H₂News: Frau Peters, wie wichtig ist grüner Wasserstoff für Neuman & Esser?
Stefanie Peters: Sehr wichtig. Wir bei Neuman & Esser beschäftigen uns schon seit rund 100 Jahren mit Wasserstoff in den klassischen Anwendungen der Öl- und Gasindustrie, aber vor rund 10 Jahren haben wir uns entschieden, das H₂-Geschäft massiv auszubauen. 2015 haben wir dazu die Firma Hofer Hochdrucktechnik hinzugekauft und im Jahr 2020 die Firma Hytron, die PEM-Elektrolyseure und Dampfreformer baut. Zudem haben wir eine Gesellschaft gegründet, die sich um Projektentwicklung, Zertifizierung und Wasserstoffhandel kümmert. Damit können wir nun in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette nicht nur alle Komponenten liefern, sondern auch aufeinander optimieren.
H₂News: Und wie hoch ist die Nachfrage für Ihre H₂-Produkte?
Peters: 2023 kamen rund 40 % aller Anfragen aus dem grünen Wasserstoffbereich, 2024 waren es sogar über 50 %. Unser klassisches Geschäft ist dabei sehr spezifikationsgetrieben, also engineered to order. Für viele Anwendungen in der grünen Wasserstoffwirtschaft dürfte es mittelfristig aber eine Entwicklung hin zu deutlich mehr Standardisierung geben – beispielsweise in der Mobilität. Deswegen beteiligt sich Neuman & Esser an einem IPCEI-Projekt, bei dem wir eine Kombination aus Elektrolyseur, Kompressor und H₂-Speicher für Tankstellen entwickeln.
H₂News: Liegen wir beim Aufbau der Infrastruktur gut in der Zeit?
Peters: Ich bin mir da nicht so sicher. Man vergisst schnell, wie lange einzelne Prozesse dauern. Einen großen Verdichter herzustellen, nimmt schonmal 12 bis 15 Monate in Anspruch – von der Inbetriebnahme sowie den Planungs- und Genehmigungsverfahren ganz zu schweigen. Hinzukommt, dass die notwendigen Produktionskapazitäten noch nicht ausreichend vorhanden sind. Wenn die Bundesnetzagentur den Entwurf für das Kernnetz final bestätigt, müssen alle Verdichterstationen, die aktuell im Erdgasnetz vorhanden sind, ersetzt werden. Um die hierfür erforderlichen Verdichter herzustellen, braucht es neue Produktionskapazitäten: Die bestehenden sind nämlich ausgelastet.
H₂News: Investieren sie angesichts dieser in absehbarer Zeit wachsenden Nachfrage in neue Produktionskapazitäten?
Peters: Ja, wir wollen nochmal in unseren Standort investieren. Momentan boomt nicht nur das grüne Geschäft, sondern auch das traditionelle Geschäft mit Kunden aus der Öl- und Gasindustrie. Unsere Verdichter sind die gleichen, ob sie nun grauen oder grünen Wasserstoff verdichten. Wir sind aber nicht der einzige Lieferant von Komponenten für z. B. das Kernnetz; auch andere Produktionskapazitäten müssen erweitert werden – und das erfordert viel Zeit und Geld.
H₂News: Inwiefern unterscheiden sich die Projekte im Wasserstoffbereich von Ihrem klassischen Geschäft?
Peters: Die Projektdauer ist deutlich länger. Bis man eine Final Investment Decision (FID) bekommt, vergeht also wesentlich mehr Zeit. Im Moment erhalten nur 7 % aller grünen Wasserstoffprojekte überhaupt eine FID. Das liegt daran, dass die Projekte in der Regel nicht bankable sind, man sie also nicht über eine Bank finanzieren kann. Auch die großen Investment Fonds halten sich zurück, da H₂-Projekte in den Bereich Venture Capital fallen.
H₂News: Das führt zu einem typischen Henne-Ei-Problem.
Peters: Genau: Um einen Investor für ein H₂-Projekt zu finden, muss man Abnehmerverträge zu einem fixen Verkaufspreis vorweisen können. Allerdings weiß niemand, wie teuer der Wasserstoff am Ende sein wird – unter anderem, weil wir noch nicht beurteilen können, wie sich der Strompreis entwickelt. Ein potenzieller Finanzierer möchte aber einen ausgearbeiteten Business Plan sehen. Diesen vorzulegen, ist im Wasserstoff-Bereich schwierig, da sich die Rahmenbedingungen laufend ändern.
H₂News: Welche politischen Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht förderlich, um dieses Dilemma aufzulösen?
