Der VDI hat die Bundesregierung aufgefordert, den Wasserstoffhochlauf mit konkreten Maßnahmen voranzutreiben. Die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele zur Förderung von grünem Wasserstoff werden in der Praxis bislang unzureichend umgesetzt. Mit zwei konkreten Maßnahmenpaketen und 28 Einzelempfehlungen will der Verband das „Henne-Ei-Problem” beim Wasserstoffhochlauf lösen und fordert mehr Pragmatismus sowie weniger Bürokratie und Überregulierung.
Die aktuellen Anforderungen setzen die Hürden so hoch, dass Fortschritte ausbleiben, kritisiert Professor Michael Sterner, VDI-Wasserstoffexperte und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Sterner zieht einen Vergleich zur Photovoltaik-Entwicklung: Hätte man vor 25 Jahren beim Erneuerbare-Energien-Gesetz ähnlich restriktiv agiert, wäre die heutige Solarindustrie nie entstanden.
Der Koalitionsvertrag enthält zwar positive Ansätze wie beschleunigte Genehmigungsverfahren, bleibt jedoch bei entscheidenden Punkten zu vage, so der VDI. Die weitere Förderung von Wasserstoffnutzung und -erzeugung durch Reduktion der Abgabenlast fehlt ebenso wie konkrete Umsetzungsschritte.
Das Henne-Ei-Problem
Der Hochlauf einer funktionierenden Wasserstoffwirtschaft scheitere derzeit am klassischen Dilemma zwischen Angebot und Nachfrage. Sowohl potenzielle Erzeuger als auch Anwender von grünem Wasserstoff stehen vor erheblichen Risiken. Laut Energieversorgungsunternehmen stammen nur etwa fünf Prozent des in Deutschland produzierten Wasserstoffs aus erneuerbaren Quellen.
„Es braucht jetzt eine koordinierte politische Unterstützung, die beide Risiken gezielt adressiert – und das über 2030 hinaus”, betonte VDI-Direktor Willig. Die Maßnahmenpakete des VDI zielen darauf ab, sowohl das Mengen- als auch das Erlösrisiko innerhalb des Wasserstoffhochlaufs zu minimieren.
Im Rahmen der VDI-Initiative „Zukunft Deutschland 2050” hat ein Expertengremium konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet. Das erste Maßnahmenpaket soll die Erzeugung von grünem Wasserstoff fördern und ihn wettbewerbsfähig gegenüber fossilen Energieträgern machen. Das zweite Paket fokussiert sich darauf, die industrielle Nachfrage zu stärken, unter anderem durch den Aufbau eines Handels mit grünem Wasserstoff. Die 28 Einzelmaßnahmen umfassen Steuervergünstigungen, gezielte Förderinstrumente wie Differenzkostenmodelle sowie Weiterentwicklungen der THG-Quote und Grüngasquote. Der VDI-Zukunftsdialog Wasserstoff brachte dafür Stakeholder aus der gesamten Wertschöpfungskette zusammen – von Behörden über Infrastrukturbetreiber bis zu Anwendern und Erzeugern.
Wasserstoff als Schlüssel zur Industriedeckarbonisierung
Grüner Wasserstoff ist laut den VDI-Experten unverzichtbar für die Defossilisierung der Industrie. Besonders schwer elektrifizierbare Prozesse in der Luft- und Schifffahrt sowie im Schwerlastverkehr benötigen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe als klimaneutrale Alternative. Auch für die saisonale Speicherung erneuerbarer Energien – insbesondere während „Dunkelflauten” – sei Wasserstoff unerlässlich.
„Preis- und Abnahmegarantien helfen dem Hochlauf. Nur wenn Unternehmen verlässlich mit Wasserstoff planen können, investieren sie in die nötige Infrastruktur und Technologien”, erklärte Energieexperte Sterner. Wettbewerbsfähige Preise und Planungssicherheit bilden die Grundlage für industrielle Investitionsentscheidungen.
Der VDI fordert Politik und Wirtschaft auf, die vorgelegten Empfehlungen umzusetzen und den Wasserstoffhochlauf systematisch zu gestalten. „Unsere Empfehlungen stehen bereit. Nutzen Sie unser Know-how, damit aus Visionen endlich Wirklichkeit wird”, appelliert VDI-Direktor Willig.
Impulse und Maßnahmen für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland