Der Verband Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft e. V. warnt vor einem Rückschritt für die europäische Klimapolitik: Der Entwurf des Delegierten Rechtsakts zur Bewertung kohlenstoffarmer Brennstoffe verfehle aus Sicht der Branche die selbst gesteckten Ziele der EU-Kommission. Er definiere die Kriterien sehr streng. So streng, dass laut des Gas- und Wasserstoffwirtschaft e.V. blauer Wasserstoff praktisch keine Marktchancen erhält.
Dr. Timm Kehler, Vorstand des Verbands, kritisierte: „Die EU-Kommission legt mit diesem Entwurf der eigenen Energiepolitik Steine in den Weg. Sie widerspricht damit nicht nur den Zielen ihres eigenen Gasmarktpaketes, sondern blendet auch zentrale Empfehlungen des Draghi-Reports aus.”
Die Branche sehe einen fundamentalen Widerspruch zum Clean Industrial Act, der eigentlich Investitionen in klimafreundliche Technologien fördern soll. Stattdessen schaffe der Rechtsakt neue Hürden für den Einsatz unterschiedlicher Wasserstoffproduktionsmethoden.
Unrealistische Annahmen
Ein zentraler Kritikpunkt des Gas- und Wasserstoffwirtschaft e.V. betrifft die im Entwurf verankerten Annahmen zu Methanemissionen in der Erdgas-Vorkette. Der Verband bewertet diese als „pauschal extrem hoch” und nicht differenziert genug. Selbst hocheffiziente Projekte zur Produktion von blauem Wasserstoff könnten dadurch als nicht regelkonform eingestuft werden.
Dies steht im Widerspruch zu internationalen Klimaneutralitätsszenarien, die blauem Wasserstoff eine wichtige Rolle zuschreiben. Wer Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit verbinden will, müsse laut Kehler möglichst viele Werkzeuge zur CO2-Reduktion ermöglichen. Blauer Wasserstoff sei dabei kein Relikt von gestern, sondern ein notwendiger Baustein für eine bezahlbare und verlässliche Transformation.
Bürokratische Hürden statt Investitionsanreize
Die Verknüpfung mit der Unionsdatenbank schafft nach Ansicht des Verbands zusätzliche bürokratische Komplexität. Auch innovative Verfahren wie Methan-Pyrolyse und -Plasmalyse, die Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff umwandeln, würden durch den Rechtsakt faktisch ausgeschlossen.
„Der Entwurf zeigt einmal mehr: Brüssel setzt weiterhin auf Kontrolle statt auf Markt – und schwächt damit die eigenen Klimaziele. Das ist nicht nur ein industriepolitisches Risiko, sondern ein strategischer Fehler – gerade im globalen Wettbewerb um klimafreundliche Technologien”, so Kehler.
Appell an die neue Bundesregierung
Der Verband appelliert an die neue Bundesregierung, sich für technologieoffene, pragmatische und verlässliche Rahmenbedingungen einzusetzen. Nur so könne Europa den eigenen Anspruch erfüllen, gleichzeitig Industriestandort und Klimavorreiter zu sein.
Die Expertengruppe der EU-Kommission berät in Brüssel über den umstrittenen Entwurf. Von ihren Empfehlungen hängt maßgeblich ab, ob die EU ihren Kurs korrigiert oder an den kritisierten Regelungen festhält.