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H2-Filter: „Es darf nur noch 1 aus einer Milliarde Moleküle vorhanden sein”

Christian Soester, Produktmanager Brennstoffzelle bei Hengst Filtration, spricht im H2Talk über die extremen Reinheitsanforderungen in der Wasserstoff-Filtration, technische Herausforderungen, Marktentwicklungen und die Zukunft der H₂-Wirtschaft.

von | 24.10.25

Christian Soester, Produktmanager Brennstoffzelle bei Hengst Filtration ist seit über 10 Jahren bei dem Filtrationssystemhersteller tätig
© Hengst SE
H2-Filter: „Es darf nur noch 1 aus einer Milliarde Moleküle vorhanden sein”

H₂News: Herr Soester, Hengst ist traditionell stark in der Automobilfiltration. War der Einstieg in die Wasserstoffbranche eine Weiterentwicklung der bestehenden Kompetenzen oder haben Sie komplett neue Technologien entwickelt?

Christian Soester: Walter Hengst hat vor über 65 Jahren die ersten Filter für das Automobil produziert und wir hatten uns seitdem sehr stark auf die Automobilindustrie fokussiert. Vor einigen Jahren haben wir bewusst entschieden uns als Filtrationsspezialist auszurichten. Seitdem haben wir uns enorm weiterentwickelt, weswegen wir jetzt auch in industriellen Anwendungen stark sind. So können wir aus beiden Welten das Beste lernen und für unsere neuen Produkte nutzen. Zudem haben wir in unserem 2021 aufgebauten TechCenter die Vorentwicklung, das Prüffeld und die Patentabteilung themen- und marktübergreifend  zentralisiert. Dort werden die Produkte und Prozesse von morgen entwickelt. Hier ist sehr viel Wissen und Erfahrung für die neuen Anforderungen entstanden, von dem wir auch für die Filtration für die Wasserstofflandschaft profitieren können.

Ion Exchanger

Ion Exchanger (© Hengst SE)

H₂News: Wo liegen die größten technischen Unterschiede zwischen klassischen Filtern und H₂-spezifischen Lösungen?

Soester: Der klassische Filter für die Automobilindustrie muss vorwiegend partikuläre Bestandteile im Bereich Mikrometer filtern, damit z.B. Ventile oder fluidführende Kanäle – die stets kleiner und feiner werden – nicht verblocken. Für die H2-spezifischen Filter sind die zu filternden Bestandteile nochmal eine Nummer kleiner. Zum Beispiel muss der Kathodenluftfilter Schwefeldioxid im Bereich ppb – sprich es darf nur noch 1 Molekül in einer Milliarde Moleküle vorhanden sein – herausfiltern. Unser anderes Produkt, der Ionentauscher, entfernt kleinste Ionen aus dem Kühlmittel, damit die Leitfähigkeit des eingesetzten Kühlmittels so gering bleibt wie möglich. Das ist eine anderes Funktionsprinzip als die „klassische“ Flüssigkeitsfiltration. Genauso gut können wir aber Ideen aus den klassischen Produkten übernehmen. Zum Beispiel hat der Ionentauscher ein lebensdauerfestes Gehäuse und nur der „Filter“ – in diesem Fall die Kartusche mit dem Ionentauscherharz – wird getauscht. Als weiteres Beispiel haben wir unsere Expertise aus der Kurbelgehäuseentlüftung, in welcher mit speziellen Verfahren feinster Ölnebel aus dem Blowby-Gas von Verbrennungsmotoren abgeschieden wird, für den anodenseitigen Wasserabscheider genutzt, der dadurch sehr gute Wasserabscheideraten erreicht.

H₂News: Bei Brennstoffzellen sind die Reinheitsanforderungen extrem hoch – Ihr Kathodenluftfilter muss Schwefelgase und Ammoniak abscheiden. Wie kritisch sind bereits kleinste Verunreinigungen für die Lebensdauer einer Brennstoffzelle?

Soester: Kleinste Verunreinigungen führen teilweise zu reversiblen, aber mitunter auch irreversiblen Schäden im Stack der Brennstoffzelle. Wir haben Versuche an einzelnen Zellen durchgeführt, die einen Abfall der Spannung bei Luftgemischen, in dem die Schadgase zugemischt werden, deutlich gemacht haben. Mit unserem Durchbruchskurvenprüfstand können wir unsere Filter und Materialien untersuchen, ob und wie lange die Schadgase unter verschiedenen Temperaturen und Bedingungen aufgenommen bzw. adsorbiert werden – vom Rohmaterial – in dem Fall die Adsorbenz – bis zum System können wir so die beste Filterabstimmung für die jeweilige Anwendung entwickeln. Wir sind stolz darauf, was wir bisher an Wissen und Erfahrung erarbeitet haben.

