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„Unser Wasserstoff wird teurer, als er sein müsste“

Mit einem Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich treibt die EWE AG den Wasserstoffhochlauf voran. Herzstück der Projekt-Pipeline ist ein 320-MW-Elektrolyseur in Emden, mit dem das norddeutsche Energieunternehmen grüne Wertschöpfungsketten vor Ort aufbauen will. Trotz des kürzlichen Stopps eines 50-MW-Vorhabens in Bremen sieht CEO Stefan Dohler die Wasserstoffstrategie der EWE auf Kurs. Im Interview erklärt er, wie Nordwestdeutschland dank H2 ein neues, „sauberes" Ruhrgebiet werden kann – und wie EU-Regulierung dabei zum Bremsklotz wird.

von | 03.07.25

Stefan Dohler gehört dem Vorstand der EWE AG seit Januar 2018 an. Seit Juni 2024 ist er zudem Präsident des BDEW
Foto: Sebastian Vollmert
Dohler

H₂News: Herr Dohler, EWE hat sich früh als Player auf dem Wasserstoffmarkt positioniert. Wie kam es dazu?

Stefan Dohler: Das hatte technische und wirtschaftliche Gründe. Ausschlaggebend war die Erkenntnis, dass ein erneuerbares Energiesystem – mit dessen Ausbau der Nordwesten dem Rest Deutschlands etwa 10 Jahre voraus war – ohne grüne Gase nicht sinnvoll betreibbar ist. Drei Eigenschaften machen Wasserstoff dabei zum idealen Partner für erneuerbare Energien: Erstens braucht die Industrie ihn heute schon in großen Mengen, zweitens kann er für Energieanwendungen genutzt werden und drittens eignet er sich hervorragend für den Transport und die großvolumige Speicherung. Aus dieser Überlegung entstand die Idee für unser Großvorhaben Clean Hydrogen Coastline (CHC). Damit wollen wir nicht nur Einzelprojekte umsetzen, sondern das System als Ganzes entwickeln.

H₂News: In der Branche wird oft das „Henne-Ei-Problem“ des Wasserstoffhochlaufs diskutiert. Lösen Sie das mit Clean Hydrogen Coastline auf lokaler Ebene?

Dohler: Das war der Grundgedanke. Nordwestdeutschland hat das Potenzial, ein neues, ‘sauberes’ Ruhrgebiet zu werden: Die Industriebranche im Ruhrgebiet hat sich um die dortigen Kohlevorkommen herum gebildet. Bei uns befinden sich gigantische Vorkommen an erneuerbaren Energien, um die herum eine neue, saubere Industrie entstehen könnte. Wir wollen diese Entwicklung anschieben. Das tun wir mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand – insgesamt reden wir über ein Investitionsvolumen von bis zu einer Milliarde Euro.

H₂News: Was waren im vergangenen Jahr die wichtigsten Meilensteine für Clean Hydrogen Coastline?

Dohler: Drei Teilprojekte haben den IPCEI-Status erreicht – an den entsprechenden Förderanträgen hatten wir sehr lange und intensiv gearbeitet. Im Februar 2024 erhielten wir dann eine offizielle Fördergenehmigung von der EU. Bei der Antragsstellung legten wir den Fokus auf die Idee eines systemischen Hochlaufs auf regionaler Ebene, und das war letztlich der entscheidende Erfolgsfaktor. Nach Erhalt der Förderbescheide im Juli 2024 konnten wir dann die finalen Investitionsentscheidungen für die zunächst drei Teilvorhaben treffen.

Dohler

Clean Hydrogen Coastline-Projektkarte (Quelle: EWE)

H₂News: Welche sind das?

Dohler: Erstens die 320-MW-Wasserstofferzeugungsanlage in Emden, zweitens deren Anbindung an das Ferngasnetz – also das künftige Wasserstoff-Kernnetz – und drittens die Umrüstung der ersten Speicherkaverne in Huntorf in der Wesermarsch auf Wasserstoff. Dafür konnten wir – ein weiteres Highlight im vergangenen Jahr – die Tests in der Kaverne Rüdersdorf nahe Berlin abschließen. Seitdem haben wir belastbare Daten dafür, dass sich Wasserstoff in Großkavernen sicher, qualitativ hochwertig und schnell ein- und ausspeichern lässt.

