Adrian Odenweller und Falko Ueckerdt vom PIK ziehen in ihrer Untersuchung eine ernüchternde Bilanz: Mehr als 60 Länder haben in den vergangenen sogenannte Wasserstoffstrategien entwickelt, besonders für den Industriesektor. Doch die Realität bleibt weit hinter den Ambitionen zurück. So wurden laut der PIK-Studie 2023 weniger als zehn Prozent der ursprünglich angekündigten Projekte zur grünen Wasserstoffproduktion tatsächlich realisiert. Um diese Erkenntnis dreht sich die neue Studie, die das PIK am 14. Januar im renommierten Fachmagazin “Nature Energy” veröffentlicht hat.
Massive Verzögerungen und vielfältige Markthemmnisse
„In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht“, erklärt PIK-Forscher und Studienleiter Adrian Odenweller. Die Analyse zeigt jedoch, dass nur sieben Prozent der für 2023 angekündigten Produktionskapazität fristgerecht fertiggestellt wurden. Als Hauptgründe identifiziert die Studie gestiegene Kosten, mangelnde Zahlungsbereitschaft auf der Nachfrageseite sowie Unsicherheiten bezüglich künftiger Förderung und Regulierung.
Diese Einschätzung bestätigen die Erfahrungen aus der Praxis. In der aktuellen Folge von H2 on air beschreibt Prof. Michael Sterner von der OTH Regensburg konkrete Hindernisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette: „Der größte Showstopper ist die finanzielle Unsicherheit. Aber wie will man Investoren gewinnen, wenn sich die Regulierung ständig ändert?” Er verweist dabei auf langwierige Genehmigungsverfahren bei Förderprogrammen wie IPCEI, die dazu führten, dass “viele private Investoren inzwischen wieder abgesprungen sind.”
Milliarden-Subventionen erforderlich
Der Finanzbedarf für die Realisierung der angekündigten Projekte ist enorm: „Es wären zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von etwa einer Billion US-Dollar erforderlich, um alle angekündigten Wasserstoffprojekte bis 2030 zu realisieren”, betont PIK-Forscher Falko Ueckerdt. Dieser Subventionsbedarf übersteigt die bisher angekündigten globalen Fördermittel bei weitem.
Die PIK-Studie identifiziert insgesamt drei zentrale Lücken:
- Die Umsetzungslücke für vergangene Projekte
- Die zukünftige Ambitionslücke
- Die zukünftige Umsetzungslücke
Als Lösungsansatz empfehlen die PIK-Forscher eine zweigleisige Strategie: Kurzfristig sollten gezielte Subventionen und nachfrageseitige Regulierung wie verbindliche Quoten den Markthochlauf unterstützen. Langfristig sei jedoch der Übergang zu technologieneutralen Marktmechanismen wie der CO2-Bepreisung entscheidend.
Pragmatischer Ansatz gefragt
Im H2News-Podcast plädiert Prof. Sterner zusätzlich für einen pragmatischeren Ansatz: „Lasst es uns einfach machen statt kompliziert.” Er verweist auf die Bilanz des US-amerikanischen Inflation Reduction Acts als positives Beispiel für eine einfache und verständliche Förderung. Zudem empfiehlt er, verstärkt auf regionale Wertschöpfungsketten zu setzen: „Das funktioniert immer dann gut, wenn zum Beispiel eine Kommune für die nächsten 15 Jahre festlegt: Unsere Schulbusse fahren mit Wasserstoff. Dann hat man eine fixe Abnahme, einen fixen Preis in der Erzeugung – und schon ist ein Business Case entstanden.”
Trotz der aktuellen Herausforderungen gibt es auch positive Signale: „Weltweit haben wir etwa 1.600 Projekte in der Pipeline“, berichtet Sterner. „Was mich besonders hoffnungsvoll stimmt: 230 davon haben jetzt eine Final Investment Decision (FID).” Auch die technologische Entwicklung macht Fortschritte, insbesondere im Bereich der alkalischen Elektrolyse, wo chinesische Hersteller bereits deutliche Kostensenkungen erreichen konnten.
Die PIK-Forscher warnen dennoch vor fossilen Lock-In-Effekten, die Unternehmen langfristig an fossile Energieträger binden und damit die Klimaziele gefährden könnten. Für einen erfolgreichen Wasserstoffhochlauf sei es entscheidend, die identifizierten Umsetzungslücken durch realistische Planung und effektive Förderinstrumente zu schließen.
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