H₂News: Herr Wessels, was genau bieten Sie Kunden im H2-Segment an?
Jan Wessels: Wir bauen multifunktionale Sensoren mit Ultraschall-Technologie. Diese erfassen mehr Parameter als die klassische Volumen-, Durchfluss- oder Massenstrommessung. Beispielsweise können wir die Konzentrationen einzelner Gase in einem Gasgemisch ermitteln und Gase in Flüssigkeiten identifizieren. Damit können unsere Kunden ihre Systeme – zum Beispiel Brennstoffzellen oder Elektrolyseure – effizienter betreiben und deren Lebensdauer verlängern. Wir zielen dabei auf eine kosteneffiziente Lösung für Massenanwendungen. In großen Stückzahlen können wir die Sensoren sehr kostengünstig produzieren – Preise von unter 20 Euro pro Sensor sind möglich.
H₂News: Wo werden die Sensoren angebracht?
Wessels: Inline, also direkt in der Rohrleitung. Damit messen sie nicht nur die durchfließende Gasmenge, sondern analysieren auch dessen Zusammensetzung. Das ist wichtig, da in vielen Prozessen Nebengase auftreten.
H₂News: Welche Anwendungen sind im Wasserstoffsegment für Sie besonders interessant?
Wessels: Derzeit sind das Brennstoffzellen. Diese reagieren nämlich sehr empfindlich auf Verunreinigungen im Gasstrom und haben daher einen hohen Bedarf an Sensorik. Gleichzeitig sorgen die Betriebsbedingungen im Innern einer Brennstoffzelle – dort befinden sich fast immer feuchte Gasgemische aus Stickstoff und Sauerstoff – bei vielen Messtechnologien für Probleme.
H₂News: Was macht Ihre Ultraschalltechnologie hier anders?
Wessels: Der entscheidende Vorteil ist, dass keine Sensorkomponenten direkt mit der Strömung in Kontakt kommen. Nur Materialien wie Edelstahl oder PPS-Kunststoff stehen in Kontakt mit dem Medium, was Robustheit und Langlebigkeit erhöht. Damit ist Ultraschall generell robuster als Technologien wie Coriolis oder kalorimetrische Verfahren – und bietet ein breiteres Anwendungsspektrum
H₂News: Wie genau funktioniert die Messung?
Wessels: Sie basiert auf der Schallgeschwindigkeit, die ein präziser Indikator für die Zusammensetzung eines Gasgemischs ist. Wasserstoff hat aufgrund seiner geringen Dichte nämlich eine besonders hohe Schallgeschwindigkeit. Vielleicht lässt es sich an einem Beispiel illustrieren: Zählt man bei einem Gewitter die Sekunden zwischen Blitz und Donner, misst man im Prinzip die Schallgeschwindigkeit in der Luft. Diese beträgt etwa 340 Meter pro Sekunde. In Wasserstoff bewegt sich Schall dagegen mit 1.300-1.400 Metern pro Sekunde – also fast 1.000 Meter pro Sekunde schneller. Durch diesen deutlichen Unterschied wird die Schallgeschwindigkeit zu einem optimalen Messparameter.
H₂News: Und wie kommt es dann zu der eigentlichen Messung?
Wessels: Wenn man die Schallgeschwindigkeit eines Gasgemischs misst, ist das Ergebnis die Kombination der Schallgeschwindigkeiten der darin enthaltenen Gase. Ist die Wasserstoffkonzentration hoch, können sich zum Beispiel kleinste Beimengungen von Stickstoff oder Sauerstoff stark auf die Schallgeschwindigkeit auswirken. Dies ermöglicht präzise Messungen, da wir schon Änderungen im Bereich von 0,2 bis 0,5 % erkennen können.
H₂News: Wie funktioniert das technisch?
Wessels: Im Sensor sind zwei Ultraschallwandler integriert, die Schallwellen aussenden und empfangen. Wir messen die Zeit, die eine Welle braucht, um von einem Wandler zum anderen zu gelangen. Für die Volumenstrommessung senden wir in beide Richtungen – einmal mit und einmal gegen die Strömung. Aus der Zeitdifferenz ermitteln wir die Strömungsgeschwindigkeit und damit den Volumenstrom. Die absolute Laufzeit gibt uns dann zusätzlich Aufschluss über die Schallgeschwindigkeit und damit die Gaszusammensetzung. Die Sensoren kommunizieren anschließend über gängige Protokolle den Volumenstrom, Massenstrom und die Gaskonzentration. Zusätzlich ist jeder Sensor mit Temperatur-, Druck- und Feuchtigkeitssensoren ausgestattet, sodass ein einziges Gerät alle notwendigen Messwerte bereitstellt.
H₂News: Und diese Messung erfolgt quasi kontinuierlich?
Wessels: Ja, die Sensoren ermöglichen ein durchgehendes Prozessmonitoring. In Industrieanwendungen spart man sich damit aufwendige, regelmäßige Probenentnahmen. Nehmen die Sensoren mal eine größere Abweichung wahr, können sie signalisieren, wann eine detailliertere Analyse, etwa mittels Chromatographie, sinnvoll ist. So lässt sich eine vorausschauende Wartung realisieren, die sowohl Zeit als auch Kosten spart.
H₂News: Und wie genau steigern die Sensoren die Effizienz einer herkömmlichen PEM-Brennstoffzelle?