H₂News: Der Elektrolyseur in Emden wäre nach der geplanten Inbetriebnahme im Jahr 2027 eine der größten Wasserstoffanlagen Europas. Auf welche Technologie setzen Sie hier?

Dohler: Wir haben uns für eine PEM-Elektrolyse entschieden. Sie ist zuverlässig und bietet hohe Verfügbarkeit. Dies ist aber keine Entscheidung für die nächsten 100 Jahre, sondern der Einstieg ins Projekt. Als Betreiber und nicht Entwickler von Technologie sind wir in diesem Punkt agnostisch. Da über die IPCEI-Förderung mehr als 50 % der Investition gefördert werden, liegt unser Fokus auf den Betriebskosten – vor allem auf den Stromkosten – und der Zuverlässigkeit.

Dohler

Aktuelle Ansicht des Baufelds in Emden (Copyright: EWE/Jan Lübkemann)

H₂News: Mit welchem Kilogrammpreis rechnen Sie?

Dohler: Da wir in Verhandlungen mit Kunden stehen, kann ich keine genauen Zahlen nennen. Wir sind aber definitiv im einstelligen Euro/kg Bereich. Je mehr Flexibilität wir bei der Strombeschaffung bekommen, desto weiter kommen wir preislich nach unten. Es ist so: Auf der Kapitalkostenseite werden wir durch die IPCEI-Förderung von Bund und Ländern gut unterstützt. Auf der Betriebskostenseite haben wir jedoch einen massiven Nachteil: Durch die strengen EU-Kriterien der Zusätzlichkeit und Zeitgleichheit bei der Stromversorgung (RED-II und III) werden unsere Produktionskosten am Standort Emden um etwa 88 % teurer sein als notwendig. Bezogen auf den Kilogrammpreis bedeutet das über 50 % Mehrkosten.

H₂News: Woher kommt dieser hohe Aufpreis?

Dohler: Er resultiert aus der Art, wie wir unseren Strom beziehen müssen. Grünstrom ist manchmal günstig und manchmal sehr teuer. Wenn ich ein PPA (Power Purchase Agreement) mit einem Windparkbetreiber abschließe – der Windpark darf nicht älter als drei Jahre sein – und stündlich genau so viel Strom abnehmen muss, wie der Park produziert, kann ich nicht im Voraus einen Fixpreis festlegen. Stattdessen muss ich dem Betreiber rückwirkend einen relativ hohen Durchschnittspreis für den Strombezug zahlen – ich habe ja keine Alternative, als den Strom von ihm zu beziehen, egal, ob er gerade günstig ist oder teuer. Die Regeln erfordern also, Windanlagen auch dann für die Elektrolyse einzusetzen, wenn die Marktpreise hoch sind. Dadurch zahle ich deutlich mehr, als notwendig wäre. Und dadurch wird natürlich auch unser Wasserstoff viel teurer, als er eigentlich sein müsste.

H₂News: Wie könnte man es besser machen?

Dohler: Eine viel sinnvollere Lösung wäre: Ich mache zwar ein PPA mit dem Windparkbetreiber, aber greife gleichzeitig flexibel auf den Strommarkt zurück. Bei niedrigen Strompreisen fahre ich den Elektrolyseur dann auf maximale Leistung und beziehe zusätzlichen Strom vom Markt. Bei hohen Strompreisen reduziere ich die Produktion oder verkaufe sogar Strom ins Netz. Das hätte mehrere positive Effekte: Wenn der Strompreis hoch ist, ist typischerweise wenig erneuerbare Energie im System. Wenn ich dann weniger produziere oder ins Netz einspeise, verdränge ich damit fossil erzeugten Strom– ökologisch ist das ein Gewinn. Zudem stabilisiere ich die Marktpreise, wenn ich bei niedrigen Strompreisen die Elektrolyse mit maximaler Leistung fahre. Das entlastet das EEG-Konto, weil ich den Capture Price für Erneuerbare stabilisiere. Mit anderen Worten könnten wir die CO₂-Emissionen reduzieren, das EEG-Konto entlasten und die Kosten für grünen Wasserstoff um ein Drittel senken, dürfen es aber nicht.

H₂News: Weil der Wasserstoff nach EU-Taxonomie so nicht mehr als „grün“ gelten würde?

