08. Januar 2023 | Die Aurora Energy Research GmbH hat im Auftrag der Initiative Energien Speichern e.V. (INES) eine Kurzanalyse zum Wasserstoff-Kernnetz erarbeitet. Sie betrachtet darin verschiedene Angebots- und Nachfrage-Szenarien sowie die daraus resultierenden Importkapazitäten. Ihr Ergebnis: Das Netz könnte auch langfristig stark überdimensioniert sein.
Aurora warnt im Auftrag der INES: Das Kernnetz könnte weit größer dimensioniert sein, als der langfristige Bedarf erfordert. Dies könnte dazu führen, dass weite Teile der Inetzinfrastruktur ungenutzt bleiben.
Im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) hatten die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) am 15. November 2023 der Bundesnetzagentur (BNetzA) einen Antragsentwurf für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur vorgelegt. Er schlägt die Schaffung eines Wasserstoff-Kernnetzes mit einer Leitungslänge von 9.721 km vor. Das H2-Netz würde insgesamt über 13 Grenzübergangpunkte (GÜP) verfügen, die H2-Importe und -exporte bis zu einer Kapazität von 59 GWh/h ermöglichen. Ausgelegt ist dieses Modell auf eine Wasserstoff-Verbrauchsmenge von 279 TWh. Das geplante Wasserstoffnetz soll bis 2032 vollständig in Betrieb genommen werden. Auf Grundlage dieses Antragsentwurfes hat Aurora Energy Research GmbH eine Kurzanalyse durchgeführt.
Für die mittlere Perspektive bis 2030 weisen die beiden Aurora-Szenarien „Central” und „Net Zero” mit 73 bzw. 123 TWh einen niedrigeren Wasserstoffverbrauch aus als die Nachfrageschätzungen der Fernleitungsnetzbetreiber. Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geht in seiner Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie lediglich von einer Nachfrage von 95 bis 130 TWh im Jahr 2030 aus.
Aurora schätzt H2-Nachfrage geringer ein
Zur vollständigen Deckung des Wasserstoffverbrauchs aus Auroras Central-Szenario sind gemäß der Analyse Importkapazitäten von mindestens 10 GWh/h erforderlich. Damit beinhalteten die in der H2-Kernnetzplanung vorgeschlagenen Importkapazitäten von 59 GWh/h eine signifikante Überbauung gegenüber den mittelfristig notwendigen Kapazitäten.
Aurora konzediert, dass die FNB bewusst eine deutliche Überbauung der tatsächlichen Netzbedarfe anstrebten, um die Netzinfrastrukturen frühzeitig auf spätere Wasserstoffbedarfe vorzubereiten. In der langfristigen Perspektive bis 2050 weisen auch die Aurora-Szenarien Central und Net Zero mit 303 bzw. 562 TWh höhere Wasserstoffverbrauchsmengen aus, allerdings zeige die weitergehende Analyse, dass im Central-Szenario trotzdem nur 28 GWh/h pipelinegebundene Importkapazitäten benötigt werden. Auch im Net Zero-Szenario liegen die benötigten Grenzübergangskapazitäten bei nur 52 GWh/h.
Die Ergebnisse wurden zwar nicht im Rahmen einer hydraulischen Wasserstoffnetzmodellierung gewonnen, verdeutlichen nach Auffassung der Studienautoren aber, dass verschiedene Szenarien zu einem wesentlich niedrigeren Bedarf an Importkapazitäten führen könnten
Wasserstoff-„Kernnetz” oder Wasserstoff-„Zielnetz”?
Sebastian Heinermann, Geschäftsführer der INES, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen:
Die vollständige Aurora-Kurzanalyse finden Sie hier.„Angesichts der enormen Wasserstoffverbrauchsmengen scheint das Wasserstoff-Kernnetz vielmehr ein Wasserstoff-Zielnetz zu sein und die Wahrheit ist, dass wir das Ziel noch gar nicht genau sehen können. Die Aurora-Kurzanalyse führt uns vor Augen, wie groß die Unsicherheiten bei der Netzplanung derzeit noch sind und wie groß das Risiko ist, dass jetzt Überkapazitäten entwickelt werden, die vielleicht nie eine Auslastung erfahren.
Wir empfehlen deshalb, diejenigen Teile des Wasserstoffnetzes zu identifizieren, für die sich eine Relevanz über mehrere Szenarien ergibt. Für diese Netzteile erscheint eine Dimensionierung auf längerfristige Bedarfe sinnvoll.“