H₂News: Herr Plocher, seit wann beschäftigt sich die RMA Rheinau mit Wasserstoff?
Thomas Plocher: Es begann mit einem Meeting zum Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015. Uns war klar, dass sich in der gesamten Wirtschaft etwas grundlegend ändern müsse. So kamen wir bei der RMA Rheinau dazu, wasserstofftaugliche Produkte ins Portfolio aufzunehmen. Seitdem hat das Thema uns nicht mehr losgelassen. Nach der Prüfung mehrerer Konzepte fiel zudem 2020 die Entscheidung für den Wasserstoffprüfstand. Dafür holten wir das Fraunhofer Institut für physikalische Messtechnik (IPM) aus Freiburg ins Boot, mit dem wir seit vielen Jahren bei der Gasmessanalyse zusammenarbeiten.
H₂News: Sie haben auch frühzeitig die Wasserstofftauglichkeit Ihrer eigenen Armaturen überprüft.
Plocher: Richtig. Wir waren uns sicher, dass das Thema Wasserstoff kommen wird. Als wir unsere ersten Armaturen entwarfen, gab es aber noch gar keine Prüfvorschriften! Daher entwickelten wir mit dem TÜV SÜD eigene, bevor 2022 die offiziellen Richtlinien vom DVGW kamen. Dessen Zertifizierungen haben wir dann auch noch erhalten. Das war relativ einfach, da wir bereits wasserstofftaugliche Produkte in Serie herstellten und verkauften – vor allem in die Niederlande.
H₂News: Wieso in die Niederlande?
Plocher: Der niederländische Ferngasnetzbetreiber Gasunie hat schon vor rund drei Jahren entschieden, 90 % seiner Mittel nur noch in Wasserstoff- statt Erdgasnetze zu investieren. Insofern nehmen die Niederlande in Europa eine echte Vorreiterrolle ein. Und das gute ist: Der niederländische Wasserstoffmarkt hilft auch den deutschen Unternehmen und Zulieferern.
H₂News: Welche Produkte bieten Sie denn im Wasserstoffsegment an?
Plocher: Unser gesamtes Produktportfolio gibt es auch für Wasserstoff: Isolierkupplungen, Kugelhähne und vieles mehr. Dabei fertigen wir unsere H2-tauglichen Komponenten an unseren Standorten in Rheinau und in Kehl bereits alle in Serie. Produktionstechnisch unterscheiden sie sich nicht von herkömmlichen Armaturen, für manche benötigen wir nur spezielles Material.
H₂News: Neben der Fertigung von Armaturen sind Sie in der Branche vor allem für Ihren H2-Loop bekannt. Was ist das genau?
Plocher: Kurz gesagt ist es ein Kalibrierlabor, in dem Wasserstoff in einem geschlossenen Kreislauf transportiert wird, in dem die zu kalibrierenden Messgeräte angeschlossen werden. Dabei werden sie mit Referenzzählern der PTB (Physikalisch-technisches Bundesamt) abgeglichen und somit justiert bzw. geeicht. Denn Messgeräte sollten natürlich möglichst exakt messen, damit die Abrechnung stimmt. Genau dafür sorgen wir mit unserem Loop. Interessierte Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt können so Ihre neu entwickelten oder erworbenen Messgeräte schnell und einfach prüfen.
H₂News: Einen ähnlichen Prüfstand hatten Sie schon vorher, allerdings für Erdgas.
Plocher: Genau, der H2-Loop ist ein Twin unseres etablierten Erdgas-Loops. Die beiden Prüfstände sind weitestgehend baugleich und erfüllen nur die Ansprüche des jeweiligen Mediums – im Falle von Wasserstoff gab es so etwas noch nicht. Wir haben den Prüfstand als RMA Gruppe komplett selbst entwickelt und gebaut. Alles, was an Hardware dabei ist, stammt von uns.
H₂News: Gab es beim Bau besondere Herausforderungen?
Plocher: Die Montage war schon herausfordernd. Der 31 Meter lange Wasserstoff-Loop verfügt über 2 Prüflingsstrecken: ist eine in Benutzung, kann die zweite für eine anschließende Messung vorbereitet werden. Bei der Montage der Rohrleitungen muss extrem sorgfältig gearbeitet werden, damit kein Wasserstoff in die Dichtungsbereiche diffundieren kann. Am heikelsten waren die Gebläse (V1 und V2), die den Wasserstoffdurchfluss konstant halten, denn dabei handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung. Auch die Kosten waren nicht so einfach zu stemmen: Das gesamte Projekt hat über acht Millionen Euro gekostet.