Dohler: Genau. Aus meiner Sicht ist das kompletter Unsinn. Wir könnten problemlos stündlich nachweisen und bilanzieren, wie der CO₂-Fußabdruck des Stroms in jeder Produktionsstunde war. Wie gesagt: Wenn wir in Norddeutschland hohe Strompreise haben, ist das ein Zeichen für weniger Erneuerbare im System. Bei niedrigen Strompreisen sind demnach viel Erneuerbare im System – das könnte man per Zertifikaten nachweisen. In Emden haben wir noch das Privileg, dass wir bei der Inbetriebnahme im Jahr 2027 für einige Jahre Bestandsschutz haben und nicht sofort diese harten Kriterien erfüllen müssen – aber nur bis 2030. Ex-Wirtschaftsminister Habeck hatte im letzten Jahr in einem Brief an die EU-Kommission gefordert, dieses Datum nach hinten zu schieben.

H₂News: Wieso ist die EU-Taxonomie hier so rigide?

Dohler: Die Regeln entstanden zu einer Zeit, als man dachte, es gäbe zu wenig erneuerbare Energie für die Wasserstoffproduktion. Inzwischen erleben wir jedoch einen massiven Ausbau. Damit ist dieses Argument überholt, ja, ein Anachronismus. Die letzte Bundesregierung hatte das erkannt, aber die EU hält bisher daran fest. Für andere Länder ist die Regelung weniger problematisch, da sie, wie Frankreich, auf Atomkraft setzen, die nach EU-Recht als „grün“ zählt. Die neue Bundesregierung sollte sich massiv für eine Überarbeitung der RFNBO-Kriterien einsetzen, wenn sie einen europäischen Wasserstoffhochlauf will. Sonst kann Deutschland nicht daran teilnehmen, und dann wird es für den Rest Europas schwierig.

H₂News: Eine echte Hürde für die Investitionssicherheit.

Dohler: Absolut. Unsere Kunden fragen sich ja, mit welchem Wasserstoffpreis sie langfristig rechnen müssen. Ich würde mir wünschen, dass wir das Gleichgewicht zwischen Bezahlbarkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit wiederherstellen. Viele Unternehmen haben den Eindruck, dass die Bezahlbarkeit vernachlässigt wurde. Das gefährdet die Akzeptanz von Wasserstoff. Dabei könnten wir gerade bei diesem Punkt sehr viel tun. Unser Emden-Beispiel zeigt es: Mit einem Federstrich ließe sich ökologisch, ökonomisch und volkswirtschaftlich richtig handeln. Aber wir halten an starren Regeln fest – und hören allerorts Klagen über die europäische Wettbewerbsfähigkeit.

H₂News: Wen haben Sie als Abnehmer im Auge?

Dohler: Der Elektrolyseur wird direkt in das Kernnetz einspeisen und kann so perspektivisch Abnehmer bundesweit erreichen. Dabei gilt: Stahlindustrie und Petrochemie haben den größten Bedarf.

H₂News: Wie kann man sie dazu bewegen, langfristige Abnahmeverträge für Ihren grünen Wasserstoff zu unterzeichnen?

Dohler: Klimaschutzverträge wären aus meiner Sicht ein gutes Mittel. Die Finanzierbarkeit ist hier nur noch nicht klar. Grüne Leitmärkte wären alternativ ein gangbares Instrument, um die Produktion von grünem Stahl oder grünen Raffinerieprodukten anzureizen und damit einen Bedarf an erneuerbarem Wasserstoff zu triggern.

H₂News: Was verstehen Sie unter grünen Leitmärkten?

Dohler: Dass man den CO₂-Rucksack von Produkten sichtbar macht. Wenn öffentliche Auftraggeber – etwa im Straßen-, Brücken- oder Bahnbau – nicht nur den Preis ausschreiben, sondern auch den CO₂-Fußabdruck des verbauten Stahls berücksichtigen würden, wären Lieferanten gezwungen, grünen Stahl herzustellen. Dafür bräuchten sie wiederum grünen Wasserstoff. Das würde keine großen Mehrkosten verursachen, aber die gesamte Wertschöpfungskette ankurbeln.

H₂News: Bis Instrumente wie die von Ihnen skizzierten Leitmärkte in Kraft sind, bleiben die Herausforderungen groß. Ende Juni haben Sie ein anderes Elektrolyseprojekt, den Bau einer 50-MW-Anlage in Bremen, bis auf Weiteres pausiert. Was waren die Gründe?

