H₂News: Frau Morabito, was bietet Comau an, und an welcher Stelle der Wasserstoff-Wertschöpfungskette sind Sie aktiv?
Lucrezia Morabito: Wir bieten ein breites Portfolio an Industrierobotern und Vision-Systemen, mit denen die Roboter ihre Umgebung visuell erfassen und interpretieren können. Unsere Kernkompetenz liegt also in der Automatisierung von Fertigungslinien. Wir haben über 50 Jahre Erfahrung in der Automobilindustrie und übertragen dieses Wissen nun auf andere Branchen. Der Wasserstoffmarkt ist dabei einer der vielversprechendsten Bereiche für uns. Kurz gesagt: Comau unterstützt Hersteller von Brennstoffzellen, Elektrolyseuren oder Komponenten wie Bipolarplatten und Dichtungen bei der Automatisierung ihrer Produktionslinien.
H₂News: Ihre Kunden können also aus der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette stammen?
Morabito: Absolut. Unsere DNA liegt zwar in der Automobilindustrie, aber wir sind z.B. auch in der E-Mobilität und Batterien tätig. Diese Fleibilität kommt uns beim Wasserstoff zugute – von der Primärenergie, wo wir beispielsweise Lösungen für die automatisierte Montage von Solarpanels anbieten, über Elektrolyseur-Hersteller und Komponentenfertiger bis hin zur Brennstoffzellenindustrie. Wir evaluieren sogar Fertigungsprozesse für Speicherlösungen.
H₂News: Was bedeutet Automatisierung in diesem Zusammenhang konkret?
Morabito: Ich würde es so zusammenfassen: Die Skalierung von Produktionsvolumen bei gleichzeitiger Verbesserung von Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Durch die Nutzung von Skaleneffekten kann eine automatisierte Fertigung die Stückkosten senken. Das hilft vor allem Technologien wie Brennstoffzellen oder Elektrolyseuren, die derzeit noch relativ teuer sind. Eine automatisierte Fertigung erhöht die Wirtschaftlichkeit, und die ist wiederum einer der wichtigsten Faktoren für eine echte Marktdurchdringung.
H₂News: Gibt es in dem Segment schon Produktionslinien, die Ihre Technologie nutzen?
Morabito: Ja. Zum Beispiel haben wir für den chinesischen Hersteller Shanghai Hydrogen Propulsion Technology (SHPT) eine Automatisierungszelle für die Montage von PEM-Brennstoffzellen entwickelt. Das ist aber nur eines unserer Referenzprojekte. Darüber hinaus arbeiten wir an vielen weiteren Projekten in verschiedenen Entwicklungsstadien. Zum Teil sind diese noch in der Angebotsphase, bei manchen handelt es sich aber auch um bereits implementierte und funktionierende Anlagen bei Kunden weltweit, unter anderem in den USA. Es ist ein noch junger, aber vielversprechender Markt für uns.
H₂News: Viele Branchenvertrete bezeichnen die Industrialisierung als größte Herausforderung für den Wasserstoffhochlauf. Wie sehen Sie das?
Morabito: Ich würde mich da anschließen. In vielen Fällen ist eine Überführung in die Serienproduktion technisch aber gut umsetzbar. Brennstoffzellen haben beispielsweise viele Ähnlichkeiten mit konventionellen Motoren und Batterien, was sie zu guten Kandidaten für die Serienfertigung macht. Besonders im Mobilitätssektor sehe ich daher großes Potenzial für eine erfolgreiche Skalierung.
H₂News: Oft wird als weiteres Problem genannt, dass noch gar nicht klar sei, welche Technologie sich langfristig durchsetze werde. Ein Übergang in die automatisierte Produktion bedeutet aber ein gewisses Commitment für eine spezifische Lösung. Die Frage ist also, woher man wissen soll, wann mit geringem Risiko dieser Schritt gegangen werden kann.
Morabito: Richtig ist, dass es in der H2-Wirtschaft viele parallele Entwicklungen gibt und keine dominante Technologie. Dies ist jedoch kein Problem für die Automatisierung. Unser Ansatz ist es, flexible und modulare Lösungen zu entwickeln. Bei Brennstoffzellen können wir beispielsweise die gleichen Roboter für verschiedene Zellgrößen und Komponenten einsetzen, ähnliches gilt für Elektrolyseure. Wir berücksichtigen also die technologische Offenheit im H2-Bereich und konzipieren unsere Systeme so modular wie möglich.
H₂News: Was genau bieten Sie Kunden denn in Bezug auf Automatisierung an?
Morabito: Wir bieten Roboter, Vision-Systeme und KI-Lösungen. Hinzu kommen Engineering-Dienstleistungen in den Bereichen Design und Simultaneous Engineering. Wichtig ist auch unsere Software für Monitoring und Rückverfolgbarkeit – wir können alle Geräte während des Betriebs überwachen und sämtliche in einer Linie produzierten Teile nachverfolgen. Dies hilft bei der Qualitätssicherung und gibt volle Kontrolle über Ihre Produktion.
