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Wasserstoff im Wirtschafts-Check: Finanz-Experten bewerten den H2-Markt

Die Wasserstoff-Branche zeigt derzeit ein zwiespältiges Bild: Während Unternehmen Rekordumsätze einfahren, befinden sich einstige Branchenlieblinge in Schieflage. Um die aktuelle Lage besser zu verstehen, haben wir mehrere Finanz-Experten aus der H2-Branche zu Ihrer Einschätzung befragt. 

von | 27.11.24

Ob der Wasserstoff-Markt eine tickende Zeitbombe ist oder die Zukunft der Energiewirtschaft, wird immer wieder heiß diskutiert.
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Wasserstoff im Wirtschafts-Check: Finanzexperten bewerten den H2-Markt

Die Insolvenzen von Quantron, HH2E und Fusion Fuel werfen Fragen auf: Wie tragfähig sind die aktuellen Geschäftsmodelle? Und was bedeutet diese Entwicklung für die europäischen Wasserstoffziele? Dem gegenüber stehen die erreichten Gesamtjahresziele und Umsätze zwischen 820 und 900 Millionen Euro vom Elektrolyseur-Hersteller Thyssenkrupp Nucera. Um die Dynamik besser zu verstehen, haben wir mehrere Finanz-Experten aus der H2-Branche zu Ihrer Einschätzung befragt.

Auch auf LinkedIn haben wir unseren Followern die Frage gestellt, wie Sie die aktuelle Lage der Wasserstoff-Branche bewerten. Nehmen Sie noch bis Montag, den 2. Dezember 2024 an unserer Umfrage teil und diskutieren Sie Ihre Einschätzung mit der Community!

Frank Zimmermann (© Frank Zimmermann)

Frank Zimmermann, Geschäftsführer Wave Value GmbH:

„Die aktuellen Entwicklungen im H2 Markt zeigen sowohl Herausforderungen als auch Potenzial.

Die drohenden Insolvenzen von HH2E und anderen wie Quantron und Fusion Fuel deuten auf finanzielle Risiken hin, die durch den Ausstieg von einzelnen Investoren ausgelöst wurden. Ein Beispiel ist HH2E, dessen Projekte in Lubmin und Borna betroffen sind. Der Rückzug der Foresight Group führte hier zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung, obwohl ambitionierte Pläne wie eine Elektrolysekapazität von 4 GW in Deutschland verfolgt wurden. Hinzu kommt ein aktuell generell schwieriges Marktumfeld in der Investoren Community mit Blick auf Clima-Tech-Investments.

Insgesamt verzögert sich der Markthochlauf im H2 Markt. Nimmt man die vorhergesagten benötigten Elektrolyse Kapazitäten für das Jahr 2030 im dreistelligen GW Bereich, dann sind im Jahr 2024 hiervon ein Großteil geradeeinmal in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, d.h. Projekte sind angekündigt oder werden im Rahmen von sogenannten Feasibilty Studies geprüft.

Trotzdem ist das Bild nicht ausschließlich negativ. Projekte wie das HH2E-Werk in Borna sollen fortgeführt werden, und Unternehmen wie Thyssenkrupp Nucera melden Fortschritte, etwa durch eine steigende Nachfrage nach Elektrolyseuren. Zudem besteht in einem verzögerten Markthochlauf zB die Change für die Elektrolysehersteller ihre Technologie sowohl im Hinblick auf die industriellen Einsatzmöglichkeiten weiter zu entwickeln als auch die Kosten für die Elektrolyse deutlich zu reduzieren.

Politisch bedarf es eine klare europäische Strategie, um Wasserstoffprojekte großflächig und koordiniert voranzutreiben, statt sich in kleineren nationalen Vorhaben “zu verzetteln”. Nur so kann das volle Potenzial des Wasserstoffs als Schlüssel zur Energiewende realisiert werden.”

Andrew Eckhardt

Andrew Eckhardt (© Sven Serkis)

Andrew Eckhardt, Geschäftsführer 130456 Invest GmbH:

„Wasserstoff-Akteure wie HH2E oder Quantron kommen in Schwierigkeiten, weil der Wasserstoff-Markt sich deutlich langsamer als erhofft entwickelt. Einerseits werden häufig einfach Traumgebilde auf die Realität zurechtgestutzt: Wasserstoff wird nur in bestimmten Bereichen eine ökonomisch sinnvolle Rolle spielen. Andererseits müssen die Gestehungskosten für Wasserstoff deutlich sinken, um theoretische in tatsächliche Nachfrage zu überführen. Dazu müssen Strompreise und Regulierung runter. Zum Beispiel würde ein Verzicht auf hourly matching es extrem vereinfachen, Wasserstoffprojekte zu entwickeln und zu finanzieren. Und im europäischen ETS für CO2-Rechte bringt hourly matching auch keinen Gewinn im Kampf gegen den Klimawandel.”

 

Hourly Matching (oder zeitliche Korrelation) ist ein wichtiges Kriterium in den EU-Regelungen für grünen Wasserstoff. Im Kern bedeutet Hourly Matching, dass die Produktion von erneuerbarem Strom und dessen Nutzung für die Wasserstoffherstellung zeitlich übereinstimmen müssen – und zwar auf Stundenbasis. Konkret heißt das: Der Elektrolyseur darf nur dann „grün” produzierten Wasserstoff herstellen, wenn in der gleichen Stunde auch tatsächlich erneuerbarer Strom erzeugt wird. Diese Übereinstimmung muss für jede einzelne Betriebsstunde nachgewiesen werden. Dabei reicht es nicht aus, über das Jahr gerechnet genügend Grünstrom zu beziehen. Diese strikte zeitliche Korrelation soll sicherstellen, dass die Wasserstoffproduktion tatsächlich mit Grünstrom erfolgt und nicht indirekt fossile Kraftwerke zusätzlich belastet werden. 

Henning Prigge, Director Energy & Infrastructure Capcora GmbH:

Henning Prigge

Henning Prigge (© Capcora GmbH)

„Die Wasserstoffbranche – einschließlich derivativer Produkte wie Methanol, Ammoniak oder SAF – befindet sich in einer Phase der Konsolidierung, die nach dem Hype der letzten Jahre zu erwarten war. Die aktuellen politischen Entwicklungen trüben sicherlich die Entwicklungen, jedoch sollten gute Geschäftsmodelle auch relativ unabhängig von einzelnen Politikern funktionieren. Trotz großer Begeisterung und breitem Interesse von Gesellschaft und Politik stehen viele Marktteilnehmer vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere in den Bereichen Technologie, Finanzierung und Abnahmeverträgen.

Technologieanbieter sind zunehmend selektiv und arbeiten bevorzugt mit Projektentwicklern zusammen, deren Projekte eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit aufweisen. Gleichzeitig sind die Projekte und Projekt-Pipelines von H2, Methanol, Ammoniak und SAF extrem kapitalintensiv. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist ein frühzeitiger und diversifizierter Zugang zum Kapitalmarkt essenziell. Hinzu kommt, dass stabile Cashflows nicht mehr wie bei Solar- oder Windprojekten durch langfristige staatliche Einspeisetarife garantiert werden. Unternehmen, die langfristige, qualitativ hochwertige Abnahmeverträge mit bonitätsstarken Partnern abschließen können, sind hier klar im Vorteil.

Wenn die entscheidenden Zahnräder – Team, Standort, Netzzugang, Genehmigungen, Technologie, Finanzierung und Abnahmeverträge – reibungslos ineinandergreifen, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Projektrealisierung nach wie vor sehr gut.”

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