Dohler: Das war eine schwierige, aber notwendige Entscheidung. Der Hauptgrund waren die sich verändernden Marktbedingungen, insbesondere die Entscheidung von ArcelorMittal, ihre Werke in Bremen und Eisenhüttenstadt vorerst nicht auf grünen Wasserstoff umzustellen. Das zeigt exemplarisch die Herausforderungen beim industriellen Hochlauf: Selbst bei einem Leuchtturmprojekt mit Milliardenförderung herrscht große Verunsicherung. Für uns war das wieder ein Beleg dafür, wie wichtig verlässliche politische Rahmenbedingungen, auch für den Betrieb von Wasserstoffanlagen, sind.

H₂News: Ist die Umsetzung von Clean Hydrogen Coastline durch den Projektstopp in Bremen gefährdet?

Dohler: Nein, im Gegenteil. Wir haben bewusst auf Flexibilität gesetzt. Unser Gesamtprojekt Clean Hydrogen Coastline ist nicht an einzelne Abnehmer gebunden – das unterscheidet uns von anderen Wasserstoffvorhaben. Die drei anderen Teilprojekte des Großvorhabens laufen planmäßig weiter: die Elektrolyse in Emden, der Speicher in Huntorf in der Wesermarsch und die Pipeline-Infrastruktur haben im letzten Jahr die Investitionsfreigabe erhalten und befinden sich in Umsetzung. Unser Ziel ist es, grünen Wasserstoff in das Wasserstoffkernnetz einzuspeisen, zu speichern und eine breite Abnehmerschaft zu erreichen. Das frühe Projektstadium in Bremen ermöglicht es uns, kurzfristig auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren. Übrigens bauen wie weiterhin in Bremen – allerdings eine etwas kleinere Anlage mit 10 MW Kapazität.

Dohler

Baustellenvorbereitung für den Bau des großtechnischen Wasserstoffspeichers in Huntorf (Bild: Hayo Seeba / EWE AG)

H₂News: Also ist EWE auch am Wasserstoffkernnetz beteiligt?

Dohler:  Ja, an verschiedenen Abschnitten. Wir binden den Speicherstandort Huntorf und den Elektrolyseur in Emden mit neuen Leitungen ans Kernnetz an. Außerdem betreiben wir eine 70 Kilometer lange Leitung von Wilhelmshaven nach Leer, die im Zuge der LNG-Terminal-Aktivitäten entstand. Wir haben diese „H₂-ready“ gebaut und als Umrüstleitung in das Kernnetz eingebracht. Wir wollen sie umstellen, sobald in Wilhelmshaven Wasserstoff ankommt. In Wilhelmshaven selbst planen mehrere Unternehmen große Produktionsanlagen, die dort einspeisen könnten. Zudem soll in Wilhelmshaven Wasserstoff aus Skandinavien anlanden. Viele dieser Vorhaben liegen aber gerade auf Eis.

H₂News: Was stimmt Sie denn trotz der regulatorischen Unsicherheit optimistisch für den Wasserstoffhochlauf?

Dohler: Erstens haben wir mittlerweile ein sehr gutes Verständnis für die Technologie und den Business Case. Zweitens ist die Nachfrage potenziell riesig. Deutschland hat heute schon einen Wasserstoffbedarf von 1,7 Millionen Tonnen pro Jahr. Mit den 10 GW Elektrolysekapazität, die in der Nationalen Wasserstoffstrategie für 2030 geplant waren, könnten wir 1 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff herstellen – also nicht mal den heutigen grauen Wasserstoffbedarf ganz decken. Daher entwickeln wir parallel zu Emden weitere Standorte für H2-Anlagen, die gute Voraussetzungen aufweisen: Anbindung an Speicher und die Nähe zu Netzknoten mit hoher Überspeisung, wo wir günstig Grünstrom einkaufen können. Die Stromkosten sind der Kernfaktor für die Wasserstoffproduktion, alles andere ist zweitrangig.

H₂News: Eine ketzerische Frage: Warum sollte man dann überhaupt grünen Wasserstoff in Deutschland produzieren, und nicht nur dort, wo der Grünstrom extrem billig ist, etwa in Saudi-Arabien oder Nordafrika?

