17. Mai 2024 | Der Bund der Wasserstoffregionen (BdWR) hat ein Konzept zur Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs auf regionaler Ebene vorgestellt. Das „H2Regional” genannte Programm umfasst Vorschläge für eine Förderarchitektur, die Unternehmen aus dem Verkehrs- und Industriesektor flächendeckend zum Einsatz von Wasserstoff befähigen soll. Das Positionspapier haben die BdWR-Sprecher Stefan Kerth, Landrat des LK Vorpommern-Rügen, Jürgen Müller, Landrat des Kreises Herford, Bernd Lütjen, Landrat des LK Osterholz sowie Tilman Wilhelm, Leiter Politik und Kommunikation des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches) am Mittwoch (15. Mai) im Bundesministerium für Digitales und Verkehr an Verkehrsminister Volker Wissing übergeben.
H2Regional ist in zwei Konzepte gegliedert: Ein Konzept für Investitionskosten (CAPEX)-dominierte Bereiche wie dem Verkehrssektor auf der einen und ein Konzept für Betriebskosten (OPEX)-dominierte Bereiche wie der Wasserstoffproduktion auf der anderen Seite. Die Vorschläge des Papiers sollen regionale Wirtschaftsakteure dazu befähigen, eigene Investitionen in die Transformation des Energiesystems zu tätigen.
Die regionale Wasserstofferzeugung trage zur regionalen Wertschöpfung und Standortsicherung bei, heißt es in einer vom DVGW veröffentlichten Presseerklärung. Weiterhin können Synergien zur Systemstabilität gehoben werden, etwa über eine höhere Resilienz des Gesamtsystems und weniger Verdichter-Anlagen im Kernnetz. Stefan Kerth, Landrat des Landkreises Vorpommern-Rügen, erklärte:
„Der in den Regionen verwurzelte Mittelstand ist nicht nur das viel zitierte ‘Rückgrat der deutschen Wirtschaft’, sondern nach wie vor ein entscheidender Wachstumsmotor. Es liegt auch an der Bundesregierung, diesen Akteuren die wirtschaftlich tragfähige Teilnahme am Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu ermöglichen. Das durch den BdWR erarbeitete und pragmatisch gehaltene Konzept namens ‘H2Regional’ weist den entsprechenden Weg dorthin.“
„Maßgeschneiderte Förderkulisse” für die Dekarbonisierung
Im Verkehrssektor hat die Bundesregierung durch Instrumente wie dem Gesetz zur Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge, die CO2-Maut und die EU-Flottenverordnung die Anschaffung einer großen Anzahl von Brennstoffzellenbussen und -nutzfahrzeugen in Deutschland bis 2030 forciert. Laut Gesetzeslage müssen bis 2025 u. a. jährlich ca. 950 und ab 2026 jährlich bis zu 1.350 emissionsfreie Busse im ÖPNV beschafft werden. Diese Investitionen werden häufig von kommunalen Unternehmen und Stadtwerken mitgetragen.
Bei der Industrie legt die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) einen Schwerpunkt auf die Chemie- und Stahlherstellung. Mit ca. 52 Prozent der Beschäftigten und ca. 33 Prozent des gesamten deutschen Umsatzes stellen jedoch Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) das Rückgrat der deutschen Wirtschaft dar. Bei der Dekarbonisierung der Prozesswärme mit Wasserstoff stehen heute viele dieser Unternehmen vor großen Herausforderungen. Diese Industrieunternehmen werden laut BdWR jedoch bei den aktuellen Planungen zur nationalen Wasserstoffwirtschaft kaum berücksichtigt.
Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW und ein Sprecher des BdWR, erklärte, der Wasserstoffhochlauf in Deutschland könne nur regional gelingen. Die rund 1.800 an das Gasverteilnetz angeschlossenen Unternehmen benötigten „dringend” eine „maßgeschneiderte Förderkulisse”, um den potentiell verfügbaren Wasserstoff nutzen zu können: „Der Bund der Wasserstoffregionen hat mit H2Regional hierfür einen geeigneten Vorschlag entwickelt und steht als Partner für die ressortübergreifende Diskussion mit der Bundesregierung bereit. Diese muss nun schnellstens erfolgen. Von der Stärkung der regionalen Akteure profitiert das ganze Land.“
Das vollständige Positionspapier in Lang- und Kurzfassung finden Sie hier.
Hintergrund
In Deutschland ist bis zum Jahr 2030 die Installation von rund 20 Gigawatt (GW) an Elektrolyseleistung geplant. Dies geht laut dem DVGW aus einer Analyse der BBH Consulting Group u.a. auf Basis von Daten der International Energy Agency hervor. Allerdings liege nur für ca. 0,63 GW eine finale Investitionsentscheidung vor. Damit befinde sich Deutschland weit unterhalb des in der NWS formulierten Ziels von 10 GW realisierter Kapazität im Jahr 2030.
Die geplanten Projekte mit Investitionsentscheidung dienten dabei vornehmlich dem Eigenverbrauch von Großindustrien wie Stahlwerken. Demnach könne ein Transformationsprozess unter Einbindung von Wasserstoff für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und den Verkehrsbereich nicht ohne geeignete Fördermaßnahmen gelingen. Schlimmstenfalls könne das Fehlen von Finanzmittel die Transformation ganzer Sektoren verzögern. Dies führe wiederum zu höheren Energiekosten sowie zu höheren Kosten beim Emissionshandel, bei emissionsabhängigen Abgaben und zu Strafzahlungen.
Der vor rund einem Jahr gegründete Bund der Wasserstoffregionen (BdWR) versteht sich als „Kompetenzplattform für die politischen Akteure regionaler Wasserstoffkonzepte”. Es kommen (Ober-)Bürgermeisterinnen und -Bürgermeister sowie Landrätinnen und Landräte von aktuell über 30 Wasserstoffregionen und der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) zusammen, um aus den Erfahrungen regionaler Wasserstoffkonzepte zu lernen und konkrete politische Ableitungen zu treffen. Zudem ist der Deutsche Landkreistag als kommunaler Spitzenverband unterstützend an Bord.
(Quelle: DVGW/2024)