H₂News: Wie hat sich der Markt für Wasserstoff-Filtrationslösungen bzw. die Nachfrage dafür in den letzten Jahren entwickelt?

Cathode Air Filter

Kathodenluftfilter Hengst SE)

Soester: Nach dem gefühlten „Hype“ im Jahr 2023 hat sich die Situation merklich abgekühlt. Der Erfolg der Wasserstoffanwendungen hängt direkt mit der Verfügbarkeit und dem Preis für Wasserstoff zusammen. Beide Faktoren haben noch nicht die Marktreife erzielt, um wettbewerbsfähig zu sein. Derzeit sehen wir jedoch fokussierte Aktivitäten im Bereich der Wasserstofferzeugung und der Infrastruktur, wie auch in der Brennstoffzellenentwicklung, weswegen ich überzeugt bin, dass in mittelfristiger Zukunft die Wasserstoffanwendungen wieder mehr Fahrt aufnehmen. So stellt cellcentric gerade seine neuste Generation der Brennstoffzelle vor und positioniert sich damit klar hinter diese Technologie.

H₂News: Welche Bereiche der Wasserstoff-Wertschöpfungskette decken Sie ab, und in welchen Anwendungsbereichen sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?

Soester: Wir können im Grunde die gesamte Wertschöpfungskette von der Herstellung über den Transport bis zur Endanwendung abdecken. Elektrolyseure benötigen Reinstwasser für die Herstellung von Wasserstoff, wo zum Beispiel unser Ionentauscher eingesetzt werden kann. Auch können wir spezifische Verunreinigungen, wie zum Beispiel Odoriermittel, aus dem Wasserstoff entfernen. Das Thema Carbon Capture and Utilization – in Kurzform genannt CCU – ist ein weiteres Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Für grünen Kraftstoff wird neben Wasserstoff auch nachhaltig produziertes CO2 benötigt. Dort stellen wir einer dynamisch wachsenden Industrie geeignete Filtrationslösungen zur Verfügung. Unsere Vor- und Hauptfilter tragen insbesondere für die DAC-Technik zu höheren Ausbeuten und längeren Standzeiten der Anlagen bei. Dafür haben wir eine Versuchsanlage aufgebaut, die zur Erprobung dieser Filter dient und wir so unsere Kunden wie Anlagenhersteller kompetent beraten und unterstützen können. Das passt prima zu unserem Motto „Purifying our planet“.

© Hengst SE

H₂News: Hengst ist international stark aufgestellt. Unterscheiden sich die H₂-Märkte regional?

Soester: Das ist korrekt, wir sind überall auf dem Globus vertreten. Neben unseren Standorten in Europa haben wir auch in Asien und Nord- und Südamerika produzierende Werke, weswegen wir einen guten Zugang zu den Märkten haben. Die angesprochene abgekühlte Stimmung ist aktuell überall zu spüren. Dennoch sind viele Aktivitäten in der Erzeugung von Wasserstoff und der Entwicklung von Systemen zu sehen. Es ist deutlich zu sehen, wie die unterschiedlichen geologischen und geopolitischen Gegebenheiten Unterschiede in den Ausrichtungen der Regionen führen – wir in Deutschland werden hauptsächlich Wasserstoff importieren, wohingegen Gegenden, in dem viel Sonne scheint und der Wind weht, eher exportieren oder den Wasserstoff selbst nutzen werden.

H₂News: Was ist aus Ihrer Sicht das größte Hindernis für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft?

Soester: Mit dem Ziel, eine globale Defossilierung zu erreichen, werden wir als Gesellschaft sicherlich nicht um das Molekül Wasserstoff herumkommen. Die Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff wird die Geschwindigkeit des Hochlaufs beeinflussen, dementsprechend benötigen wir neben günstigem Strom auch eine verlässliche Infrastruktur, um den Wasserstoff zu produzieren und verteilen. Smarte Förderprogramme und auch verlässliche, langfristig geltende gesetzliche Rahmenbedingungen sind hierfür hilfreich. Grundsätzlich bin ich sehr zuversichtlich, dass wir einen Hochlauf und Erfolg des Wasserstoffs als nachhaltigen Energieträger sehen werden.

H₂News: Herr Soester, vielen Dank für das Interview!

 

Mehr über die Hengst-Filtration für Brennstoffzellen

 

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