Peters: Unserer Überzeugung nach wäre es am wichtigsten, mithilfe staatlicher Förderung die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen der fossilen und der grünen Energie zu schließen. Dafür könnte man ein fixes Zeitfenster ansetzen, etwa zehn Jahre, in denen Anreize für die Wasserstoffnutzung geschaffen werden. Unternehmen wie Neuman & Esser würde das deutlich mehr nutzen als Kredite für den Aufbau einer industriellen Produktion. Als Familienunternehmen ist Neuman & Esser bereits sehr kapitalstark – mit einem zusätzlichen Kredit ist uns also nicht geholfen. Viel wichtiger wäre es, unsere Kunden bei der Nutzung von Wasserstoff zu unterstützen.
H₂News: Lässt sich das an einem Beispiel konkretisieren?
Peters: Nehmen Sie einen Glashersteller, der von einer erdgasbetriebenen Wanne auf eine Wasserstoffwanne umstellen will. Ein solches Unternehmen hat Investitionszyklen von mindestens 20 Jahren. Wenn es sich nicht jetzt für eine wasserstoffbetriebene Wanne entscheidet, nutzt es für die nächsten 20 Jahre weiterhin Erdgas. Die Entscheidung wird aber durch viele Unklarheiten erschwert: Erstens weiß das Unternehmen nicht, ob ausreichend grüner Wasserstoff vorhanden sein wird, und zweitens gibt es die Wirtschaftlichkeitslücke, da Wasserstoffnutzung teurer ist als Erdgas. Wenn diese Lücke nicht geschlossen wird, investiert der Glashersteller nicht. Der größte Wettbewerber des grünen Wasserstoffs ist daher die fossile Energie.
H₂News: Was halten Sie von Mechanismen wie CO2-Zertifikaten, die diesen Wettbewerbsnachteil des grünen Wasserstoffs ausgleichen sollen?
Peters: CO2-Zertifikate und Nachweise über den CO2-Fußabdruck von Produkten sind sinnvoll. Immer mehr Kunden fragen danach, welchen CO2-Rucksack ein Produkt inklusive Fertigung und Transport mitbringt. Am Ende stehen wir aber im internationalen Wettbewerb, und wenn wir für die heimische Industrie keine Lösungen finden, um die Wirtschaftlichkeitslücken von Wasserstoffsystemen zu schließen, wird man zwangsläufig dorthin gehen müssen, wo die Wasserstoff-Anwendung stattfindet.
H₂News: Wäre also eine CapEx- oder eine OpEx-Förderung wichtiger?
Peters: CapEx-Förderung ist gut, aber letztlich wird niemand eine CAPEX-Förderung annehmen und in Wasserstoffsysteme investieren, wenn er mit seinen Anlagen später jedes Jahr im Betrieb Verluste einfährt. Deswegen sind OPEX-Förderung und das Schließen der Wirtschaftlichkeitslücke entscheidender. Nur so können wir endlich Anlagen im industriellen Maßstab bauen und die Produktionskapazitäten hochfahren. Dies führt dann zu Kostendegression für Elektrolyseure und andere Komponenten über Skaleneffekte.
H₂News: Wie weit sind Sie denn mit dem Aufbau einer Serienfertigung?
Peters: Bei den Hochdruckverdichter für die Mobilität kommen wir aus der Einzelfertigung und sind dabei, standardisierte Lösungen zu entwickeln, die in Kombination mit der Elektrolyse funktionieren. Bei der Elektrolyse entwickeln wir seit Längerem solche Standards und sind relativ weit fortgeschritten. Allerdings lassen sich Standards nur final setzen, wenn die Anlagen auch in entsprechenden Projekten eingesetzt werden.
H₂News: Dabei kommt erschwerend hinzu, dass Wasserstoffprojekte grundsätzlich aus mehreren Anlagenkomponenten bestehen, für die allesamt noch Standardisierungen fehlen.
Peters: Genau dieses Thema gehen wir in Zukunft im Rahmen des IPCEI Hy2Move an. Darin entwickeln wir ein sogenanntes ECSS, also ein aufeinander abgestimmtes Elektrolyseur-Kompressor-Speicher-System. Wasserstoff muss in der Regel auf einen sehr hohen Druck verdichtet werden, damit man ihn vertanken oder speichern kann. Daher wird sich unsere Lösung speziell für die dezentrale Wasserstoffproduktion in regionalen H₂-Clustern eignen.
H₂News: Wie kommen Sie mit der Entwicklung ihrer ECSS voran?
