H₂News: Herr Kerkhoff, für welche Anwendungen eignet sich PPH2?
Markus Kerkhoff: PPH2 eignet sich zur Fertigung von Komponenten für Wasserstoffanwendungen bei denen hohe Drücke bis 700 bar, geringes Gewicht und kompakte Bauweise entscheidend sind. Dazu zählen beispielsweise mobile Anwendungen wie in Nutzfahrzeugen, Bussen oder mobilen Arbeitsmaschinen. Dank der hohen Festigkeit des Materials lassen sich dünnwandige Leitungen und Rails realisieren, die leichter sind als vergleichbare Edelstahlkomponenten. Der geringere Materialeinsatz trägt direkt zur CO₂-Einsparung bei. Auch für industrielle Anwendungen, etwa in Multi-Element-Gas-Containern (MEGC), ist PPH2 durch seine Druckbeständigkeit gut geeignet. Damit bietet der Werkstoff eine nachhaltige und zukunftsfähige Lösung für vielfältige Wasserstoffsysteme – mobil wie stationär.
H₂News: Was waren die größten Herausforderungen bei der Entwicklung des PPH2 Werkstoffs?
Kerkhoff: Eine zentrale Herausforderung bei der Entwicklung von PPH2 war es, die richtige Balance zwischen hoher Festigkeit und einer zuverlässigen Widerstandsfähigkeit gegenüber Wasserstoffversprödung zu finden. Aufgrund unseres Ursprungs als Hersteller von Präzisionsstahlrohren bringen wir genau auf diesem Gebiet langjährige Erfahrung und Materialkompetenz mit. Wir kennen die Anforderungen an Werkstoffe für Wasserstoffanwendungen sehr genau und konnten dieses Know-how gezielt einsetzen – etwa bei der Auslegung der Herstellprozesse. Entscheidend war, das Gefüge so einzustellen, dass es mechanisch leistungsfähig ist und gleichzeitig dem diffundierenden Wasserstoff standhält. Mehrfache Umformprozesse und eine spezielle Wärmebehandlung (PPSH) haben hier zu einem hervorragenden Ergebnis geführt.

Rohr für Wasserstoffanwendungen (© Poppe + Potthoff)
H₂News: Welche Prüfmethodik haben Sie mit dem TÜV Süd angewendet, wie funktioniert sie und welche neuen Erkenntnisse liefert sie im Hinblick auf H₂-readiness?
Kerkhoff: Die vom TÜV Süd neu entwickelte Prüftechnik wurde gezielt auf unseren Werkstoff PPH2 angewendet. Im Fokus standen dabei Slow Strain Rate Tests (SSRT), die sowohl in einer Wasserstoffdruckatmosphäre als auch unter elektrochemischer Beladung durchgeführt wurden. Diese Methodik erlaubt eine praxisnahe Bewertung der Wasserstoffbeständigkeit. Die Ergebnisse bestätigen nicht nur die bereits vorliegenden positiven Prüfungen, sondern liefern durch den innovativen Prüfansatz des TÜV Süd zusätzliche Erkenntnisse zur H₂-Tauglichkeit von PPH2. Mit Relative Notch Tensile Strength (RNTS)-Werten deutlich über dem Grenzwert wurde die Eignung des Werkstoffs für Wasserstoffanwendungen eindrucksvoll belegt.
H₂News: Welche Erfahrungen haben Sie schon bei der Integration von PPH2-Komponenten in bestehende Systeme gemacht?
Kerkhoff: Wir haben Systemkomponenten aus PPH2 bereits in verschiedenen Projekten integriert – sowohl in mobilen als auch in stationären Wasserstoffanwendungen. Dabei hat sich gezeigt, dass sich der Werkstoff sehr gut in bestehende Systeme einfügt. Besonders die Gewichtseinsparung im Vergleich zu Komponenten aus Edelstahl war in mobilen Anwendungen ein klarer Vorteil. Die Kugel-Konus-Schnittstellen mit bis zu 3° Winkelausgleich ermöglichten darüber hinaus eine spannungsfreie und vibrationsunempfindliche Montage. Durch die drehmoment- und drehwinkelgesteuerte Verschraubung konnten wir dabei eine prozesssichere und reproduzierbare Montage über alle Fertigungsphasen hinweg sicherstellen.
H₂News: Ihr TOPAQ-System ist eine modulare Lösung – können Sie erläutern, wie diese Modularität konkret aussieht und welche Vorteile sie bietet?
