H₂News: Herr Nave, was genau macht Green Hydrogen Technology (GHT)?
Robert Nave: Unser Ziel bei Green Hydrogen Technology ist, Reststoffe aller Art kostengünstig in ihre Kernbestandteile Wasserstoff und CO₂ umzuwandeln. Das CO₂ verflüssigen wir anschließend, damit es als Kreislaufprodukt nutzbar gemacht werden kann. Bei den Reststoffen fokussieren wir uns zunächst auf biogene Reststoffe, dann auf Plastikmüll. So wollen wir zwei fundamentale Probleme der Menschheit gleichzeitig angehen: Den Klimawandel und die globale Abfallkrise.
H₂News: Wie funktioniert Ihr Verfahren?
Nave: Der Prozess besteht aus drei Schritten. Zu erst wird der Reststoff in ein Synthese-Gas umgewandelt. Im zweiten Schritt wird dieses Synthese-Gas gereinigt, aufgewertet und teilweise an den Anfang zurückgeführt, um den Prozess weiter zu betreiben. Im dritten und letzten Schritt wird der andere Teil des Synthese-Gases in seine Bestandteile CO₂ und H₂ aufgeteilt.
H₂News: Im Grunde ein klassisches Vergasungsverfahren. Was genau ist Ihre Innovation?
Nave: Wir haben die Vergasung natürlich nicht erfunden, sondern anwenderfreundlich gemacht. In herkömmlichen Vergasungsanlagen befinden sich Feststoffe im Reaktor, wodurch sich Teere und Schlacken bilden, was den Betrieb enorm verkompliziert. Unser Verfahren arbeitet hingegen rückstandsfrei. Zudem ist es dezentral anwendbar: Klassische Vergasungsanlagen sind extrem groß; wir haben die Technologie aber derart vereinfacht, dass jedes Unternehmen sie vor Ort nutzen kann.
H₂News: Wie funktioniert das?
Nave: Unsere Kern-Innovation liegt bei dem Flugstromreaktor im ersten Schritt. In den letzten dreieinhalb Jahren haben wir intensiv daran gearbeitet, dass er zum einen effizienter wird als vergleichbare Anlagen und zum anderen Feststoffe rückstandsfrei in Synthese-Gas umwandeln kann. Die Reststoffe werden in dem Reaktor mit einem 1.600° C heißen Gas vermischt, das in einem vorgelagerten Brenner unter Sauerstoffatmosphäre erzeugt wird. Dadurch werden sowohl die Kohlenwasserstoffketten als auch alle anderen Verbindungen im Material aufgebrochen, wodurch es in einen gasförmigen Zustand überführt wird. Das so entstehende Synthese-Gas enthält also alles, was im ursprünglichen Rohstoff enthalten war – wir ändern nur den Aggregatszustand.
H₂News: Wie geht es dann weiter?
Nave: Der zweite Schritt ist die Gasaufbereitung. Hierbei nutzen wir den Stand der Technik: Das Synthese-Gas wird mittels eines Filters und einer Gaswäsche von allen Stoffen gereinigt, die nicht im Endprodukt enthalten sein sollen. So entsteht ein gereinigtes Synthese-Gas, das fast ausschließlich aus H₂, CO und CO₂ besteht und dadurch einen guten Brennwert hat. Ein Teil davon wird in den Brenner zurückgeführt, um den Gesamtprozess am Laufen zu halten.
H₂News: Sie nutzen also die aus dem Müll gewonnene Energie, um den Prozess anzutreiben.
Nave: Richtig. So entsteht ein in sich geschlossener Loop, der so lange weiterläuft, wie Reststoffe und Sauerstoff zugeführt werden; es wird nahezu keine zusätzliche externe Energie benötigt. Die verbliebenen drei Viertel des „neuen“ Synthese-Gases werden via Wasser-Gas-Shift Reaktion in CO₂ und H₂ umgewandelt und durch eine Druckwechselabsorption in Wasserstoff und CO₂ aufgeteilt. Das so entstandene, hochreine CO₂ wird im Anschluss verflüssigt. Der Wasserstoff liegt ebenfalls in hochreiner Form vor und kann sofort weitergenutzt oder zur späteren Verwendung, etwa in Brennstoffzellen, abgefüllt werden.
H₂News: Was passiert mit den Stoffen, die im zweiten Schritt aus dem Synthese-Gas gefiltert werden?
Nave: Diese Stoffe bilden eine Restasche. Werden Kunststoffe vergast, enthält sie im Wesentlichen Schwermetalle und Mineralien. Als Faustregel gilt: Auf zwölf Kilogramm Reststoff kommt circa ein Kilogramm Asche. Aktuell entsorgen wir diese noch, künftig wollen wir sie aber weiterverarbeiten, um einen vollständig geschlossenen Kreislauf zu erzeugen. Da die Asche sehr mineralhaltig ist, ließe sie sich etwa als Zusatzmaterial in Zement oder als Pflanzenkohle nutzen. Aber wir konzentrieren uns derzeit auf den Kernprozess.
H₂News: Wer sind Ihre bevorzugten Kunden?
Nave: Unsere ersten Kunden sind Entsorgungsunternehmen, die Reststoffe verarbeiten und mit unserer Technologie Wasserstoff und CO₂ erzeugen können. Wir erweitern also die Wertschöpfungskette dieser Entsorger. Ihr Geschäftsmodell besteht dann nicht mehr ausschließlich darin, Müll einzusammeln, zu trennen, zu recyclen und nicht recycelbare Stoffe zu verbrennen, sondern eben auch Wasserstoff zu erzeugen – und zwar genau aus jenen nicht recyclebaren Abfällen, die sie sonst verbrennen würden. Wir schaffen hier also völlig neue Wertschöpfungsketten. Für Entsorger war Wasserstoffproduktion bislang nie ein Thema.
