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„Wir stehen vor einer dreifachen Transformation”

Detlef Brüggemeyer ist seit rund einem Jahr Mitglied der Geschäftsführung beim Essener Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) OGE. Im Interview spricht der Chief Technical Officer (CTO) über die Schlüsselthemen der Gasindustrie: Transformation, Versorgungssicherheit, Wasserstoff und CO2.

von | 17.10.25

Detlef Brüggemeyer, CTO der Open Grid Europe GmbH
© Open Grid Europe GmbH
„Wir stehen vor einer dreifachen Transformation”

H₂News: Herr Brüggemeyer, vor Ihrer Zeit als CTO haben Sie die Netzplanung der OGE geleitet. Das waren sicher aufregende Jahre…

Detlef Brüggemeyer: Absolut! In meine Amtszeit fielen Entwicklungen wie das Wasserstoffkernnetz, aber auch der Ausbruch des Ukraine-Kriegs mit dem plötzlichen Wegfall des russischen Erdgases. Das waren wirklich bewegte Zeiten. Ausgerüstet mit dieser Erfahrung ergab sich dann die Chance, in die Geschäftsführung zu wechseln. Heute kümmere ich mich um den technischen Betrieb unserer Anlagen, die Projektierung für Aus- und Umbauten sowie unsere zentrale Kompetenzeinheit für Themen wie Integritätsmanagement und Arbeitssicherheit.

H₂News: Wie hat sich die Erdgasversorgung seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs entwickelt?

Brüggemeyer: Unser Netz war stark auf Gasimporte aus Russland ausgerichtet, die vor allem im Süden der Republik ankamen. Das war sehr praktisch, da dort auch große Verbraucher sitzen. Heute hat sich die Situation komplett geändert. Es kommt kein Gas mehr aus dem Osten, deshalb müssen wir das Netz größtenteils über Verbindungen aus dem Norden und Westen befüllen. Das haben wir früher teilweise gemacht, aber jetzt sind die Importe aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien, wo das Gas in Form von LNG anlandet, die wesentlichen Stützen unseres Verbrauchs. Teilweise kommt auch Gas aus Italien oder Frankreich über die Schweiz.

H₂News: Welche Rolle spielen die deutschen Offshore-LNG-Terminals für die Versorgungssicherheit?

Brüggemeyer: Ich will die Bedeutung dieser LNG-Schiffe hochhalten. Ohne sie wäre unsere Versorgungslücke einfach zu groß. Ich war vor einigen Monaten bei der Einweihung der zweiten FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) in Wilhelmshaven. Dort hörte man Stimmen, die fragten: „Ist das wirklich noch nötig?“ Ich würde sagen: ja. Man darf nicht vergessen, dass wir seit 2022 mehrere ziemlich milde Winter hatten. Aber wenn die Temperaturen einmal längere Zeit unter dem Gefrierpunkt liegen, wird es kritisch. Von daher sind diese LNG-Terminals als Puffer sinnvoll. Zum Glück haben wir sie noch nicht im vollen Umfang gebraucht – die Auslastung ist trotzdem hoch.

H₂News: Kritiker bemängeln zuweilen, diese seien überdimensioniert.

Brüggemeyer: Wir brauchen einen gewissen Puffer, das ist in der Technik üblich. Die Kapazitäten mögen in der Sommerzeit etwas überdimensioniert sein, aber dadurch bieten sie die Flexibilität, die wir brauchen, um die relativ leeren Speicher nach dem Winter in überschaubarer Zeit wieder aufzufüllen. Das Worst Case Scenario wäre, wenn wir nicht mehr genug Gas hätten, um als zentrale Drehscheibe Europas die Versorgungssicherheit unserer europäische Partner gewährleisten zu können.

H₂News: Wie beurteilen Sie die aktuelle Speichersituation mit Blick auf den kommenden Winter?

Brüggemeyer: Sofern die LNG-Verfügbarkeit auf einem ähnlichen Niveau bleibt wie in den letzten Wintern, sind wir gut aufgestellt. Ich würde mich freuen, wenn der Speicherfüllstand, der ab dem 1. November 70 Prozent betragen muss, etwas höher wäre. Auch mit den 70 Prozent kann es reibungslos klappen, aber es wäre sinnvoll, mehr zu tun.