H₂News: Wie wurde der H2-Loop dann ein Teil von TransHyDE?
Plocher: Wir wurden durch unsere Partner vom Fraunhofer-Institut auf die Bekanntmachung des BMBF im Bereich Wasserstoff, aus dem dann das TransHyDE-Verbundprojekt “Sichere Infrastruktur” erwachsen ist, aufmerksam gemacht. Mit dem Fraunhofer IPM hatten wir schon oft in in Bezug auf Mess-und Regeltechnikfragen zusammengearbeitet, und sie fanden, dass unser Prüfstand-Konzept perfekt passen würde. Tatsächlich wurde unsere Projektskizze angenommen und wir, die RMA Rheinau, übernahm die Leitung des TransHyDE-Verbundes Sichere Infrastruktur.
H₂News: Wieso braucht es für Wasserstoff eigentlich einen eigenen Prüfstand?
Plocher: Die physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff sind einfach andere. Wasserstoff ist viel flüchtiger als Erdgas, trotzdem muss man für einen Prüfstand einen gewissen Volumenstrom aufrechterhalten – und das ist relativ schwierig. Einige Hersteller versuchen daher, die Eichung ihrer H2-Messgeräte durch Umrechnung vom Erdgas her zu erschließen. Das funktioniert aber nur bedingt. Daher sollte jeder Akteur die Chance nutzen, seine Messgeräte in einem echten Wasserstoff-Loop zu prüfen.
H₂News: Der Prüfstand ist seit dem 30. Juni in Betrieb. Welche Erfahrungen haben Sie gesammelt?
Plocher: Wir sind sehr zufrieden! Das Testen verschiedenster Gasmengenzähler läuft absolut zuverlässig. Kurioserweise waren die fehlenden Erfahrungswerte bei der Entwicklung des H2-Loop ein Vorteil, da die Detailplanung dadurch umso sorgfältiger ausgeführt wurde. Mit unseren dort verbauten Armaturen haben wir ebenfalls keine Probleme: Das Label “H2-tauglich” hält, was es verspricht.
H₂News: Wird der Prüfstand stark frequentiert?
Plocher: Derzeit liegt unsere Auslastung im Einschichtbetrieb bei etwa 20%. Momentan nutzen insbesondere die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen namhafter Unternehmen den H2-Loop für Tests. Auch von Stadtwerken, die ihre H2-Messgeräte gerne prüfen oder zertifizieren lassen würden, erhalten wir erste Anfragen. Die Hersteller von Gasmengenzählern sind in diesem Segment aber noch zögerlich. Wir gehen jedoch davon aus, dass wir nach der Erweiterung des Wasserstoff-Kernnetzes eine volle Auslastung haben werden.
H₂News: Warum kann das Kernnetz so viel dazu beitragen?
Plocher: Wenn der Ausbau in den nächsten zwei bis drei Jahren beginnt, müssen neue Verteilstationen für Wasserstoff gebaut werden. Dafür braucht man eine ganze Reihe neuer Armaturen, und die gilt es wiederum zu prüfen und zu eichen. Aktuell gibt es kleinere Wasserstoffprüfstände für niedrige Durchflussmengen, aber für die höheren braucht man unseren Prüfstand.
H₂News: Welche Art von Wasserstoff nutzen Sie an Ihrem Prüfstand?
Plocher: Grünen Wasserstoff. Bald wollen wir sogar unseren eigenen produzieren. Denn das ist einfach wirtschaftlicher: Für einen Messvorgang brauchen wir rund 50 Kilo H2, was keine unerheblichen Kosten verursacht. Daher wollen wir mithilfe einer neuen PV-Anlage – die erste haben wir schon vor 24 Jahren installiert – grünen Wasserstoff direkt am Werk herstellen. Davon können wir langfristig profitieren, da es in unserer Region voraussichtlich keinen Zugang zum Wasserstoff-Kernnetz geben wird. Wir sind also auf dezentrale Lösungen angewiesen, womöglich in Kombination mit einem Anschluss an das lokale Wärmenetz oder einer eigenen H2-Tankstelle.
