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„Ich bin optimistisch, dass die Kosten für Wasserstofftechnologie erheblich sinken werden“

Phoenix Contact ist seit 1923 im Bereich der Elektrotechnik und später Elektronik tätig. In Blomberg betreibt das Unternehmen sogar einen "All Electric Society"-Park. Doch auch im Wasserstoff-Markt ist Phoenix Contact zunehmend aktiv. Wir haben mit Thomas Oesselke gesprochen, um mehr über die Rolle des Unternehmens in der Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu erfahren.

von | 10.04.25

Der studierte Physiker Thomas Oesselke ist seit 25 Jahren bei Phoenix Contact beschäftigt. Seit 2022 fokussiert er sich dort auf das Business Development im Power-to-X-Bereich
© Phoenix Contact
Oesselke

H₂News: Herr Oesselke, in welchem Segment der Wasserstoff-Wertschöpfungskette ist Phoenix Contact aktiv?

Thomas Oesselke: Wasserstoff ist ein zentraler Bestandteil unseres Power-to-X-Portfolios. Allerdings betrachten wir ihn nicht von der Molekül- sondern von der Elektronik-Seite: Wir sind an zahlreichen Wasserstoffprojekten beteiligt, bei denen wir uns um die elektrische Balance of Plant kümmern, z.B. bei Elektrolyse- oder Brennstoffzellensystemen.

H₂News: Was bedeutet das genau?

Oesselke: Letztendlich wollen wir Betreibern von Wasserstoffsystemen alles bereitstellen, damit sie ihre Applikation optimal und sicher betreiben können: Vom Anschlussstecker über die Systemverkabelung und Signalaufbereitung bis hin zur übergreifenden Automatisierungs- und Netzwerktechnik. Dabei bieten wir nicht nur einzelne Produkte an, sondern auch individuelle Lösungen für die funktionale Sicherheit oder die Cybersecurity einer Anlage.

H₂News: Beginnen wir beim Elektrolyseur. Welche Komponenten stellen Sie hier bereit?

Oesselke: Ein wichtiges Produkt sind Gleichrichter. Ursprünglich hatten wir 19-Zoll-Module für E-Fahrzeugladesäulen entwickelt, die Wechselstrom in Gleichstrom umwandeln. E-Auto-Akkus laden mit Gleichstrom nämlich schneller auf als mit Wechselstrom. Nun ist es so, dass auch Elektrolyseure Gleichstrom benötigen. Wir haben festgestellt, dass sich dieselben Module sehr gut für eine Reihe von Elektrolyseanwendungen eignen. Mit den Bauteilen lassen sich hierfür Gleichrichterlösungen bauen, die sehr wartungsfreundlich sind – man kann einzelne Module bei Bedarf austauschen oder ergänzen. Ein weiterer Vorteil: Mit erneuerbaren Energien arbeitet man selten unter Volllast. Durch die Modularität können wir einzelne Elemente gezielt abschalten, um die restlichen im optimalen Arbeitspunkt zu betreiben.

Oesselke

Für die Gleichstromleistungselektronik stehen komplette Lösungen bereit, zum Beispiel auf Basis der Leistungsmodule Charx Power (© Phoenix Contact)

H₂News: Welche H2-Anwendungen spielen für Sie noch eine Rolle?

Oesselke: Zum Beispiel Brennstoffzellen. Wir haben mittlerweile Kunden, die Notstromlösungen auf Wasserstoffbasis bauen. Früher hat man Dieselgeneratoren genutzt, heute wird zunehmend auf Wasserstoff in stationären Brennstoffzellen gesetzt. Diese haben den Vorteil, dass sie leise sind und kein CO2 produzieren. Besonders effizient wird es, wenn man sie mit Wasserstofftanks und einer kleinen Elektrolyseanlage kombiniert, die mit PV oder Windstrom betrieben wird. Damit hat man quasi ein autarkes Energiesystem, das den Brennstoff vor Ort erzeugt. Wir haben einen Kunden in Australien, der durch diese Kombination die Logistikkosten einspart, die bei einer dieselbasierten Insellösung anfallen würden. Auch in Deutschland stellen Kunden inzwischen ihre Netzersatzanlagen von Diesel auf Wasserstoff um. Und um solche Anlagen ohne vor Ort zu sein überwachen und warten zu können, bieten wir mehrere Lösungen zur Ferndiagnose und -steuerung an. 