H₂News: Haben sich durch die längeren Transportwege für den Gasbezug die Betriebskosten erhöht?

Brüggemeyer: Für den Gastransport aus dem Norden in die Verbrauchszentren in den Süden brauchen wir etwas mehr Treibgas als früher. Bei der Preisentwicklung spielt das aber keine große Rolle. Wir sehen die Kostentreiber an anderen Stellen – für Dienstleistungen und Materialien müssen wir zum Beispiel mehr zahlen, weil die Inflation auch an unserer Branche nicht vorbeigegangen ist.

H₂News: Kommen wir zu einem anderen Thema, das die Branche bewegt: Der Wasserstoffhochlauf. Das Kernnetz ist inzwischen beschlossene Sache – 9.600 km bis 2032, davon 40 Prozent durch Neubau. Ist die Umsetzung bis 2032 realistisch?

Brüggemeyer: Wir gehen davon aus, dass sie gelingt. Natürlich können einzelne Genehmigungen noch zu Verzögerungen führen, aber wir haben vorausschauend geplant und in Abstimmung mit unseren Shareholdern alle wesentlichen Entscheidungen für diese Projekte getroffen. Außerdem kommt uns das EnWG zugute: Demnach ist, was bis Ende 2027 in Betrieb gehen soll, auch ohne nochmalige Überprüfung durch den Netzentwicklungsplan (NEP) zu bauen. Das trifft auf relativ viele Maßnahmen zu; die Leitungen im Projekt GET H2 zum Beispiel, die vom LNG-Terminal Wilhelmshaven zur bp-Raffinerie im Emsland führen werden.

Karte des Wasserstoffkernetzes mit Abschnitten der OGE

Karte des Wasserstoffkernetzes mit Abschnitten der OGE (© Open Grid Europe GmbH)

H₂News: Was ist mit den Maßnahmen nach 2027?

Brüggemeyer: Diese werden im Rahmen des NEP 2025 überprüft. Sobald er vorliegt, wissen wir, wie es mit diesen Projekten weitergeht. Wir stehen zu unseren Zusagen, wollen aber nichts bauen, was laut dem NEP 2025 nicht mehr gebraucht wird. Die Netzplanung ist ein operativer Prozess. Wir reagieren als Infrastrukturbetreiber auf die Bedarfe des Marktes, indem wir unsere Planung stetig anpassen. Und vor einigen Jahren dachten viele Akteure, dass der Markt sich schneller entwickeln würde, als es dann tatsächlich der Fall war.

H₂News: Wie haben Sie Ihre Shareholder von den Investitionen ins Kernnetz überzeugt?

Brüggemeyer: Entscheidend war das Amortisationskonto, das wir gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesnetzagentur und den anderen FNB entwickelt haben. Dieses Finanzierungsmodell verteilt die Investitionen über die Zeit: Wir investieren jetzt und holen uns die Kosten zurück, wenn das Netz rentabel ist und der Wasserstoffmarkt existiert. Die Engländer nennen das treffend „Intertemporal Cost Allocation“. Dieser Kompromiss hat die Shareholder überzeugt, wenngleich er auch herausfordernde Aspekte birgt.

H₂News: Welche sind das?

Brüggemeyer: Wir bekommen zwar eine Eigenkapitalrendite auf unsere Investitionen, die mit der im Strombereich vergleichbar ist. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass der H2 Markt eben noch nicht vergleichbar entwickelt ist. Zudem gibt es einen Selbstbehalt, das bedeutet: Wenn der Wasserstoffmarkt sich nicht wie erwartet entwickelt, müssen wir als Netzbetreiber ab dem Jahr 2055 einen Teil der Verluste selbst tragen.

H₂News: Die Netzbetreiber tragen also ein unternehmerisches Risiko, das es im Strombereich so nicht gibt, erhalten aber die gleiche Rendite?

Brüggemeyer: Genau. Dass es trotzdem zu Investitionsentscheidungen kommt, zeigt den grundsätzlichen Goodwill unserer Eigentümer – sie sind bereit, diesen Weg mitzugehen. Aber bei weiteren Großinvestitionen werden sie sehr genau auf die Rahmenbedingungen schauen.

H₂News: Was müsste sich ändern?

