H₂News: Herr Lazzaroni, welche Rolle spielt Wasserstoff für die Energieversorgung der Zukunft?
Marco Lazzaroni: Wasserstoff hat zahlreiche Vorteile gegenüber den traditionellen erneuerbaren Energieträgern, die für die globale Energiewende nach wie vor entscheidend sind. So ist er beispielsweise sehr effektiv bei der Dekarbonisierung schwer abbaubarer Sektoren, des Schwerlastverkehrs, der Automobilindustrie, der Luftfahrt und der Schifffahrt.
Darüber hinaus kann Wasserstoff auch zur Speicherung überschüssiger Energie aus erneuerbaren Quellen verwendet werden. Diese Energie kann dann wieder in Strom umgewandelt oder auf andere Weise genutzt werden, wenn die Nachfrage die Produktion übersteigt, was zur Stabilität der Stromnetze und zur Bewältigung von Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energie beiträgt. Wasserstoff hat großes Potenzial, weil es vielseitig einsetzbar ist. Und wenn wir von grünem Wasserstoff sprechen, gibt es noch mehr Möglichkeiten.
H₂News: Die EU hat ja klare Ziele für den Einsatz von Wasserstoff formuliert.
Lazzaroni: Die Ziele des REPowerEU-Plans sind in der Tat ehrgeizig. So sollen bis 2030 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff in den EU-Mitgliedstaaten produziert und weitere 10 Millionen Tonnen aus Nicht-EU-Ländern importieret werden. Diese Mengen würden einer Elektrolysekapazität von 65-80 GW entsprechen und damit das 40-GW-Ziel der EU-Wasserstoffstrategie für 2020 deutlich übertreffen.
Die neuesten Daten bestätigen einen sich weltweit beschleunigenden Trend mit einem erwarteten CAGR für grünen Wasserstoff von 38,77 Prozent für den Zeitraum 2024-2033 (Precedence Research). Es liegt ein sehr vorsichtiger Ansatz bei den Schätzungen zugrunde, der durch Hinweise auf eine Verlangsamung bei der Fertigstellung von Großprojekten und eine noch nicht strukturierte politische und institutionelle Unterstützung bedingt ist. Und die neuesten Daten bestätigen einen sich weltweit beschleunigenden Trend mit einer erwarteten CAGR für grünen Wasserstoff von fast 40 Prozent im Zeitraum 2024-2033.
H₂News: Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung der Wasserstoffwirtschaft?
Lazzaroni: Im Moment geht es nur um Infrastruktur, Kosten und Effizienz. Die Infrastruktur, insbesondere in Deutschland, muss teilweise von Grund auf neu aufgebaut werden, das ist teuer und geht nicht von heute auf morgen. Das ist in vielen anderen europäischen Ländern so, auch in Italien. Wir haben den Vorteil, dass wir näher an Nordafrika gelegen sind, wo wir erwarten, dass wir grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu wettbewerbsfähigen Kosten produzieren und ihn dann über Pipelines nach Kontinentaleuropa transportieren können; das ist derzeit die günstigste Art des H2-Transports.
Das strategische Projekt dazu, der ,South Corridor`, ist für Europa, für Deutschland und für Italien von strategischer Bedeutung. UFI Hydrogen befindet sich in intensiven Gesprächen mit den Hauptakteuren des Südkorridor-Projekts und kann eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung von H2-Technologie für die grüne Wasserstoffproduktion in Tunesien spielen, wo die UFI-Gruppe seit 30 Jahren mit einer lokalen Industrieanlage vertreten ist.
H₂News: Welche Wasserstoffprojekte finden Sie persönlich besonders spannend?
Lazzaroni: Ich darf praktisch jeden Tag am Technologietransfer mitarbeiten, das ist großartig. Unsere jahrelange Forschungs- und Entwicklungsaktivität rund um Wasserstoff und der zugehörigen Membrantechnologie wird nun in einem neuen, hochmodernen Forschungs- und Entwicklungszentrum gebündelt, und die Technologie zur industriellen Anwendung überführt. Parallel bauen wir gerade schon eine H2-Tech-Industrieanlage auf, um unsere sehr innovative MEA-Technologie – die sogenannten Membran-Elektroden-Einheiten – in einem sehr kurzen Zeitrahmen auf den Markt zu bringen.
