H₂News: Herr Schwencke, Eternal Power will sich in der Großproduktion von grünem Wasserstoff etablieren. Wie sieht Ihre Strategie aus?
Moritz Schwencke: Wir folgen dem ökonomischen Ansatz von Michael Porter, der zwischen Differenzierung und Kostenführerschaft unterscheidet. Da Moleküle grundsätzlich nicht differenziert sind – abgesehen vom CO₂-Fußabdruck ist ein H₂-Molekül einfach ein H₂-Molekül – verfolgen wir das Ziel, Kostenführer zu werden. Aus unserer Erfahrung mit Photovoltaik- und Windkraft wissen wir: Um kostengünstig produzieren zu können, brauchen wir eine hohe Skalierung. Wir konzentrieren uns daher auf Großprojekte und decken dabei im Idealfall die gesamte Wertschöpfungskette ab, von der Stromerzeugung bis zum Verkauf der Moleküle.
H₂News: Es gibt inzwischen mehrere Unternehmen, die ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgen. Was ist Ihr USP?
Schwencke: Wir unterscheiden uns durch mehrere Innovationen im Projektdesign und unsere ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette. Allerdings halte ich eine starke Abgrenzung von Marktbegleitern nicht für zwingend notwendig, da der Bedarf an grünem Wasserstoff bei einer echten Dekarbonisierung enorm ist: Wenn 20 Prozent unserer Primärenergie aus Wasserstoff und Derivaten kommen, entsteht ein weltweiter Markt im Umfang von rund 1.400 Milliarden Euro, davon min. 45 Milliarden Euro in Deutschland. Ähnlich wie im Öl- und Gasgeschäft wird es daher Platz für mehrere große Akteure geben.
H₂News: Sie haben Ihre Projekte in drei Cluster gestaffelt. Könnten Sie das einmal ausführen?
Schwencke: Die drei Cluster unterscheiden sich nach der Komplexität bzw. der räumlichen und zeitlichen Distanz. Wir haben erkannt, dass viele Projekte im nicht europäischen Ausland, die niedrige LCOH (Levelized Cost of Hydrogen) versprechen, sehr komplex sind. Daher setzen wir zunächst auf ein Wasserstoffprojekt in Deutschland und ein Methanolprojekt in Schweden, das wir mit einem starken Konsortium entwickeln. Diese bezeichnen wir als Cluster A. Hier kennen wir den rechtlichen Rahmen, können künftig regulatorischen Rückenwind erwarten und hoffentlich auch von Förderungen profitieren. Nach ersten Erfolgen in den nächsten ein bis drei Jahren wenden wir uns dann Cluster B zu – der erweiterten EU. Erst danach folgt Cluster C mit Projekten in entfernteren Regionen wie Brasilien, Chile, Namibia oder Australien.
H₂News: Blicken wir auf ein Cluster A Projekt: In Dummerstorf planen Sie den Aufbau einer 80-MW-Elektrolyse, die Sie perspektivisch auf 380 MW erweitern wollen. Wieso haben Sie diese Region ausgewählt?
Hendrik Petersen: Der Standort liegt strategisch günstig nahe der Ostsee und diversen Offshore-Regionen, in denen bereits enorm viel erneuerbare Energie produziert wird. Diese Kapazitäten sollen bis 2030 von derzeit rund 8 GW auf insgesamt 30 GW ausgebaut werden. Schon heute können die Stromnetze nicht die gesamte Energie aufnehmen, was zu häufigen Abregelungen führt. Mit diesem überschüssigen Ökostrom ist grüne Wasserstoffproduktion vergleichsweise kostengünstig. Auch infrastrukturell sind wir dort optimal aufgestellt: Eine 110-kV-Leitung verläuft östlich des Standorts, und eine 380-kV-Höchstspannungs-Trasse führt unmittelbar daran vorbei. Zudem sollen wir über eine neue Pipeline an das Wasserstoff-Kernnetz angeschlossen werden, die uns mit den großen Industriezentren in Deutschland verbindet.