Brüggemeyer: Wir haben drei Optionen: Entweder wir bekommen eine risikoadäquate, also höhere Verzinsung. Oder der Selbstbehalt entfällt, womit wir beim gleichen Risikoniveau wie im Strombereich wären. Oder man findet eine Lösung dazwischen. Aber so wie es jetzt ist – hohes Risiko bei niedriger Verzinsung – wird es schwierig, weitere Milliarden zu mobilisieren.

H₂News: Das klingt nach einer klaren Botschaft an die Politik…

Brüggemeyer: Es ist vor allem eine realistische Einschätzung. Wir wollen den Wasserstoffhochlauf, wir stehen dahinter. Aber wir müssen auch unseren Eigentümern gegenüber verantwortlich handeln.

H₂News: Wodurch ließe sich der Wasserstoffhochlauf infrastrukturseitig verbessern?

Brüggemeyer: Mehrere Elemente sind aus meiner Sicht notwendig. Wir bauen mit dem Wasserstoffkernnetz eine Autobahn, aber nicht alle „Verkehrsteilnehmer“ werden an dieser Autobahn liegen: An den nachgelagerten Verteilnetzen gibt es Gewerbe und Industrie, die ebenfalls Interesse an Wasserstoff haben. Daher sollten auch die Verteilnetzbetreiber ein Modell erhalten, mit dem sie ihr Risiko für Investitionen in neue Infrastruktur absichern können. Das Gleiche gilt für die neuen Wasserstoffspeicher, die wir früher oder später brauchen werden.

H₂News: Und auf der Nachfrageseite?

Brüggemeyer: Neben der mangelnden Verfügbarkeit hadern potenzielle Wasserstoffabnehmer heute vor allem mit dem Preis. Bei Kilopreisen von 10 € oder mehr finden gerade die energieintensiven Industrien keine Möglichkeit für einen Business Case. Aus unserer Sicht ist die günstigste Variante, schnell an günstigen Wasserstoff zu kommen, der blaue Wasserstoff. Die EU-Kommission hat kürzlich neue Standards für „Low Carbon Hydrogen“ verabschiedet und die Kriterien konkretisiert. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung – trotzdem wäre mehr Pragmatismus auf der europäischen Ebene hilfreich.

H₂News: Und der blaue Wasserstoff kann zu wettbewerbsfähigen Business Cases führen?

Brüggemeyer: Ja, denn blauer Wasserstoff könnte für weniger als die Hälfte dieser 10 € hergestellt werden. Er würde einen Einstieg auf breiter Front ermöglichen, weil er günstiger ist und weil Sie ihn direkten im industriellen Maßstab herstellen können.

H₂News: Gibt es einen weiteren Weg, um den Wasserstoffpreis zu reduzieren?

Brüggemeyer: Ja, es gibt eine Alternative: Die Bundesregierung könnte über H2Global und andere Förderprogramme große Mengen grünen Wasserstoffs aus dem In- und vor allem Ausland bereitstellen. Die Wirkung wäre ähnlich. Ich bin mir aber nicht sicher, ob solche Maßnahmen dauerhaft funktionieren. Das würde dem Staat und vor allem den Steuerzahlern eine Menge Geduld und Zahlungsbereitschaft abverlangen.

H₂News: Für Sie als Netzbetreiber hat die Bundesnetzagentur den Preis bereits festgelegt: 25 €/kWh/h/a. Ist das akzeptabel?

Brüggemeyer: Das passt erst einmal zu dem Amortisationskonto-Modell. Aber in dem Modell wird unterstellt, dass ganzjährig gebucht wird. Wenn jetzt die Kraftwerke dazukommen und mit unterjährigen Buchungen mit den geplanten Multiplikatoren nicht auf die entsprechenden Summen kommen, dann ist das ein Problem.

H₂News: Hat OGE eigentlich schon feste Lieferverträge mit Wasserstoffabnehmern geschlossen?

Brüggemeyer: Wir sind mit zahlreichen Interessenten im Gespräch, sowohl mit der chemischen Industrie als auch Kraftwerksbetreibern. Allerdings ist es zu früh für verbindliche Verträge mit langen Laufzeiten. Denken Sie an die aktuelle Diskussion um die Ausschreibung von neuen Gaskraftwerken.

Schrägansicht der H2-Trainingsstrecke in Werne

Schrägansicht der H₂-Trainingsstrecke in Werne (© Open Grid Europe GmbH)

H₂News: Gab es bei Ihren bisherigen Erfahrungen im Wasserstoffbetrieb besondere technische Herausforderungen?