H₂News: Beim Thema Fernzugriff kommen wir unweigerlich zur IT-Sicherheit. Wasserstoffanlagen könnten ja durchaus zur kritischen Infrastruktur gehören. Wie stellen Sie die Security der Anlagen sicher?

Oesselke:  Wir bieten neben einer cloudbasierten Fernwartungssoftware auch ein entsprechendes Produktportfolio mit eigenen Routern und Firewalls an. Diese ermöglichen dem Kunden, eine Verbindung so abzusichern, dass nur autorisiertes Personal auf die Systeme zugreifen kann. Das Thema Cybersecurity gewinnt vor dem Hintergrund von CRA und NIS-2 natürlich an Bedeutung – einleuchtend, wenn man zum Beispiel den Einsatz von Brennstoffzellensystemen als Notstromaggregate betrachtet.

H₂News: Auch die physische Anlagensicherheit ist ein wichtiger Faktor beim hochexplosiven Wasserstoff-Gas. Was sind die derzeit wichtigsten Trends in diesem Segment?

Oesselke: Bei jeder Art von Anlagenbau muss für die Anlagensicherheit gesorgt und Applikationen auf potenziell gefährliche Zustände geprüft werden. Die wichtigsten Fragen bei Wasserstoffanwendungen sind: Wo können hohe Temperaturen entstehen, und wo kann durch zu hohen Druck etwas bersten oder eine Leckage auftreten? Zur Beantwortung dieser Fragen haben wir spezielle Sicherheitstechnik zur Auswertung von Sensoren entwickelt, die gefährliche Zustände detektieren und die Anlage bei Bedarf abschalten.

Oesselke

Das Safety-Portfolio umfasst SIL-zertifizierte Komponenten und Steuerungstechnik sowie umfangreiche Dienstleistungen (© Phoenix Contact)

H₂News: Demnach ist Wasserstoff beherrschbar?

Oesselke: Absolut. Die typischen Stichworte, die ich im Zusammenhang mit dem Gas höre, sind “Wasserstoffbombe” oder der Verweis auf die “Hindenburg”. Die Technologie ist aber beherrschbar, man muss sich damit beschäftigen, die möglichen Gefährdungen kennen und wissen, wie man damit umgeht. Das ist technisch keine Raketenwissenschaft und lässt sich sicher umsetzen.

H₂News: Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie Sie diese Sicherheitsherausforderungen in der Praxis lösen?

Oesselke: Im einfachsten Fall kann dies durch Sicherheitsrelais gelöst werden. Bei komplexeren Systemen muss man auf Steuerungslösungen zurückgreifen. Das ist in der Regel der Fall, wenn nicht nur ein plötzliches Auftreten eines Gaslecks oder eine Übertemperatur überwacht werden muss, sondern auch zeitliche Entwicklungen eine Rolle spielen – zum Beispiel, wenn der Druck nicht innerhalb einer bestimmten Zeit um einen bestimmten Wert abfallen darf. Zudem ist wichtig, dass man das Ganze nicht nur mit Produkten abdecken kann, sondern ebenfalls über das entsprechende Know-how verfügt. Unsere zertifizierten Kollegen führen mit dem Kunden eine Risikobetrachtung durch und erarbeiten dann ein Gesamtkonzept. Bei Bedarf können wir auch die Automatisierungssoftware für den Sicherheitspart als Dienstleistung schreiben.

H₂News: Können Sie mehr zu dieser Automatisierungssoftware sagen?

Oesselke: Unsere Automatisierungsplattform PLCnext Technology wurde konzipiert, um dem Kunden ein komplett offenes Automatisierungssystem zur Verfügung zu stellen. Dieses zeichnet sich vor allem durch eine hohe Modularität aus: Es gibt verschiedene Steuerungsleistungsklassen, die je nach Rechenbedarf eingesetzt werden. Ergänzt wird das Ganze durch die notwendigen Ein- und Ausgabemodule. Wir decken nicht nur Standardsignale ab, sondern auch die funktionelle Sicherheit und ATEX-zugelassene Lösungen für explosionsgefährdete Bereiche. Es ist also ein hybrides System, das neben der Standard- auch die Sicherheitsautomatisierung übernimmt.