Peters: Die Kompressoren müssen wir nicht optimieren, denn wir haben hier bereits über 100 Jahre Erfahrung. Das Entscheidende ist die Optimierung der Schnittstellen der einzelnen Komponenten – und damit des Gesamtsystems. Unsere Kunden wollen nicht Kompressor, Elektrolyseur und Speicher einzeln steuern, sondern alles in einem ganzheitlichen System. Dieses werden wir, wenn die IPCEI-Förderung kommt, in den nächsten drei Jahren in unseren Projekten entwickeln und mit Prototypen validieren. Dieses Wissen können wir dann wieder für regionale Projekte nutzen, bei denen Elektrolyse, Kompression und Speicherung verschaltet werden müssen.
H₂News: Die wichtigsten Kunden dieses integrierten Systems werden also Betreiber von Wasserstofftankstellen sein?
Peters: Genau. An das Gesamtsystem müssen quasi nur noch Zapfsäulen angeschlossen werden – und auch die können wir integrieren. Allerdings ist der Fokus von Neuman & Esser nicht allein die Mobilität oder der Anlagenbau. Es ist nur so, dass die Fördermechanismen für die Anwendung von Wasserstoff auf die Mobilität fokussiert waren bis Mai dieses Jahr. Das ist auch der Sektor, der den höchsten Wasserstoffpreis zu zahlen bereit ist. Aktuell kostet das Kilo bis zu 17,75 € – eine Parität zum Diesel gäbe es bei einem Kilopreis von 7,20 Euro. Dennoch sind H₂-Mobilitätsliebhaber bereit, diesen Preis zu zahlen. Industrieprozesse würde bei diesem Preis aber niemand auf Wasserstoff umstellen.
H₂News: Dabei ist die Industrie für mindestens 25 Prozent aller Emissionen verantwortlich.
Peters: Genau. Bei den Industriebetrieben nehmen wir auch ein entsprechendes Interesse wahr. Viele treten an uns heran und fragen, wie sie ihre Erdgasprozesse auf Wasserstoff umstellen können. Allerdings fehlt diesen Unternehmen der Handlungsrahmen: Es ist unklar. wie sich Verfügbarkeit und Preise entwickeln werden. Aus diesem Grund sind regionale Cluster sinnvoll, um deren Planung und Entwicklung wir uns mit unserer Projektentwicklungsgesellschaft kümmern. Die Cluster geben Impulse für den Aufbau von Wertschöpfungsketten in Deutschland und unterstützen dabei die Klima-Ziele der EU. Im Wasserstoffrat haben wir ein Papier verfasst, das die Vorteile von regionalen Clustern aufführt und die Hürden benennt, die entsprechenden Investitionen im Weg stehen.
H₂News: Was macht solche Cluster aus?
Peters: Ihren Kern bildet ein Zusammenschluss mehrerer Wasserstoff-Abnehmer. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, etwa den Energiehafen Gelsenkirchen. Dort haben sich 150 Unternehmen zusammengetan, um eine lokale Infrastruktur zur Wasserstoffproduktion aufzubauen und ihre Region an das überregionale H₂-Netz anzuschließen. Solche Initiativen zeigen, dass die deutsche Industrie der Transformation positiv gegenübersteht. Deswegen ist es wichtig, sie dabei zu unterstützen – und zwar nicht mit CAPEX-, sondern OPEX-Förderung. Wenn es Anwender gibt, lohnen sich auch Investitionen in die Wasserstoffproduktion
H₂News: Kürzlich hat Neuman & Esser mit Messer Industriegase in Jülich den Spatenstich für eine Elektrolyseanlage mit 10 MW Kapazität gesetzt. Ist das Projekt in Jülich ebenfalls ein Beispiel für regionale H₂-Cluster?
Peters: Ja. In seiner zweiten Ausbauphase sollen dort eine Wasserstofftankstelle installiert und die Elektrolyse-Kapazität ausgebaut werden. Der Kreis Düren ist sehr innovativ und nimmt beim Thema Wasserstoff eine Vorreiterrolle ein. Solche Leuchtturmprojekte sind entscheidend, da man hier eine lokale H₂-Infrastruktur aufbaut und Behörden und Betrieben damit zeigt, dass es funktioniert – und gleichzeitig praktische Erfahrungen im Alltagsbetrieb sammelt.
H₂News: Unter dem Namen H2HS verfolgen Sie im Kreis Heinsberg ein ähnliches Projekt.