H₂News: Wie ist der aktuelle Stand?
Petersen: Die Fläche, die Wasserversorgung und der Netzanschluss sind bereits gesichert. Zudem liegt uns ein Vorvertrag für ein Power Purchase Agreement (PPA) und für die Wasserstoffabnahme vor. Wir haben die Ingenieursstudie (Pre-FEED) abgeschlossen, die die Realisierbarkeit des Projekts bestätigt hat. Aktuell bereiten wir das Front-End Engineering Design (FEED) vor. In diesem Zusammenhang wählen wir die OEMs für den Elektrolyseur und weiteres Equipment aus. Wir haben schon diverse Angebote erhalten und damit einen guten Überblick über die verfügbaren Technologien und Preise.

Ein Panoramablick auf eine Wasserstoffspeicheranlage an der Küste mit Speichertanks und nachhaltigen Energieanlagen, die von Windturbinen vor der Küste angetrieben werden. (© PixelPerfected – stock.adobe.com)
H₂News: Haben Sie sich schon für eine Technologie entschieden? Die bisher realisierten Großanlagen setzen ja auf PEM.
Petersen: Nein, wir haben uns noch nicht auf eine Technologie festgelegt. Bei der Ausschreibung betrachten wir aber nicht nur die Technologie an sich, sondern bewerten das Gesamtpaket. Natürlich spielt der Preis eine wichtige Rolle, aber ebenso wichtig sind die Effizienz und die Verlässlichkeit des Elektrolyseurs. Darüber hinaus müssen wir immer die Finanzierbarkeit des Projektes mit der jeweiligen Technologie und OEM berücksichtigen.
H₂News: Wie stehen Sie grundsätzlich zu der Frage PEM vs. alkalisch?
Petersen: Beides sind bewährte Technologien mit eigenen Stärken. PEM-Elektrolyseure können sehr kompakt gebaut werden und auf Schwankungen in der Stromzufuhr reagieren, was besonders relevant ist, wenn man einen Windpark oder eine Solaranlage über eine Direktleitung an den Elektrolyseur anbindet oder das Stromnetz entlasten möchte. Alkalische Elektrolyseure sind tendenziell etwas kostengünstiger und bekannt für ihre Robustheit. Gleichzeitig hat die PEM in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt. Letztendlich prüfen wir immer, welches Gesamtpaket am besten passt.
H₂News: Hat das Dummerstorf-Projekt für Sie Blueprint-Charakter?
Petersen: Auf jeden Fall. Die Erfahrungen im Markt sind generell begrenzt, da die Technologie innovativ ist und die Lieferketten erst aufgebaut werden müssen. Entsprechend arbeitet man iterativ mit den OEMs und EPC-(Engineering-Procurement-Construction) Unternehmen zusammen und entwickelt gemeinsam die bestmögliche technische Lösung und die kommerziellen Rahmenbedingungen für das Projekt.
Schwencke: In den letzten Jahren war in den Medien viel über den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu lesen, und auch unser ehemaliger Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich stark dafür eingesetzt. Aber faktisch gibt es nur wenige Teams, die wirklich intensiv daran arbeiten. Als „Pure Player“, der sich voll auf die Wasserstoffproduktion konzentriert, mussten wir viele grundlegende Konzepte für die Auswahl und den Aufbau eines Standortes selbst erarbeiten.
H₂News: Und nicht nur das: Zur Optimierung der Beschaffung von Grünstrom – dem größten Kostentreiber bei der Wasserstoffproduktion – haben Sie eine eigene Software entwickelt. Könnten Sie diese kurz erläutern?