Kerkhoff: Unsere TOPAQ-Systeme sind von Beginn an modular aufgebaut. Das bedeutet: Alle zentralen Komponenten stammen aus eigener Entwicklung und Fertigung und lassen sich flexibel zu einer anwendungsspezifischen Systemarchitektur kombinieren. Diese Modularität ermöglicht es uns, exakt auf die Anforderungen unserer Kunden einzugehen. Durch dieses „Baukastenprinzip“ können wir unsere Systeme gezielt auf das jeweilige Anwendungsszenario zuschneiden. Gleichzeitig schafft die Modularität ein hohes Maß an Skalierbarkeit und vereinfacht die Integration in bestehende Fahrzeug- oder Anlagenkonzepte. Damit ermöglicht unsere Lösung nicht nur eine Effizienzsteigerung, sondern auch die beschleunigte Umsetzung einer zukunftsfähigen Wasserstoffinfrastruktur. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit zur Integration von Sensorik in unsere Systemkomponenten. Damit legen wir die Grundlage für verschiedene digitale Möglichkeiten. Dazu gehören unter anderem etwa die Zustandsüberwachung, vorausschauende Wartungen oder Datenanalyse. Diese intelligenten Systeme eröffnen neue Geschäftsmodelle und machen unsere Systeme noch zukunftssicherer im Betrieb.

TOPAQ-System (© Poppe + Potthoff)
H₂News: Wie positioniert sich Poppe + Potthoff derzeit im Wasserstoff-Markt und wie wichtig ist das Segment für Ihr Unternehmen?
Kerkhoff: Der Wasserstoffmarkt ist für uns ein strategisch bedeutendes Zukunftsfeld und fester Bestandteil unserer langfristigen Unternehmensstrategie. Als Unternehmensgruppe bringen wir jahrzehntelange Erfahrung in der Hochdrucktechnik mit. Dieses Know-how haben wir gezielt auf die Anforderungen der Wasserstofftechnologie übertragen. Mit unserer modularen TOPAQ-Lösung positionieren wir uns heute als ganzheitlicher Systemanbieter. Wir entwickeln und fertigen sämtliche Kernkomponenten selbst – von On Tank Valves über Hochdruckleitungen bis hin zu Regel- und Sicherheitseinheiten. Dabei kombinieren wir unsere Werkstoffkompetenz mit exzellenter Entwicklungs- und Fertigungstiefe in einem integrierten Ansatz. Diese Herangehensweise versetzt uns in die Lage, anwendungsoptimierte, modulare Systeme zu realisieren – abgestimmt auf kundenspezifische Anforderungen in mobilen, stationären oder industriellen Anwendungen. Der Wasserstoffmarkt bietet uns die Möglichkeit, unsere technologischen Stärken in einem wachsenden, zukunftsorientierten Umfeld einzubringen. Deshalb investieren wir gezielt in unsere Expertise und strategische Partnerschaften, um die Transformation aktiv mitzugestalten. Unser Anspruch ist es, nicht nur Komponenten zu liefern, sondern Lösungen, die den sicheren und effizienten Einsatz von Wasserstoff langfristig ermöglichen und beschleunigen. Dass unsere Entwicklungsleistung dabei auch extern gewürdigt wird, zeigt beispielsweise auch unsere Auszeichnung als eines der innovativsten mittelständischen Unternehmen beim diesjährigen Innovationswettbewerb TOP 100.
H₂News: Welche Trends beobachten Sie aktuell im H₂-Markt und wie würden Sie die Stimmung beschrieben?
Kerkhoff: Im Wasserstoffmarkt sehen wir aktuell eine starke technologische Dynamik. Das Interesse an Wasserstoff als Energieträger wächst spürbar, sowohl im Mobilitätssektor als auch in industriellen Anwendungen. Gleichzeitig bleibt die politische Umsetzung deutlich hinter dem technisch Machbaren zurück. Der Aufbau einer flächendeckenden H₂-Infrastruktur verläuft zu langsam, und viele Förderprogramme sind zu komplex, zu spät oder nicht zielgerichtet genug. Gerade jetzt wäre es entscheidend, Investitionen mit klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und pragmatischer Förderung zu unterstützen – etwa durch schnellere Genehmigungsverfahren, einheitliche Standards und den gezielten Ausbau von Anwendungen in Transport und Speicherung. Die Stimmung im Markt ist grundsätzlich optimistisch, aber zunehmend ungeduldig. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende spielt – nun braucht es auch die politischen Voraussetzungen, damit aus diesem Potenzial belastbare Märkte entstehen können.
H₂News: Herr Kerkhoff, vielen Dank für das Gespräch!
Wasserstoff bei Poppe + Potthoff