26. Januar 2024 | Das Fraunhofer IEG hat eine Studie zur Wasserstoffversorgung veröffentlicht. Die Autoren analysieren und bewerten darin alle Transportoptionen von Wasserstoff und seinen Derivaten. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass kleine Verbraucher auch ohne Pipelines mit ausreichend Wasserstoff versorgt werden könnten.
Die Analyse hat 543 Nachfragestandorte in Deutschland den verschiedenen Anwendungsfällen zugeordnet und hinsichtlich ihrer Versorgungsmöglichkeiten mit Wasserstoff und seinen Derivaten untersucht. Anwendungen sind die Herstellung von Ammoniak, Stahl, petrochemischen Basischemikalien und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen sowie die Bereitstellung von Prozesswärme in der Metallerzeugung und -bearbeitung, der Herstellung von Glas und Keramik sowie der Papierindustrie. Aus einer Szenarioanalyse leitet die Studie dann eine branchen- und regionenspezifische Wasserstoffnachfrage ab.
„Die derzeitige Diskussion um den Anschluss an das künftige Pipeline-Netz greift zu kurz“, erklären Christoph Nolden und Thorsten Spillmann vom Fraunhofer IEG, die Erstautoren der Studie. Andere Infrastrukturen wie das Schienennetz oder Wasserstraßen könnten gerade in der Hochlaufphase für zahlreiche Standorte eine Alternative darstellen.
Bei der Ermittlung der standortspezifischen Versorgungsoptionen gebe es zwei Hauptaspekte:
- Welches Wasserstoffprodukt wird für die Anwendung benötigt: gasförmiger oder flüssiger Wasserstoff, Ammoniak, Methanol oder und Fischer-Tropsch-Produkte?
- Durch welche Infrastruktur ist der Standort erreichbar: Binnenschifffahrtsstraßen, Schienennetz, Wasserstoffkernnetz oder Produktpipelines?
Maßnahmen neben dem Wasserstoff-Kernnetz
Die Studie analysiert unterschiedliche Verkehrsträger, die Wasserstoffderivate zum industriellen Endverbraucher liefern können. Dabei geht sie davon aus, dass im Jahre 2035 das geplante Wasserstoff-Kernnetz installiert ist. Im Vordergrund stehen drei Fragen:
- Wann ist der Transport von Wasserstoffderivaten jenseits des Wasserstoff-Kernnetz sinnvoll?
- Was folgt daraus für die nationale Importstrategie?
- Wo gilt es, die bestehende Transportinfrastrukturen zu stärken?
Schon heute seien Binnenschiffe eine etablierte Transportoption für Stoffe wie Ammoniak, Methanol oder flüssige Kraftstoffe. Der Großteil der betrachteten Standorte weise Wasserstoffbedarfe auf, die über einen großen Güterzug transportierbar wären. Da der Inlandstransport nur einen Teil der gesamten Versorgungskette ausmacht, führen die unterschiedlichen Transportoptionen nur zu geringen Differenzen in den Gesamtkosten.
Daher schlägt die Studie parallel zum Ausbau des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes unter anderem folgende Maßnahmen vor:
- Ausbau des Schienennetzes, da der Wegfall des Transportes von fossilen Energieträgern durch Wasserstoff-Derivate überkompensiert wird.
- Die baldige Veröffentlichung einer differenzierten Wasserstoff-Importstrategie, die einen klaren Rahmen schafft für die Bezugsmöglichkeiten und Verwendung von importiertem Wasserstoff in seinen verschiedenen Formen etwa als Ammoniak, Methanol oder andere Basischemikalien.
- Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Energieträgern und internationale Standards.
- Eine kontinuierliche integrierte Planung und Adaption der Transportinfrastrukturen für Wasserstoff und andere Stoffe, wie beispielsweise CO₂.
„Insbesondere für Standorte, die nicht Wasserstoff, sondern dessen Folgeprodukte verarbeiten, ist deren direkter Bezug unter Umständen kostengünstiger”, ergänzen die Studienautoren.
Bereitstellungskosten von Wasserstoff
In die ökonomische Bewertung flossen die Kosten für die Bereitstellung von Wasserstoff und seinen Derivaten sowie spezifische Transport- und Umwandlungskosten ein. Derivate können dabei entweder als Trägermedien eingesetzt werden, aus denen der Wasserstoff nach dem Import extrahiert wird, oder direkt verwendet werden. Dabei würden sie bislang auf fossiler Basis bereitgestellte Produkte ersetzen und mit der existierenden Inlands-Produktion im Wettbewerb stehen.
Die in der Studie modellierten Bereitstellungskosten variieren zwischen 3.400 und 16.000 €/t Wasserstoffäquivalent (€/tH₂eq). Mit einem Kostenanteil zwischen 41 % und 100 % stellen die Importkosten die dominierende Kostenkomponente dar. Die inländischen Transportkosten stellen mit einem mittleren Kostenanteil von 5 % in den meisten Fällen einen untergeordneten Kostenfaktor dar.
Ein Großteil (85 %) der betrachteten Standorte weise eine vergleichsweise geringe jährliche Nachfrage von unter 150 GWh Wasserstoffäquivalent (GWhH₂eq) auf. Etwa 11 % der Standorte weisen eine jährliche Nachfrage von über 500 GWhH₂eq auf. Hierunter fallen die industriellen Großanwendungen in der Herstellung von Basischemikalien und Stahl sowie dem Einsatz von Ammoniak und synthetischen Flugturbinenkraftstoffen. Der Transport von Wasserstoff(derivaten) per Binnenschiff oder Bahn stellt in vielen Fällen eine mögliche Alternative oder Ergänzung zur pipelinegebundenen Standortversorgung dar.
Die Studie wurde im Rahmen des Projekts „HySupply – Deutsch-Australische Machbarkeitsstudie zu Wasserstoff aus erneuerbaren Energien“ in Auftrag gegeben und gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Zum Download der Studie