H₂News: Haben Sie ein interessantes Beispiel – etwa, wie viele Roboter für eine Brennstoffzellen-Fabrik benötigt werden?
Morabito: Für die Produktion von Brennstoffzellen-Stacks kann eine Linie etwa 20-30 Roboter umfassen. Die genaue Anzahl hängt vom Volumen und vom angestrebten Durchsatz ab. Ähnliches gilt für Vision-Systeme sowie Prüfanlagen für die Qualität des Endprodukts. Für mich ist immer die Flexibilität einer Automatisierungslösung entscheidend- zum Beispiel, um sie bei Bedarf schnell erweitern zu können.
H₂News: Wie ist es eigentlich bei Elektrolyseuren? Es handelt sich dabei ja um große Chemie-Anlagen aus mehreren Komponenten – kann man sie, ähnlich wie Autos, in einer Fabrik zusammenschrauben?
Morabito: Bei Brennstoffzellen ist es tatsächlich wie bei einem Auto – am Ende der Linie steht das fertige Produkt. Bei Elektrolyseuren ist es ähnlich für die Kernkomponenten. Die Balance of Plant (BoP) – also die peripheren Systeme – wird jedoch in der Regel separat gefertigt. Wir haben aber Lösungen, um auch die Montage der BoP zu automatisieren, sodass am Ende der Produktionslinie der gesamte Elektrolyseur in einem Container zusammengebaut und als Komplettpaket ausgeliefert werden kann.
H₂News: Brennstoffzellen und Elektrolyseure haben unterschiedliche Anforderungen an die Produktion. Wie passen Sie Ihre Automatisierungslösungen entsprechend an?
Morabito: Das stimmt, die Anforderungen unterscheiden sich deutlich. Unsere Roboterfamilie ist so konzipiert, dass sie verschiedene Traglasten bewältigen kann – sowohl kleine, präzise Komponenten . Wichtig sind auch unsere Vision-Systeme, die bei beiden Technologien für eine präzise Positionierung und Qualitätskontrolle sorgen. Wir passen unsere Lösungen nicht nur an das Produkt an, sondern auch an den Reifegrad des Herstellungsprozesses. Ein Kunde in der Pilotphase braucht flexible Systeme, die Änderungen zulassen, während bei etablierten Produkten der Durchsatz im Vordergrund steht.
H₂News: Lässt sich der Preisvorteil durch eine automatisierte Produktion in konkreten Zahlen ausdrücken?
Morabito: Grob gesagt können die Produktionskosten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Die genaue Einsparung hängt dann stark vom Produkt, dem Automatisierungsgrad und der Endanwendung ab. Der Markt ist ja sehr fragmentiert – Wasserstofftechnologien werden für stationäre Anwendungen, Mobilität und vieles mehr eingesetzt. Unabhängig vom jeweiligen Use Case ist aber klar: Günstigere H2-Technik ist langfristig nur mit automatisierten Produktionsverfahren zu haben.
H₂News: An welchem Punkt der Produktentwicklung sollte ein Kunde über Automatisierung nachdenken?
Morabito: Schon am Anfang des Designs. Je früher ein Entwickler mit einem Unternehmen wie uns zusammenzuarbeitet, desto besser kann er sein Produkt auf Automatisierungsmöglichkeiten überprüfen. Wenn Sie erst am Ende Ihres F&E-Prozesses über Automatisierung nachdenken, stellen Sie möglicherweise fest, dass Ihr Produkt nicht für die Serienfertigung geeignet ist – etwa weil bestimmte Komponenten nicht zugänglich sind, oder geeignete Flächen für die Stapelung fehlen. Ein Design-for-Automation-Ansatz stellt dagegen sicher, dass Ihr Produkt nach der Entwicklung leicht in die automatisierte Fertigung gehen kann.
H₂News: Wie wichtig ist der deutsche Markt für Sie als italienisches Unternehmen im Wasserstoffbereich?
Morabito: Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt, in dem wir seit langem präsent sind, unter anderem mit einem Standort in Köln. Viele Automobilunternehmen schwenken jetzt auf Batterien und andere Antriebsalternativen um, was interessante Möglichkeiten eröffnet.
H₂News: Sehen Sie unterschiedliche Ansätze in der Wasserstoffwirtschaft zwischen Italien, Frankreich und Deutschland?
Morabito: Ich denke, alle europäischen Länder verfolgen mittlerweile ähnliche Wasserstoffstrategien. Es gibt Länder, die früher begonnen haben, aber generell sehe ich das als ein europäisches Spiel, bei dem es darum geht, im Wasserstoffbereich wettbewerbsfähig zu bleiben. Natürlich hat jedes Land seine Besonderheiten – Italien kann beispielsweise viel Wasserstoff aus Nordafrika importieren und Deutschland hat eine große Industrie mit hohem Wasserstoffbedarf. Die Unterschiede basieren auf den jeweiligen Energieressourcen und dem Entwicklungsstand erneuerbarer Energien.
H₂News: Frau Morabito, vielen Dank für das Gespräch!
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