutzung im Moment einigermaßen Sinn machen könnte, aber funktioniert eine Synthese überhaupt in ausreichender Qualität und Menge?
Und nachdem der Wasserstoff wieder vom Kohlenstoff wurde, wird wieder CO₂ oder ein anderes schädlicheres THG produziert und in der Regel in die Atmosphäre entlassen, oder was passiert damit sonst?
Also, lieber Hände weg vom Kohlenstoff, ob als Methanol oder in anderer Form, es gibt bessere Alternativen. Zum Beispiel den Wasserstoff direkt am Ort seiner Erzeugung zu nutzen.”