H₂News: Herr Bauerkämper, welche Rolle spielt ihrer Meinung nach Wasserstoff für die Energieversorgung der Zukunft?
Dirk Bauerkämper: Wasserstoff wird ein zentraler Baustein der zukünftigen Energieversorgung sein, insbesondere im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele. Ohne grünen Wasserstoff ist eine Netto-Null-Emission nicht möglich. Bis 2030 wird deshalb grüner Wasserstoff gegenüber grauem Wasserstoff erheblich an Bedeutung gewinnen. Er wird insbesondere für die Energiebedarfe eine entscheidende Rolle spielen, die schwer oder gar nicht elektrifiziert werden können, wie etwa in der Zement-, Stahl- und chemischen Industrie, im Schwerlast- und Schienenverkehr sowie in der Schifffahrt. Die Frage ist nicht, ob Wasserstoff kommen wird, sondern wann die relevante Beschleunigung einsetzt.
H₂News: Was sind die größten Herausforderungen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft?
Herr Bauerkämper: Zu den größten Herausforderungen zählen meiner Meinung nach unsichere Regulierungen und eine fehlende Wasserstoff-Transportinfrastruktur. Hinzu kommt, dass die Produktionskosten aktuell steigen, anstatt zu sinken. Wir reden hier von einer Kostensteigerung von etwa 10 % gegenüber 2021. Außerdem setzen fehlende bindende Abnahmeverträge den Projekten Grenzen. Daher gibt es bislang nur wenige realisierte Großprojekte, die als Leuchttürme fungieren könnten.
H₂News: Welche Wasserstoffprojekte finden Sie persönlich besonders spannend?
Herr Bauerkämper: Besonders spannend finde ich die Großprojekte zur Offshore-Wasserstofferzeugung mittels Windenergieanlagen auf See. Sie sind technisch und kommerziell herausfordernd, bieten aber auch große Chancen. Auch Projekte und Verfahren zur bidirektionalen Umwandlung sind sehr vielversprechend. Hierbei wird durch Elektrolyse grüne Energie in Wasserstoff, oder umgekehrt, im Brennstoffzellen-Modus grüner Wasserstoff oder Biogas in elektrische Energie umgewandelt. Das Ganze erfolgt mit denselben SOEC-Stacks im Hochtemperatur-Verfahren.
H₂News: Wo ist die Weidmüller-Gruppe im Wasserstoffsegment aktiv? Können Sie uns konkrete Projekte nennen?
Herr Bauerkämper: Die Weidmüller-Gruppe ist in den Bereichen Elektrotechnik, Automation und Digitalisierung für Elektrolyseur- und Brennstoffzellenhersteller sowie in der Wasserstoff-Infrastruktur tätig. Wir arbeiten an zahlreichen Kundenprojekten mit führenden Unternehmen, jedoch fast ausschließlich unter Vertraulichkeit. Beispiele für öffentlich bekannte Projekte sind das IWES-Projekt in Bremerhaven und das Projekt AquaVentus. Bei Letzterem ist Weidmüller Gründungsmitglied.
H₂News: Wieso ist das Stack-Monitoring so wichtig für Elektrolyseure, und welchen Ansatz verfolgen Sie hier konkret?
Herr Bauerkämper: Den Zustand und die Performance der Stacks zu kennen, ist entscheidend, da die Stacks das Herz der Elektrolyseure sind. Bei der Weidmüller-Gruppe verfolgen wir beim Stack-Monitoring zwei Ansätze: Zum einen die Einbindung der gewonnenen Daten in die Regeltechnik vorangehender oder folgender Anlagenteile. Diese Methode hat die Steigerung der Gesamteffizienz des Elektrolyseurs zum Ziel. Zum anderen bieten wir Analytics für vorausschauende Wartung und bessere Service-Planbarkeit an. Kurzfristig hilft dieses die Betriebskosten zu reduzieren. Langfristig treibt es die Optimierung nachfolgender Elektrolyse-Anlagengenerationen voran, indem bisherige Schwachstellen erkannt und gezielte Verbesserungen durchgeführt werden können.