Brüggemeyer: Die ersten Schritte waren herausfordernd. Wir haben lange Projekte zum Thema Umstellung durchgeführt, zum Beispiel im Rahmen von TransHyDE. Inzwischen beherrschen wir Leitungsumstellung und -betrieb aber sehr sicher. Wir haben sogar eine eigene Wasserstoff-Trainingsstrecke in Werne gebaut, die am 12. September offiziell eröffnet. Hier geben wir unser Wissen an angehende Wasserstoffnetzbetreiber weiter und zeigen, worauf bei der Umstellung und der täglichen Praxis zu achten ist.

H₂News: Wie optimistisch sind Sie insgesamt für den Markthochlauf?

Brüggemeyer: Ich bin vorsichtig optimistisch. Die Finanzierung des Kernnetzes ist erstmal sicher, aber – und das ist entscheidend – wir dürfen uns nicht zurücklehnen und darauf vertrauen, dass der Markt von alleine kommt. Wir müssen die Rahmenbedingungen aktiv verbessern: bezahlbaren Wasserstoff ermöglichen, nachgelagerte Netze anbinden, klare politische Signale setzen. Das gilt auch für den Wasserstoffimport aus Europa: Potenzielle Exporteure wie Spanien und Portugal liegen relativ nah, müssen aber über Pipelines Deutschland erreichen können.

H₂News: Daran arbeiten Sie mit vier anderen FNB im Projekt H2Med. Insgesamt sind über 2.500 km von Portugal über Spanien und Frankreich nach Deutschland geplant, 450 km davon offshore. Wie ist der Zeitplan?

Brüggemeyer: Ab 2030 soll der erste Wasserstoff nach Deutschland geliefert werden. Wir zielen natürlich darauf, eine Synchronität mit dem Kernnetz herzustellen, damit der Hochlauf des Netzes nicht daran scheitert, dass kein grüner Wasserstoff vorhanden ist. Von daher resultiert unsere Beteiligung an H2Med auch aus voller Überzeugung: Durch diese Pipeline werden wir langfristig auf große Mengen grünen Wasserstoffs zugreifen können und dann entsprechende Preiseffekte sehen. Den konkreten Zeitplan vertiefen wir gerade mit unseren Partnern. Zudem sind spezielle Genehmigungsfragen zu klären, insbesondere für den Offshore-Abschnitt zwischen Barcelona und Marseille.

Karte des transnationalen Wasserstoffkorridors H2med

Karte des transnationalen Wasserstoffkorridors H2med (© Open Grid Europe GmbH)

H₂News: Welche anderen H2-Importrouten sehen Sie?

Brüggemeyer: Man kann erstmal H2Med weiterführen: Von der iberischen Halbinsel ist es nicht mehr weit bis nach Marokko, Algerien oder Tunesien. Dort gibt es exzellente Rahmenbedingungen für die grüne Wasserstoffproduktion. Europa sollte daher ein massives Interesse daran haben, den Infrastrukturbetreibern entsprechende Transportrouten zu ermöglichen. Außerdem sehen wir Korridore über Belgien und die Niederlande. Zudem könnte Wasserstoff in Ammoniakform in Wilhelmshaven anlanden. Mit unserer Küstenleitung, die von Willhelmshaven über das Emsland nach NRW führt, wären wir dafür gut aufgestellt.

H₂News: Sie sind Mitglied im Verwaltungsrat des europäischen Verbandes der Wasserstoffnetzbetreiber (ENNOH). Wie erleben Sie die Stimmung?

Brüggemeyer: Dort schaut man stark auf Deutschland, weil wir vergleichsweise weit sind. Gerade das Amortisationskonto ist ein Modell, das andere FNB gerne kopieren würden. Ich glaube, wenn wir ein ähnliches De-Risking-Modell auf gesamteuropäischer Ebene etablieren, würde das gewaltige Kräfte freisetzen.

H₂News: Das führt uns zum zweiten großen Zukunftsbereich der OGE: dem CO2-Transport. OGE ist hier seit Jahren stark engagiert. Wieso ist das Thema für Sie so wichtig?