Wessels: Der Schlüssel ist die sogenannte Anoden-Rezirkulation. Der Prozess funktioniert so: Für eine optimale Versorgung des gesamten BZ-Stacks führt man dort mehr Wasserstoff zu als nötig wäre. Der überschüssige Wasserstoff tritt dann aus dem Stack aus. Um die Effizienz der BZ zu steigern, führt man diesen Wasserstoff wieder zurück zum Stack-Einlass – man rezirkuliert ihn also.
H₂News: Allerdings kommen durch die Rezirkulation sicher auch unerwünschte Gase in die Brennstoffzelle.
Wessels: Korrekt. Zum einen tritt ungewollt Stickstoff in den Rezirkulationskreislauf ein – der sogenannte Crossover-Effekt. Zum anderen gelangt Wasserdampf oder ‘Feuchtigkeit’ hinein. Und zu viel Stickstoff oder Feuchtigkeit im Stack können dessen Lebensdauer verkürzen. Hier kommt unser Sensor ins Spiel: Er überwacht kontinuierlich alle relevanten Gasmengen im Stack und ermittelt den optimalen Zeitpunkt für den ‘Purge-Zyklus’, den Moment, in dem das Gasgemisch im System abgelassen wird. Letztlich ermöglicht der Sensor so die optimale Balance zwischen Effizienz und Lebensdauer des Stacks.
H₂News: Findet ein solcher Purge dann automatisiert statt, oder wird er vom Fahrer ausgelöst?
Wessels: Automatisch. Welche Gas-Konzentration den Purge triggert, ist aber die Entscheidung des Brennstoffzellenherstellers. Dieser legt je nach Anwendung einen anderen Purge-Zeitpunkt fest: Soll dieser für eine maximale Effizienz erst relativ spät stattfinden, oder relativ früh, um die Lebensdauer des Stacks zu erhöhen? Bei stationären BZ gelten hier meist andere Kriterien als bei mobilen Systemen. Unser Sensor – das ist seine Hauptfunktion in der Brennstoffzelle – liefert jedenfalls die Informationen, um diesen Zeitpunkt zu ermitteln.
H₂News: Sind die Geräte schon im Praxiseinsatz?
Wessels: Aktuell werden sie von allen relevanten Playern im Brennstoffzellenmarkt getestet. Das umfasst die Bereiche Aviation, Automotive, stationäre Anwendungen und Marine. Mit einigen Kunden sprechen wir schon über eine mögliche Serienproduktion. Dafür suchen wir noch Partner mit Anwendungsexpertise, die Interesse daran haben, die Technologie in großem Maßstab zu skalieren.

Ultraschall-Sensor zur Ermittlung des Volumenstroms und der Gaszusammensetzung von Wasserstoff und Wasserstoff-Gemischen (© Allengra)
H₂News: Produzieren Sie weitere Sensoren für den Wasserstoffmarkt?
Wessels: Ja, wir bieten ein breites Portfolio für Flüssigkeiten an. Diese Sensoren überwachen das Kühlwasser in Elektrolyseuren und kommen in der Wasseraufbereitung und Entsalzung zum Einsatz, wo sie etwa die Konzentration von Wasser-Glykol-Gemischen messen. Besonders interessant ist ihre Fähigkeit, Elektrolyte wie Kalilauge in der alkalischen Elektrolyse zu messen. Dabei überwachen sie sowohl den Durchfluss als auch die Konzentration. Auch für die Methanol-Dampfreformierung bieten wir spezielle Sensoren an.
H₂News: Wie kam es eigentlich zum Engagement von Allengra im Wasserstoffbereich?
Wessels: Der Einstieg begann vor etwa vier Jahren. Ein großer Kunde aus dem Bereich der stationären Brennstoffzellen suchte damals einen Sensor, um die H2-Konzentration in Wasserstoff-Erdgas-Gemischen zu messen. Der Kunde arbeitete nämlich an Brennstoffzellen, die zunächst nur mit Erdgas betrieben und dann schrittweise auf einen höheren Wasserstoffanteil umgestellt werden sollten. Unsere in diesem Zusammenhang konzipierte Technologie haben wir in der Folge weiterentwickelt.
H₂News: Ist dieses Prinzip der schrittweisen Beimischung von Wasserstoff ein Weg, den Hochlauf vorzubereiten?
Wessels: Womöglich, ja. Die Hersteller können den Marktaufbau unterstützen, indem sie Anwendungen so entwickeln, dass sie sowohl mit Erdgas als auch mit einem sukzessiven höheren Anteil an Wasserstoff betreibbar sind – oft bis zu 100 %. Je mehr es von diesen flexiblen Anwendungen gibt, desto mehr Sinn macht es, in die Wasserstoffproduktion zu investieren. Ein ähnliches Prinzip könnte auch für Messungen im Haushaltsbereich gelten.
H₂News: Wie würde ein Einsatz Ihrer Sensoren im Haushaltsbereich aussehen?
Wessels: Wird Wasserstoff in die Gasverteilnetze eingespeist, spielt die präzise Messung eine wichtige Rolle für die Abrechnung. Da unterschiedliche Wasserstoffanteile – zum Beispiel 10% oder 20% – zu unterschiedlichen Brennwerten führen, muss die jeweilige Beimischungsquote genau erfasst werden. Dies ist besonders wichtig für die Verbrauchsabrechnung, da die Kunden nicht für das Gas an sich, sondern für den Brennwert bezahlen. Unsere Sensoren könnten also auch eine wichtige Rolle bei der Abrechnung spielen. Dafür müsste aber erstmal genügend Wasserstoff im Verteilnetz sein – das ist noch Zukunftsmusik.