Petersen: Richtig, wir haben eine Webapplikation entwickelt, weil die Optimierung der Stromversorgung sehr komplex ist. Auf der einen Seite gibt es verschiedene Energiequellen – Offshore Wind, Onshore Wind, Solar-PV – mit unterschiedlichen Profilen. Auf der anderen Seite gibt es mehrere zu berücksichtigende Faktoren, etwa die Stromkosten, Investitionskosten (CAPEX) und Volllaststunden eines Elektrolyseurs. Je mehr Volllaststunden wir erreichen wollen, desto teurer wird tendenziell der Strom, weil wir mehr davon benötigen. Und wenn wir mehr Strom benötigen, müssen wir die erneuerbaren Energiequellen im Verhältnis zum Elektrolyseur überdimensionieren. Unser Datenmodell ermittelt die optimale Kombination und Dimensionierung von erneuerbaren Stromquellen für den jeweiligen Elektrolysestandort – unter Berücksichtigung des regulatorischen Rahmens wie RED II/III und der 37. BImSchV.
Schwencke: Wir kooperieren mit Firmen, die noch stärker im Strommarkt verankert sind als wir. Selbst für die ist die Strombeschaffung eine Herausforderung. So ist es oft beim Wasserstoff: Man kann nicht einfach ein fertiges Konzept aus der Tasche ziehen, sondern muss es partnerschaftlich erarbeiten. Viele fassen das in dem Motto „Hydrogen is Teamwork“ zusammen.

Das Eternal Power Team (© Eternal Power)
H₂News: Apropos Team: Wie kam es eigentlich zur Gründung von Eternal Power?
Schwencke: Mein Mitbegründer Fabian Floto und ich hatten Erfahrung im Bereich der Erneuerbaren, und mit unserem Standort in Hamburg verfügten wir über gute Kontakte zur Schifffahrt und potenziellen Investoren. Wir konnten dann hervorragende Teammitglieder von unserer Vision überzeugen, gemeinsam die „Wasserstoff-Nuss“ zu knacken – die sich in den letzten drei Jahren als noch härter erwiesen hat, als wir damals vielleicht gedacht haben.
H₂News: Wer kommt da in Ihrem Team zusammen?
Schwencke: Unsere Expertise deckt im Wesentlichen fünf Kernbereiche ab. Erstens verfügen wir über fundierte Öl- und Gas-Erfahrung, insbesondere durch Frank Mastiaux, der CEO bei EnBW war und heute als Investor und Senior Advisor bei uns wirkt. Zweitens bringen wir starke Erfahrung im Bereich der erneuerbaren Energien mit, drittens haben wir eine tiefgreifende Expertise im Wasserstoffbereich aufgebaut, viertens verfügen wir über jahrzehntelange Erfahrung in der Projektfinanzierung, und fünftens zeichnet uns eine starke Vertriebsorientierung aus, besonders beim Thema Abnahmevereinbarungen.
H₂News: Ja, laut Ihrer Website haben Sie beeindruckende Offtake-Agreements für Ihre künftige Wasserstoffproduktion vereinbart. Können Sie mehr dazu sagen?
Schwencke: Tatsächlich konnten wir bereits drei Termsheets abschließen. Dabei handelt es sich nicht um einfache Absichtserklärungen, sondern um ausgearbeitete Vorverträge mit bekannten Unternehmen. Ein Vertrag betrifft die Lieferung von grünem Wasserstoff ab der Pipeline in Dummerstorf. Zwei weitere Verträge beziehen sich auf unsere geplante grüne Methanolproduktion in Schweden, für die wir langfristige Abnehmer in Europa gefunden haben. Ohne konkrete Namen zu nennen, ist ein zentraler Punkt, dass es sich um Vertragspartner mit extrem hoher Kreditwürdigkeit handelt. Abnahmevereinbarungen ersetzen heute das, was früher die staatliche Garantie hinter dem Einspeisetarif war – sie repräsentieren das Umsatzpotenzial des Projekts.
H₂News: Wie sieht Ihre weitere Planung aus?