Brüggemeyer: Wenn wir bis 2045 komplett dekarbonisiert sein wollen, werden Elektrifizierung und Wasserstoffnutzung nicht ausreichen. Wir brauchen zusätzlich einen Weg, um mit dem CO2 umzugehen, das bei vielen Prozessen wie beispielsweise der Zementproduktion oder der Müllverbrennung, unvermeidbar ist. Daher ist CO2-Transport für uns die dritte Säule der Energiewende.

H₂News: Welche Projekte verfolgen Sie hier konkret?

Brüggemeyer: Wir schauen in drei Richtungen. Für das Holcim-Zementwerk in Lägersdorf prüfen wir eine Anbindung nach Brunsbüttel. Auch im Ruhrgebiet und im Kölner Raum gibt es viele Emittenten, die „hard to abate“ sind, also ihre Emissionen ohne CO2-Abscheidung nicht verhindern können. Wir planen hier Projekte wie den Delta Rhine Corridor mit der Gasunie, der eine Verbindung vom Ruhrgebiet nach Rotterdam herstellen soll. Drittens prüfen wir mit Fluxys einen etwas südlicheren Korridor, der vom Ruhrgebiet über den Kölner Raum zum Hafen von Antwerpen führt. Von dort kann das CO2 durch Equinor zu den Gasfeldern in der Nordsee geführt und verpresst werden.

H₂News: Wie weit sind Sie dabei?

Brüggemeyer: Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen Planungsstadien. Wir konzentrieren uns auf die Transportwege, während unsere potenziellen Kunden prüfen, welche CO2-Qualitäten sie sicherstellen können. Eine weitere Frage ist, wer das CO2 verpresst, nachdem wir es vom Kunden an die Küste transportiert haben. Die Finanzierbarkeit ist bei all dem wieder sehr wichtig, ähnlich wie beim Wasserstoffnetzausbau. Hinzu kommt: Bevor das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) in novellierter Form vorliegt und den Leitungsbau für CO2-Transport in Deutschland endlich ermöglicht, können wir nichts bauen.

H₂News: Die regulatorischen Lücken bestehen also nach wie vor?

Brüggemeyer: Ja. Das KSpG ist immer noch in der Diskussion. Zudem hat Deutschland noch nicht die Änderung von Artikel 6 des London Protokolls ratifiziert, die den Export von CO2 in andere Staaten erlaubt. Von daher gilt aktuell ein Exportverbot. Die Bundesregierung arbeitet seit Jahren an dem KSpG und der Ratifizierung des London-Protokolls, aber wir sehen kaum Fortschritte.

H₂News: Angenommen, die Regulatorik wäre vorhanden – ließe sich der Aufbau einer CO2-Infrastruktur privatwirtschaftlich stemmen?

Brüggemeyer: Eher weniger. Ich denke wie gesagt, dass wir auch bei diesem Thema auf deutscher oder europäischer Ebene über De-Risking sprechen müssen. Das Ergebnis könnte ein Amortisationskonto sein, wie wir es beim Kernnetz gesehen haben.

H₂News: Fassen wir zusammen: Erdgas läuft, Wasserstoff kommt morgen, CO2 übermorgen?

Brüggemeyer: So kann man es sagen. Wir stehen vor einer dreifachen Transformation: Erdgas über neue Quellen sichern, Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, CO2-Infrastruktur vorbereiten. Alle drei Säulen sind für die Klimaneutralität 2045 notwendig. Die technischen Herausforderungen bekommen wir hin – da bin ich als Ingenieur optimistisch. Beim Erdgasnetz stehen wir gut da, und beim Wasserstoff sind wir als OGE für die Maßnahmen bis 2027 im Zeitplan. Aber wir brauchen zwingend die richtigen Rahmenbedingungen, realistische Finanzierungsmodelle und klare politische Signale.

H₂News: Was passiert, wenn diese Änderungen ausbleiben?

Brüggemeyer: Dann haben wir ein Problem. Einstein hat gesagt: „Wahnsinn ist, immer das Gleiche zu versuchen und auf ein anderes Ergebnis zu hoffen.“ Wir können nicht einfach Infrastruktur aufbauen und hoffen, dass die Kunden schon kommen werden. Unsere Industrie steht im globalen Wettbewerb, und wir müssen die Weichen jetzt richtig stellen.

H₂News: Herr Brüggemeyer, vielen Dank für das Interview!

 

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