Peters: Genau. Da gehen wir sogar einen Schritt weiter, indem wir die Wasserstofftankstelle direkt an einer 2-MW-Elektrolyse installieren und dem ÖPNV zugänglich machen. Das Projekt wurde von unserer eigenen Gesellschaft mitentwickelt. Sie hat sich um die Standortsuche, die Finanzierung und die Gründung einer Projektgesellschaft gekümmert, der wir wiederum angehören. So können wir einen Teil der Finanzierung übernehmen. Die Anlage liegt zudem direkt an einem Industriepark, sodass wir mehrere Abnehmerstränge verbinden können. Wir denken zudem über die lokale Nutzung von Sauerstoff und Abwärme nach.
H₂News: Sind die H₂-Tankstellen sowas wie der Kickstarter, um die H₂-Wirtschaft lokal zu verankern und ins Rollen zu bringen.
Peters: Es muss nicht zwingend die Mobilität sein: Welcher Wirtschaftszweig den ersten Schritt macht, ist im Grunde egal. Wichtig ist, dass es einen sicheren Abnehmer gibt, wodurch sich der Aufbau einer lokalen H₂-Infrastruktur lohnt. Dies erleichtert anderen Unternehmen dann die Planung: Auf einmal ist grüner Wasserstoff für sie verfügbar, sodass sie sich überlegen können, ob die Nutzung für sie in Frage kommt.
H₂News: Welche Erfahrungen haben Sie bei der Genehmigung durch die Behörden gemacht?
Peters: Die Behörden in Düren und Heinsberg waren sehr kooperativ. Grundsätzlich ist das Problem aber, dass das Personal einfach nicht für den Umgang mit Wasserstoff geschult ist. Daher will niemand der erste sein, der eine neue H₂-Anlage genehmigt. Auch für Unternehmen schafft der Genehmigungsprozess nach dem BIMSCH-Verfahren große Hürden und erhöht das Risiko, in einen Pre-Invest zu gehen. Um eine FID treffen zu können, müssen die Projekte oberhalb der Bagatellegrenze ja immer erst ein BIMSCH-Verfahren durchlaufen haben. Wir hatten bisher immer das Glück, dass die Bezirksregierung sehr offen für unsere Projekte war.
H₂News: Sollte das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz hier nicht Abhilfe schaffen, indem das Verfahren für kleine Elektrolyseure entfällt?
Peters: Das ist grundsätzlich richtig, allerdings fehlt es den Ämtern eben an geschultem Personal. Darüber hinaus braucht ein Elektrolyseur immer auch einen Kompressor und einen Speicher – und dieser Speicher erfordert ab einer gewissen Größe wiederum ein BIMSCH-Verfahren, selbst wenn der Elektrolyseur keines braucht. Eine Komponente der Gesamtanlage definiert das Verfahren, das diese durchlaufen muss. Dadurch wird die Gesamtplanung sehr zeit- und geldintensiv, auch, da unterschiedliche Behörden im Spiel sind.
H₂News: Sie sind durch Ihre Mitgliedschaft im Nationalen Wasserstoffrat gut mit der Politik vernetzt. Welche Rückmeldung erhalten Sie, wenn Sie dort von ihren Erfahrungen aus der Praxis berichten?
Peters: Nun, mit dem NWR formulieren wir diese Punkte durchaus, so wie viele Fachverbände wie der DWV oder der VDMA es tun. In den fertigen Gesetzen spiegelt sich auch oft das ein- oder andere wider. Was für uns als Nichtpolitiker immer wieder zu Erstaunen führt, ist die unendliche Zähigkeit der Prozesse. Es dauert einfach alles so lange. Als Unternehmer wünscht man sich da oft mehr Pragmatismus. Den sehen wir in anderen Ländern, während wir in Deutschland zu einem gewissen Perfektionismus neigen und alles bis zur letzten Schraube durchplanen wollen, bevor der erste Schritt getan ist.
H₂News: Welche Länder sehen Sie als Vorbild in Sachen H₂?
Peters: China und die USA, aber auch Chile oder die Niederlande. Auch in Frankreich oder in Großbritannien hat man uns bei der Umsetzung mittlerweile überholt. Wir freuen uns über Projekte wie in Jülich oder Heinsberg, wo wirklich investiert wird. Laut dem Wasserstoffatlas gibt es inzwischen über 200 solcher Vorhaben in Deutschland. Das ist wunderbar, aber aus meiner Sicht fehlt es an einer langfristigen, übergreifenden Netzplanung, die zeigt, wo zur Entlastung des Netzes Elektrolyseure platziert werden müssen und wo große Produktions- und Nachfragezentren mit entsprechenden Speicherbedarfen entstehen.
H₂News: Wie ist Neuman & Esser international aufgestellt?