Oesselke

Schaltschrank eines Elektrolyseurs mit der Steuerung PLCnext Control AXC F 2152 sowie Erweiterungsmodulen Smart Elements und einem Ex-Modul plus Einspeisemodulen der Produktfamilie MACX-MCR (© Phoenix Contact)

H₂News: Decken Sie immer beide Bereiche zusammen ab?

Oesselke: Nein, da sind der Anwendungsfall und die Ansprüche des Kunden entscheidend. Manche Kunden wünschen einen hybriden Ansatz, bei dem sie mit einer Steuerung sowohl Sicherheits- als auch Nicht-Sicherheitssignale abdecken. Andere, wie ein Kunde im Marinebereich, benötigen eine strikte hardwaretechnische Trennung. Da wir auf die gleiche Plattform zurückgreifen, sind eine Vernetzung und ein Datenaustausch einfach möglich.

H₂News: Ein häufiger Kritikpunkt an Wasserstofftechnologie ist der vergleichsweise niedrige Wirkungsgrad. Wie entgegnen Sie diesem Argument mit Ihrer elektrotechnischen Expertise?

Oesselke: Wenn ich die komplette Kette betrachte – vom Strom aus einer PV-Anlage über die Umwandlungen zurück zum Strom –, dann bleibt im optimalen Fall die Hälfte übrig. Aber man muss auch fragen: Was ist die Alternative? Heute werden in Deutschland massenhaft PV- und Windkraftanlagen abgeregelt, und die Betreiber müssen dafür kompensiert werden. Das ist sehr teuer. Deutlich effizienter wäre es, diesen Überschussstrom zu nutzen – selbst mit einem schlechteren Wirkungsgrad –, um ihn als Wasserstoff direkt in der Industrie zu verwenden oder über Brennstoffzellen rückzuverstromen. Die Diskussion um den Wirkungsgrad ist also mit Vorsicht zu betrachten.

H₂News: Sehen Sie Parallelen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien?

Oesselke: Definitiv. Ich vergleiche die Entwicklung beim Wasserstoff gerne mit der Situation bei der Photovoltaik vor 20-25 Jahren. Damals war ich bei Phoenix Contact im Solar-Bereich aktiv, und das Thema wurde belächelt. Viele sagten, dass sich die teuren Module niemals rechnen würden. Dann sind die Skaleneffekte aufgetreten, die Preise gesunken, und heute ist es die günstigste Energieform überhaupt. Ich bin optimistisch, dass auch die Kosten für Wasserstofftechnologie erheblich fallen werden.

H₂News: Phoenix Contact nutzt konsequent den Begriff “Power-to-X”, statt nur von Wasserstoff zu sprechen. Wie kommt es dazu?

Oesselke: Auf jeden Fall. Das macht mit Blick auf große Leitungssysteme wie den European Hydrogen Backbone (EHB) durchaus Sinn. In Ländern wie Spanien oder Frankreich analysieren Netzbetreiber schon heute, welche Produzenten und Konsumenten am EHB hängen werden und wie viel Wasserstoff darüber nach Deutschland kommen wird. Theoretisch könnte man über H2 Digital auch dort eine Abfrage starten. Seit November 2024 betreiben wir bereits die digitale Plattform des H2med-Konsortiums in Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland.

H₂News: Wie beurteilen Sie Deutschlands Strategie beim Thema Wasserstoff?

Oesselke: Deutschland wird der größte Wasserstoffverbraucher Europas sein, daher ist in der deutschen H2-Strategie der Import mit konkreten Zahlen verankert. Ich hoffe aber auf eine europaweite Zusammenarbeit. Wir müssen die Infrastruktur ertüchtigen, um den Wasserstoffverbrauch und damit auch das -angebot anzukurbeln. Dies führt auf der Produktseite zu Skaleneffekten und Kostenreduktion, die uns im Vergleich zu Anbietern aus China oder den USA konkurrenzfähig macht. Mehr Pragmatismus, weniger Regulierung – das muss die Ansage sein.

H₂News: Herr Oesselke, vielen Dank für das Gespräch!

Zum Unternehmens-Podcast „Elektrisiert”. Folge 5 beschäftigt sich mit dem Thema „Power-to-X“. Mehr zum Thema Power-to-X bei Phoenix Contact

 

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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