Es passiert gerade sehr viel bei UFI Hydrogen und ich bin begeistert, Teil dieses Unternehmens sein zu dürfen, zusammen mit einem fantastischen Team von unglaublich talentierten Menschen, die es ermöglichen, dass dieser Traum zu einem konkreten Industrieprojekt wird. Wir sind in der Lage, die Energiewende mitzugestalten und fördern mit unserem H2-Tech-Know-how die Einführung von grünem Wasserstoff. Spannender geht´s nicht!
H₂News: Wie kam es zur Ausgründung bzw. dem Markteintritt von UFI Hydrogen?
Lazzaroni: UFI Hydrogen ist kein Spin-Off, sondern ein neues Unternehmen innerhalb der UFI Filters Group, die seit mehr als 50 Jahren für ihr Know-how im Bereich der Filtration für die Automobilindustrie bekannt ist. UFI Hydrogen ist die Idee des Unternehmers Giorgio Girondi, Chairman von UFI Filters. Er investierte seit 2017 über ein eigenes Innovationszentrum in Studien und F&E-Aktivitäten, um technologische Innovationen für den Wasserstoffsektor zu entwickeln. Nach sieben Jahren F&E-Investitionen ist das erworbene Know-how nun marktreif, und UFI Hydrogen kann, wie von Girondi nachdrücklich gewünscht, die globale Energiewende aktiv mitgestalten. Und zwar durch ein unternehmerisches Projekt, das technologische Leistung und ökologischen Fußabdruck kombiniert und zur Dekarbonisierung beiträgt.
Sehen Sie, das Unternehmen war schon immer Pionier auf dem Gebiet der Filtration, um nur einige unserer Technologien zu nennen: die Entwicklung des Panel-Luftfilters mit Polyurethanrahmen in den siebziger Jahren, die Entwicklung des Wasser-Diesel-Abscheidesystems und die revolutionäre Technologie des UFI Multitube-Luftfilters. Unsere Mission war und ist es, Markttrends zu antizipieren, die Entwicklung ist daher auch ein logischer Schritt, der sich auf unsere Wurzeln in der Filtration bezieht.
H₂News: Womit genau trägt das Unternehmen zur Energiewende bei?
Lazzaroni: UFI Hydrogen ist mit seinem Forschungs- und Entwicklungszentrum sowie als industrieller H2-Tech-Hersteller tätig, der MEA-Technologie anbietet. Diese Membrane sind der Schlüssel, um erstens die Produktion von grünem Wasserstoff durch Wasserelektrolyse voranzutreiben sowie zweitens die Umwandlung von grünem Wasserstoff in grünen Strom, drittens die Umwandlung von CO2 in E-Fuels und viertens die elektrochemische Kompression von grünem Wasserstoff zu ermöglichen.
H₂News: Was macht Ihre Wasserstoffmembranen so besonders?
Lazzaroni: Hier gibt es mehrere Aspekte: Wir forschen, entwickeln und produzieren. Unsere Membrane sind vielfältig einsetzbar und wir können bei all dem auf die außergewöhnliche Erfahrung der UFI Filters Group stützen, die auf mehr als 50 Jahre Innovation und Forschung in der Filtrationsbranche zurückblicken kann. Damit ist UFI Hydrogen prädestiniert, die Revolution der Wasserstofftechnologie voranzutreiben.
UFI Hydrogen ist zudem das einzige italienische Unternehmen unter den 11 europäischen Partnern des IPCEI-Projekts Hy2Move, das sich neben Airbus, BMW, HDF und Michelin auf den Arbeitsbereich Brennstoffzellentechnologie konzentriert. Darüber hinaus sind wir der einzige Akteur aus Italien, der sich auf die MEA-H2-Technologie spezialisiert hat und eine der leistungsstärksten MEA-Lösungen für Wasserelektrolyseure auf den Markt bringt. Außerdem arbeite wir daran, in Kürze ein 100% PFAS-freies CCM auf den Markt zu bringen.
H₂News: Wie schaffen Sie es, keine Edelmetalle verwenden zu müssen?