Dohler: Ganz einfach: Um Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit zu sichern. Außerdem weiß ich nicht, ob der Import großer Mengen Wasserstoff aus diesen Regionen, ob per Ammoniak oder Pipeline, in absehbarer Zeit realistisch ist. Ja, irgendwann könnte das günstiger werden. Aber bis dahin sollten wir auf heimische Produktion setzen. Besonders in Norddeutschland, wo es Erneuerbare, Speicher sowie Wasser und ein kühles Klima gibt. Wir haben ideale Voraussetzungen. Darum glauben wir an diesen Weg. Aber wir gehen Schritt für Schritt, nicht „all in“.

H₂News: Das kann auch riskant sein. 2024 sah man das zum Beispiel bei Wasserstoff-Unternehmen wie HH2E, die aufgrund der unklaren Marktlage Insolvenz anmelden mussten.

Dohler: Deshalb sind wir ein Mehrspartenunternehmen mit mehreren Standbeinen: den Ausbau erneuerbarer Energien, den Ausbau der Stromnetze oder Mobilität. Wir sind auch im Bereich Telekommunikation und Breitbandausbau unterwegs, was uns insgesamt eine gute Resilienz gibt. Auch die Wärmewende wird ein riesiges Thema – allerdings nicht mit Wasserstoff.

H₂News: Eher elektrisch oder Biogas?

Dohler: Überwiegend elektrisch. In Ausnahmefällen, wo es passt, vielleicht auch mal mit einem zentralen Wasserstoffoder Biogasmodell. Aber das wird die Ausnahme bleiben – dafür ist Strom einfach zu effizient und vergleichsweise günstig.

H₂News: Zumindest in Norddeutschland. Sie sagten eingangs, der Nordwesten könnte ein neues Ruhrgebiet werden.

Dohler: Richtig. Das Ruhrgebiet ist auf Kohle entstanden, wir sitzen auf der grünen Energie – und ihren Speichermöglichkeiten. EWE stellt heute mit 37 Salzkavernen über 15 % der deutschen Erdgas-Kavernenspeicher bereit, und sie eignen sich potenziell alle zur Wasserstoffspeicherung. Hinzu kommen die vorhandenen und noch möglichen Offshore-Windparks: Potenziell sind diese Gegebenheiten ein großer Segen. Momentan monetarisieren sie sich aber noch nicht wirklich, dafür trägt der Norden eher die Lasten der Transformation.

H₂News: Wieso das?

Dohler: Die Kosten für den Netzausbau wurden den regionalen Nutzern angelastet. Der Norden ist aber deutlich dünner besiedelt als der Rest der Republik – daher zahlt man hier im Durchschnitt mehr. Darüber hinaus konnten große Verbraucher ihren Standort bisher unabhängig von den örtlichen Netzkapazitäten wählen. Es konnte für einen Investor sogar günstiger sein, in Süddeutschland zu bauen, weil dort kein Baukostenzuschuss verlangt wurde, im Norden aber schon. Das führte zu absurden Situationen: Ein Investor baut im Süden, wo wenig Erneuerbare vorhanden sind, der regionale Netzbetreiber muss neue Leitungen bauen, um seinen Strombedarf zu decken – und die Kosten dafür trägt die Allgemeinheit. Dieses System wird jetzt grundlegend geändert: Baukostenzuschüsse werden differenzierter erhoben, mit Rabatten für den richtigen Standort. Die Netzentgelte werden differenziert, und die Regel „Nutzen statt Abregeln“ nach §13k EnWG sorgt dafür, dass die Nutzung von energetischen Überschüssen – meist im Norden, künftig auch im Süden, wenn es dort mehr PV gibt – einen monetären Vorteil bringt.

H₂News: Das dürfte sich auch positiv auf den Wasserstoff auswirken.

Dohler: Genau. Wir sehen es wieder: Das alte System beruhte auf einer antiquierten Logik. Nun muss ein Umdenken stattfinden. Wie können wir die Systemkosten, die größtenteils aus Netzentgelten und Infrastrukturkosten resultieren, durch bessere Anreizsysteme dämpfen? Dadurch kommen Standortvorteile zum Tragen – nicht über Gebotszonen, sondern über Allokationssignale, die monetäre Vorteile bieten. Wir im Nordwesten haben natürlich ein Interesse daran, weil wir uns in einem geografisch privilegierten Gebiet befinden. Diesen Vorteil muss man aber auch einlösen können.

 

H₂News: Herr Dohler, vielen Dank für das Interview!

 

Weitere Informationen zu Clean Hydrogen Coastline

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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