Schwencke: Wir konzentrieren uns jetzt auf die Final Investment Decision (FID) für unsere Projekte in Deutschland und Schweden. Aktuell laufen zwei Projektfinanzierungsprozesse mit Green Giraffe und Ernst & Young. Denn als junges Wasserstoffunternehmen wollen wir den herausfordernden Aufbau einer H₂-Großproduktion nicht alleine bewältigen: Wir haben zwar alle Vorbereitungen getroffen, sind aber offen für Partnerschaften mit Industrieunternehmen und Investoren.
H₂News: Welche technologischen, politischen und regulatorischen Entwicklungen würden Sie sich wünschen, damit diese Aufgabe etwas einfacher wird?
Schwencke: Technologisch sind wir bereits auf einem sehr guten Weg. Problematisch sind eher die Rahmenbedingungen: So wie sie derzeit gestaltet sind, kann meines Erachtens in den nächsten Jahren kaum ein Projekt, das eine Finanzierung benötigt, umgesetzt werden. Die Anforderungen sind einfach zu streng. Und selbst mit guten Abnahmeverträgen bestehen immer noch Vertragsrisiken, Lieferrisiken, technologische Risiken und Projektentwicklungsrisiken. Unsere Forderung ist daher, die regulatorischen Anforderungen zu reduzieren, wenn wir tatsächlich eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen wollen.
H₂News: Spielen Sie damit auf die RED-Kriterien der Europäischen Union an?
Schwencke: Ja. Die Latte für den Markt wurde vom Anfang an sehr hoch gelegt z. B. mit der Forderung nach räumlich/zeitlicher Korrelation und Additionalität von Strom- und Wasserstofferzeugung. Diese Anforderungen müssen wir entschärfen, gerne auch über Brückentechnologien wie blauen Wasserstoff, um den Markt in Schwung zu bringen. Aktuell ist ja kaum ein Projekt im Bau.
Petersen: Ich kann mich dem anschließen. Vor allem in der jetzigen Anfangsphase sind die Kosten für die Technologie noch hoch. Doch je mehr Erfahrung die Hersteller haben und je größer der Markt wird, desto geringer werden die Preise. Deswegen sind Förderungen in dieser Phase sehr wichtig. Der „Auction as a Service“-Mechanismus der Europäischen Wasserstoffbank ist aus meiner Sicht ein wichtiges Ins-trument. Deutschland kann ein dezidiertes Förder-Budget für deutsche Projekte zur Verfügung stellen, um somit deutsche H₂-Projekte zu stärken. Die komplexe Regulatorik kommt dann hinzu. Insofern kann man sich schon wünschen, dass zumindest für den Markthochlauf eine gewisse Vereinfachung etabliert wird, um den vielen Projekten mehr Luft zum Atmen zu geben. Denn nur, wenn wir Projekte realisieren, können die Kosten sinken.
H₂News: Wie erleben Sie momentan die Stimmung in der Branche?
Schwencke: Markus Krebber, der CEO von RWE, hat es neulich gut zusammengefasst: Wir dürfen uns das Wasserstoff-Narrativ nicht kaputtreden lassen. Manche denken womöglich ‚Vier Jahre ist nichts passiert, also machen wir lieber das nächste‘. Es stimmt: Derzeit gibt es weltweit nur rund 1,5 GW installierte Elektrolyseleistung, also fast gar nichts. Doch je mehr es gibt, desto stärker sinken die Kosten. Wir können beim Wasserstoff in verschiedenen Anwendungsfällen und in Verbindung mit CO₂-Zertifikaten Kostenparität zu Diesel und Erdgas erreichen. Aber dafür müssen wir jetzt loslegen und Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft leiten. Daran arbeiten wir bei Eternal Power. Ja – dafür stehen wir jeden Morgen auf.
H₂News: Herr Schwencke, Herr Petersen, vielen Dank für das Gespräch!
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