Das BMWE unter Ministerin Katherina Reiche (CDU) will mit dem am Montag (7. Juli) veröffentlichten „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Verfügbarkeit von Wasserstoff und zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den Wasserstoffhochlauf sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“ die Wasserstoffwirtschaft massiv ankurbeln. Dabei rückt sie vom Fokus auf grünen Wasserstoff ab, der den im Mai 2024 verabschiedeten Entwurf der Ampel-Regierung geprägt hatte. Das BMWE führt die Länder- und Verbändeanhörung zum Referentenentwurf noch bis zum 28. Juli 2025 durch.
Mit dem Gesetz soll der Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur „schneller, unbürokratischer, digitaler und umfassender“ werden. Dabei geht es um „klimaneutral produzierten“ Wasserstoff und nicht etwa nur „erneuerbaren“ oder „grünen“. Der Gesetzentwurf impliziert damit eine Gleichbehandlung von grünem und blauem Wasserstoff – auch „blaue“ H₂-Projekte aus Erdgas mit CO₂-Abscheidung und -speicherung könnten von den Beschleunigungsregelungen profitieren.
Der Gesetzentwurf erfasst die komplette Wasserstoff-Wertschöpfungskette. Einbezogen werden Elektrolyseure, der Import von Wasserstoff und Derivaten wie Ammoniak und Methanol sowie die Speicherung und der Transport. Zusätzlich soll der Bau von Anlagen zur Herstellung strombasierter Kraftstoffe (e-Fuels) beschleunigt werden.
Überragendes öffentliches Interesse mit Wasserschutz-Klausel
Zentral ist die Festlegung, dass Wasserstoffvorhaben bis 2045 im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Dies gelte lediglich nicht, „wenn durch die Wasserentnahme die öffentliche Wasserversorgung oder der Wasserhaushalt erheblich beeinträchtigt werden kann“.
Eine weitere wichtige Ergänzung betrifft das Bergrecht: Natürlicher Wasserstoff soll im Bundesberggesetz als bergfreier Bodenschatz definiert werden. Eine solche Einstufung erleichtert die Erschließung natürlicher Wasserstoffvorkommen, da Unternehmen keine Verträge mehr mit Grundstückseigentümern über die Abbaurechte schließen müssen. Zu den bergfreien Bodenschätzen zählen Erze wie Eisen, Kupfer und Zink, aber auch fossile Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas.
BMWE will Vereinfachung und Digitalisierung von Verfahren
Eine zentrale Neuerung ist die angestrebte Digitalisierung aller Genehmigungsverfahren. Der Referentenentwurf schreibt vor: „Das Genehmigungsverfahren ist elektronisch durchzuführen.“ Dies umfasst die komplette Verfahrensabwicklung – von der Antragsstellung über die Behördenbeteiligung bis zur öffentlichen Auslegung. Erörterungstermine sollen grundsätzlich wegfallen.
Für die Gerichtszuständigkeiten definiert das Gesetz konkrete Schwellenwerte: Oberverwaltungsgerichte entscheiden künftig in erster Instanz über Elektrolyseure ab 30 Megawatt Leistung und Wasserstoffspeicher ab 25 Tonnen Kapazität. Das Bundesverwaltungsgericht soll für Importterminals zuständig werden – eine Regelung, die eine Instanz einspart und damit die Verfahren erheblich beschleunigen könnte.
Die Äußerungsfristen werden von einem Monat auf zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfristen verkürzt. Für wasserrechtliche Verfahren sieht das Gesetz Entscheidungsfristen von sieben Monaten vor, für Planfeststellungsverfahren maximal zwölf Monate.
Auch die Vergabeverfahren sollen bis zum 1. Januar 2030 beschleunigt werden. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen dann zusammen vergeben werden, „wenn wirtschaftliche Gründe, technische Gründe oder zeitliche Gründe dies rechtfertigen“. Nachprüfungsverfahren vor Vergabekammern könnten zudem künftig nach Aktenlage entschieden werden, und Vorabentscheidungen über Zuschläge müssten binnen einer Woche getroffen werden.
Verbände warnen vor Lücken bei Finanzierung und Begleitinfrastruktur
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßte den Gesetzentwurf in einem Statement. Als positiv bewertet der Verband die pragmatische Herangehensweise, insbesondere den Willen zur Digitalisierung, sowie die Ausdehnung des öffentlichen Interesses auf blauen Wasserstoff. Der BDEW kritisierte jedoch die Reduzierung der Finanzplanung der Nationalen Wasserstoffstrategie bis 2032 auf ein Drittel. „Haushaltsmittel für die wichtige systemdienliche sowie offshore Elektrolyse fehlen“, so Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Der Wasserstoffhochlauf dürfe nicht unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Zusätzlich fordert der BDEW gemeinsam mit 13 weiteren Verbänden eine Wasserstoff-Allianz auf EU-Ebene.
Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) attestiert dem Gesetzentwurf „wichtige Erleichterungen für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur“. Sebastian Bolay, DIHK-Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie, hob in seinem Statement ebenfalls die Ausweitung des Anwendungsbereichs sowie das überragende öffentliche Interesse für alle Infrastrukturprojekte bis 2045 hervor. Dennoch sieht Bolay „Verbesserungspotenziale“:
„So bleibt unverständlich, warum die vorgesehenen Sonderregelungen für Fristverkürzungen sowie die Zentralisierung und Digitalisierung von Verfahrensschritten nicht für alle Genehmigungsverfahren eingeführt werden.“ Die DIHK bemängelt zudem, dass die benötigte Begleitinfrastruktur noch nicht erfasst werde: „Die Zulassung der bei den meisten dieser Projekte benötigten Gewerbeflächen, Netzanschlüsse oder Zufahrtswege würde mit den aktuellen Plänen weiterhin nicht beschleunigt.“