Peters: Wir betreiben in elf Ländern eigene Standorte, von denen aus wir weitere Länder bedienen. In manchen haben wir zusätzliche Reparaturzentren, um den Kunden eine Service-Infrastruktur in der Nähe anbieten zu können. Unsere Verdichter bilden oft die Kernkomponente ihres jeweiligen Systems – ob in einer Raffinerie, einem Kraftwerk oder einem Metallbetrieb – und wenn sie ausfallen, steht das gesamte System still.
H₂News: Ihre Produktion erfolgt aber in Deutschland.
Peters: Exakt, im Moment produzieren wir unsere Kernkomponenten ausschließlich in Deutschland. Das ist aus vielen Gründen schon immer unsere Philosophie gewesen, etwa weil wir hier hervorragende Fachkräfte haben. Sollten die Anwendungsfälle aber nicht mehr in Deutschland sein, könnte eine Internationalisierung der Fertigung notwendig werden. Ein Grund sind Local Content Requirements, die in Ländern wie China, Indien und den USA vorgeben, dass bis zu 70 % der Wertschöpfung lokal erfolgen müssen. Deswegen brauchen wir eine Industriepolitik, die dafür sorgt, dass Ausschreibungen hierzulande regional erfolgen – und nicht immer preisgetrieben und international.
H₂News: Wie fällt angesichts der vielen Herausforderungen Ihre Prognose bezüglich der Zukunft des Wasserstoffhochlaufs in Deutschland aus? Die Bundesregierung plant ja mit 10 GW Produktionskapazität bis 2030 – aktuell sind es nur rund 150 MW.
Peters: Es ist immer gut, ein hochgestecktes Ziel zu haben – auch wenn man es nicht ganz erreichen kann. Mittlerweile ist wohl allen klar, dass wir einen sehr hohen Anteil an Wasserstoffimporten brauchen, weil wir nicht genügend inländische Produktionskapazitäten aufbauen werden. Trotzdem sollten wir deren Potenzial zu einem Maximum ausschöpfen. Je höher unsere Kapazität zur Wasserstoffproduktion, desto unabhängiger sind wir gegenüber Energielieferungen aus dem Ausland. Außerdem schaffen wir so neue Arbeitsplätze und erhalten umfassendes Know-How für die weitere Entwicklung.
H₂News: In der Nationalen Wasserstoffstrategie steht auch, dass Deutschland ein wichtiger Exporteur von Wasserstofftechnologie werden soll. Wie sehen Sie als Technologie-Exporteur uns hier aufgestellt?
Peters: Ich denke, dass die Politik viel stärker darauf hinwirken sollte, inländische Wertschöpfungsketten aufzubauen. Die Produktion an sich ist kein Problem: Sie können mit 20 Mitarbeitern 1 Gigawatt Stacks pro Jahr bauen. Das eigentliche Problem ist die Verbindung von Erzeugung, Infrastruktur und Anwendung. All das muss parallel hochgefahren werden. Dann spielt es keine Rolle, ob die 10 GW erreicht werden oder nicht. Wichtig ist, dass die anderen Achsen, Infrastruktur und Anwendung, genauso anlaufen, damit das Gesamtmodell funktionieren kann.
H₂News: Und Sie sind als Neuman & Esser so positioniert, dass Sie in allen drei Feldern aktiv sein können?
Peters: Genau. Für große Leuchtturm-Projekte mit mehreren 100 MW Leistung bauen wir die Verdichter hinter Elektrolyseuren, die nicht von uns kommen. Wir können aber auch Gesamtsysteme liefern, oder Einzelkomponenten für Wasserstoffspeicher und -netze. Wir bedienen die gesamte Wertschöpfungskette von der Projektentwicklung bis zum Wasserstoffvertrieb mitsamt der Hardware dazwischen.
H₂News: Halten Sie die Herausforderungen trotz allem für schaffbar?
Peters: Absolut. Natürlich sind wir manchmal etwas frustriert, aber insgesamt sehen wir viel Bewegung und ein positives Momentum im Markt. Wir müssen jetzt mit großer Geschwindigkeit hohe Investitionen stemmen, wobei wir als Unternehmen stark in den Pre-Invest gehen. Dabei ist es essenziell, mit anderen Technologie-Partnern zu kooperieren. Das unterscheidet die Wasserstoff-Welt von der Öl- und Gasindustrie: Wasserstoff ist keine One-Man-Show. Wir müssen im Schulterschluss gemeinsame Lösungen finden.
H₂News: Frau Peters, vielen Dank für das Gespräch!
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