H₂News: Wasserstoff spielt demnach in mehrfacher Hinsicht eine große Rolle für Ihr Unternehmen.
Plocher: Ja. Nicht nur wir, sondern die gesamte RMA-Gruppe ist bei dem Thema sehr gut aufgestellt. Wir besitzen die Expertise bei den Armaturen, beim Netzausbau – wir bauen z. B. eigene H2-Einspeisestationen – und natürlich unseren Prüfstand. So versuchen wir, dem Klimawandel tatsächlich etwas entgegenzusetzen. Es gibt viele Möglichkeiten, die logistisch und technisch problemlos umsetzbar wären. Oft fehlt es nur an den gesetzlichen Regularien aus Berlin und Brüssel.
H₂News: Was würden Sie sich da von der Politik wünschen?
Plocher: Ich würde mir wünschen, dass das technisch Mögliche schneller umgesetzt werden kann. Beispielsweise dürfen Gasnetzbetreiber gesetzlich keinen Strom erzeugen, wodurch ein großes Potenzial verloren geht. Ähnlich ärgerlich ist es, wenn Wasserstoff als Nebenprodukt von Industrieprozessen entsteht und einfach abgefackelt wird. Sowas können wir uns nicht leisten. Außerdem müssten überall dort, wo Windparks entstehen, gleichzeitig Elektrolyse-Anlagen hochgefahren werden. Das wäre direkt bei der Standortwahl zu berücksichtigen. Außerdem brauchen wir mehr internationale Partnerschaften für grünen Wasserstoff. Zum Glück wurde nun die H2-Importstrategie beschlossen, wobei ich dafür plädiere, dass bei den Kooperationen hohe Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden.
H₂News: Was ist Ihre Prognose für die Entwicklung des heimischen Marktes?
Plocher: Ich denke, dass wir mit den “großen” Entwicklungen – Wasserstoffstrategie, Kernnetz, Backbone – auf einem guten Weg sind. Natürlich müssen wir schneller werden, aber wir dürfen auch nicht überhastet handeln. Ich hoffe, dass die aktuelle Bundesregierung noch alles Notwendige verabschieden kann, bevor andere Parteien möglicherweise alles wieder zurückdrehen.
H₂News: Bemerken Sie denn ein wachsendes Interesse an Ihren wasserstofftauglichen Produkten?
Plocher: Wir bemerken in jedem Fall, dass immer mehr Kunden Armaturen wollen, die für alle drei Medien geeignet sind: Erdgas, Wasserstoff und auch CO2. Dies gibt ihnen Investitionssicherheit, da sie mit ein- und demselben Produkt Erdgas, Wasserstoff und perspektivisch sogar CO2 transportieren können.
H₂News: Sie sind auch an dem Projekt H2Direkt in Markt Hohenwart beteiligt. Dort kommen die Hausanschlüsse der RMA Rheinau bei der Wärmeversorgung mit grünem Wasserstoff in 20 Haushalten zum Einsatz. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht, und wie wichtig ist der Wärmemarkt für Ihr H2-Geschäft?
Plocher: Die Armaturen funktionieren allesamt einwandfrei. Ich denke, man wird auch im Wärmebereich nicht um den Einsatz von Wasserstoff herumkommen. Denn gerade in kleinen oder älteren Ortschaften lassen sich nicht ohne Weiteres neue Wärmepumpe installieren. Um hier wirklich klimaneutral zu werden, braucht es Wasserstoff-Insellösungen für die Wärmebereitung – und natürlich auch die passenden Armaturen.
H₂News: Demnach müsste nur der grüne Wasserstoff billiger sein, um einen Business Case herzustellen.
Plocher: So ist es. Der Proof of Concept wurde erbracht. Man ist jetzt dabei, zusammen mit dem Projektträger eine Verlängerung von H2Direkt zu vereinbaren, um mit einem Elektrolyseur grünen Wasserstoff vor Ort zu erzeugen. H2Direkt war für uns sehr wichtig, da es zeigt, dass wir mit unseren Wasserstoffprodukten in der Realität angekommen sind. Wir können Realität, wir können Wasserstoff.
H₂News: Herr Plocher, vielen Dank für das Gespräch!
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