Lazzaroni: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Fähigkeit, eine konstant leistungsfähige, beschichtete Membran herzustellen, indem der Einsatz von Platinmetallen reduziert wird. Diese Strategie erfordert eine hochintensive und effektive Forschung zur Entwicklung verschiedener Technologien für Katalysatoren, Membranen, Nanostrukturen und Beschichtungstechniken, mit denen die MEA-Kosten durch den Einsatz billigerer Materialien und Verfahren gesenkt werden können. Darüber hinaus wird die Nachhaltigkeit der Wasserstofftechnologie notwendigerweise auch davon abhängen, inwieweit zuverlässige Recyclingverfahren eingesetzt werden können.
H₂News: Wissen Sie schon, welche Alternativen genauso gut funktionieren könnten wie Iridium und Platin, die Sie jetzt für Ihre Produkte verwenden?
Lazzaroni: Als Pionier des Sektors müssen wir natürlich eine nachhaltige Strategie haben, um den Übergang zum Wasserstoff in naher Zukunft auch mit neuen Technologien anzugehen. Sie werden verstehen, dass wir über diese Innovationen nicht ‚en detail‘ sprechen, solange wir sie nicht auf den Markt bringen.
H₂News: Nochmal kurz zu dem IPCEI Hy2Move-Programm der EU, welches u.a. die Anwendung von Wasserstofftechnologien in den Bereichen Verkehr, Antrieb und Speicherlösungen vorantreiben soll. Was genau erforscht Ihr Unternehmen im Rahmen von IPCEI Hy2Move?
Lazzaroni: Das Programm zielt darauf ab, die Emissionen im Mobilitäts- und Verkehrssektor bis 2050 um 90 Prozent zu senken und damit einen Beitrag zu den Zielen des europäischen Green Deal und der europäischen Wasserstoffstrategie zu leisten.
UFI Hydrogen wird sich mit seinem innovativen R2RMEA-Programm (Roll-to-Roll Membrane Electrode Assembly) an dem Projekt beteiligen. Ziel dieses Programms ist die Entwicklung innovativer Technologien für MEAs für Brennstoffzellen, die in Rolle-zu-Rolle-Produktionsprozessen eingesetzt werden können. Diese Technologien werden für die groß angelegte Kommerzialisierung von Brennstoffzellen für Sektoren wie den Straßenverkehr, die Schifffahrt, die Luftfahrt und stationäre Anwendungen entscheidend sein.
Die Mitgliedstaaten werden bis zu 1,4 Mrd. EUR an öffentlichen Mitteln bereitstellen, die voraussichtlich zusätzliche 3,3 Mrd. EUR an privaten Investitionen freisetzen werden. Daran sehen Sie auch die Dimension, in der hier Unternehmen aus sieben EU-Mitgliedstaaten, darunter natürlich auch Deutschland, arbeiten.
H₂News: Sehen Sie einen Unterschied zwischen dem italienischen und dem deutschen Wasserstoffmarkt, und wenn ja, was macht den italienischen Markt so besonders?
Lazzaroni: Beide Länder verfolgen das Ziel der Dekarbonisierung, aber ihre Wege und ihre Rolle in der breiteren europäischen Wasserstofflandschaft sind von sehr unterschiedlichen Faktoren geprägt. So ist Deutschland in Bezug auf die Wasserstoffstrategie und -infrastruktur weiter fortgeschritten als Italien, wobei der Schwerpunkt unserer Wahrnehmung nach auf industriellen Anwendungen und Importen zur Deckung der Nachfrage liegt.
Italien wird im Oktober seine nationale Wasserstoffstrategie vorstellen. Dem Land lässt sich aufgrund seiner in der EU führenden Erdgasinfrastruktur und seiner geografischen Lage – zentral gelegen und auch eine Brücke zwischen dem EU-Kontinent und Nordafrika – eine besondere Rolle beimessen. Hinzu kommt das Potenzial, in Zukunft auch ein wichtiger Produzent von grünem Wasserstoff zu werden. Wir können sowohl die heimischen Solarressourcen als auch die Nähe zu Nordafrika für Importe nutzen.
Den Akteuren in beiden Ländern gemein ist: Deutschland und Italien brauchen starke und strategische Partnerschaften, um bei der Einführung von grünem Wasserstoff in ganz Europa führend zu sein.
H₂News: Herr Lazzaroni, vielen Dank für das Interview!
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