H₂News: Den Wasserstoff können Ihre Kunden dann an H₂-Tankstellen oder Industriebetriebe weiterverkaufen. Wie verhält es sich mit dem CO₂?
Nave: Für reines CO₂ ist die Nachfrage sehr hoch, unter anderem in der Getränke- bzw. Lebensmittel- und in der Verpackungsindustrie. Auch die Chemieindustrie benötigt es, etwa für die Herstellung von grünem Methanol oder e-Fuels. Unsere Technologie ermöglicht damit Sektorenkupplung par excellence. Ein Beispiel: Es ist gängige Praxis, auf Recycling-Höfen PET-Flaschen zu recyclen. Warum sollte der Anlieferer dieser Flaschen bei der Rückfahrt nicht CO₂ mitnehmen, das dort produziert wurde? Bestenfalls würde er dafür einen Wasserstoff-Lkw nutzen, der vor Ort H₂ auftankt, das aus dem Müll erzeugt wurde. Auf diese Weise schließen wir wirklich Kreisläufe – und das ist am Ende des Tages unsere eigentliche Mission.
H₂News: Wie ist Green Hydrogen Technology zusammengekommen?
Nave: Unsere Entstehungsgeschichte ist vielleicht etwas untypisch. Es begann mit ersten Entwürfen für einen Reaktor, der Klärschlamm und andere Abfallstoffe über ein Vergasungsverfahren in Wärme und schlussendlich Wasserstoff umwandeln kann. Unser dreistufiges Verfahren war schon in den allerersten Skizzen angelegt. Der Erfinder des Konzeptes traf auf Harald Mayer, einen erfahrenen Unternehmer aus der Logistikbrache, der die Vision hatte, aus der Idee und dem Verfahren ein neues Unternehmen aufzubauen. Gemeinsam haben wir sowohl das Konzept als auch die Technologie weiter vereinfacht, bis wir beim Waste to Hydrogen-Konzept angekommen waren. Wir haben das Ganze dann mit einer Software simuliert und letztlich zur fertigen Anlage gebracht.
H₂News: Wo befindet sich Ihre Pilotanlage?
Nave: Im österreichischen Leoben. Sie ist seit November letzten Jahres in Betrieb und wandelt rund 1.200 Tonnen Müll pro Jahr in etwa 100 Tonnen Wasserstoff um. Mit 13 Metern Höhe ist sie relativ klein. Der nächste Schritt ist, die Anlage im Rahmen eines Pilotprojektes unter Realbedingungen laufen zu lassen. Dabei werden wir noch viel über die Technologie lernen und sie weiter optimieren können.
H₂News: Ist das nächste Projekt schon in Planung?
Nave: Ja, wir werden es noch in diesem Jahr in Angriff nehmen, damit im nächsten Jahr die Wasserstoffproduktion beginnen kann. Dieses Vorhaben wird der Nukleus für die weitere Skalierung sein. Danach wollen wir Unternehmen in Deutschland und perspektivisch weltweit anbieten, unsere Technologie inklusive der zugehörigen Software-Plattform zu verwenden. Dadurch entstehen viele dezentrale Knotenpunkte, an denen Wasserstoff zu einem Bruchteil der üblichen Kosten produziert werden kann.
H₂News: Von welchen Preisen reden wir da?
Nave: Bei unserem Erstprojekt gehen wir von rund 5 Euro Wasserstofferzeugungskosten pro Kilo aus. In den Folgeprojekten, die vier bis fünf Mal so viel Volumen verarbeiten werden, kommen wir dann auf rund 1,50 Euro. Daraus ergeben sich hohe Wertschöpfungsmöglichkeiten für unsere künftigen Kunden.
H₂News: Das heißt, dass Sie keine kompletten Anlagen verkaufen?
Nave: Genau. Es gibt viele kompetente Anlagenbauer, die Anlagen mit unserer Technologie zusammensetzen können. Wir liefern den Reaktor, die Software und die Plattformen, über die unsere Kunden ihre Wertschöpfungskette erweitern können.
H₂News: Sie selbst haben vor Ihrer Zeit bei GHT als Strategieberater bei McKinsey gearbeitet. Wie beurteilen Sie den Wasserstoffmarkt
derzeit?
Nave: Die Herausforderung ist riesengroß; gerade in einem Land wie Deutschland, wo erneuerbare Energien vergleichsweise teuer sind. Aber ich glaube auch, dass Wasserstoff der entscheidende Schlüssel für die Dekarbonisierung ist. Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene brauchen wir dringend erste Erfolgsprojekte, die uns ein positives Momentum verschaffen. Auf der Unternehmensebene braucht es einfach mutige Entscheidungen. Noch ist es schwer, an Investitionsmittel für Wasserstoffvorhaben zu kommen. Es gibt beim Wasserstoff nun mal den berühmten First Mover-Disadvantage, und die Frage ist, wie man ihn in einen First-Mover-Advantage umwandeln kann.
H₂News: Was ist Ihre Vermutung?
Nave: Ich glaube, eine ganz wichtige Antwort ist es, frühzeitig Allianzen und Partnerschaften zu etablieren. Hinzu kommt natürlich die technologische Weiterentwicklung. Dabei muss es gar nicht immer um neue Erfindungen gehen; auch eine Standardisierung wie im Elektrolyse-Sektor kann sehr wichtig sein. Hier müssen sich Unternehmen einfach früh platzieren und mutige Entscheidungen treffen. Sonst werden sie den Zug verpassen, und das wäre wiederum fatal für die gesamtwirtschaftliche Ebene.