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H2-Branche auf dem Prüfstand: Hoffnungsträger melden Insolvenz an

Die  Wasserstoffbranche steht vor einem Einschnitt: Gleich zwei prominente Unternehmen –  H2-Lkw-Hersteller Quantron und Wasserstoff-Produzent HH2E – haben innerhalb weniger Wochen Insolvenz angemeldet. Die Entwicklung, zu der sich die Schieflage des portugiesischen Herstellers Fusion Fuel gesellt, wirft Fragen über die Stabilität der Geschäftsmodelle sowie die Erreichbarkeit der europäischen Wasserstoffziele auf.

von | 25.11.24

Hier sollte das Großprojekt in Lubmin entstehen – jetzt ist seine Zukunft ungewiss
Insolvenz

Nach Insolvenz: Quantron im Verkaufsprozess

Trucks

H2-LKW QHM FCEV (© Quantron)

Die Quantron AG durchlebt schwere Zeiten: Am 31. Oktober meldete das 2019 gegründete Start-up aus dem bayerischen Gersthofen Insolvenz an. Das auf reichweitenstarke Wasserstoff-Lkw spezialisierte Unternehmen hatte in den vergangenen Jahren mehrfach von sich Reden gemacht, unter anderem durch volle Auftragsbücher – zu den Kunden gehörte zum Beispiel Ikea Wien. Die Bayern erhielten mehrere Großbestellungen aus dem Ausland: So sollten etwa 14 Lkw nach Großbritannien geliefert werden und bis zu 500 Lkw in die USA. Anfang des Jahres hatte man mit einem Wechsel in der Führungsetage den “Beginn einer neuen Entwicklungsstufe” einläuten wollen. Das Motto: „Time to Deliver”. Damit ist es erstmal vorbei.

Derzeit befindet sich Quantron in einem „strukturierten Verkaufsprozess”. Wie der vorläufige Insolvenzverwalter Constantin Graf Salm-Hoogstraeten vergangene Woche mitteilte, werde der Betrieb zunächst mit „rund 40″ von über 100 Mitarbeitern fortgeführt. Die Gehälter habe man für das letzte Quartal 2024 durch eine Bankzusage sichern können.

Wie es für das Unternehmen weitergeht, hängt von den möglichen Investoren ab. Im Rahmen des strukturierten Verkaufsprozesses soll die M&A-Beratung Raab und Kollegen jetzt potenzielle Käufer im In- und Ausland identifizieren. Die Ursachen für die Finanzkrise des einstigen Überfliegers sind laut der Kanzlei von Graf Salm-Hoogstraeten gerade Gegenstand von Untersuchungen. Bis Ende Dezember soll der Insolvenzverwalter dem Amtsgericht Augsburg ein Gutachten vorlegen.

HH2E-Projekt Lubmin vor möglichem Aus

Zwei Wochen später meldete ein weiterer Hoffnungsträger der deutschen H2-Branche Insolvenz an: Die Hamburger HH2E AG und ihre Tochtergesellschaft HH2E Werk Lubmin GmbH mussten sich in die vorläufige Eigenverwaltung begeben. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg bestellte am 12. November Gordon Geiser von GT Restructuring zum vorläufigen Sachwalter. HH2E, in den Medien zuweilen als „Habecks Flaggschiff” bezeichnet, wollte bis 2030 Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von 4 Gigawatt aufbauen – fast 40 Prozent der in der Nationalen Wasserstoffstrategie anvisierten Gesamtkapazität.

Der unmittelbare Auslöser der Krise: Die britische Foresight Group verweigerte als Mehrheitseigner die Finanzierung eines Großprojekts in Lubmin. Auf dem Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Greifswald sollte für 45 Millionen Euro eine 1-GW-Anlage entstehen. Foresight war im Juli 2023 in das Projekt eingestiegen, die Inbetriebnahme der ersten 100 MW war schon für das nächste Jahr geplant. Ende August hatte der Projektierer den Bauvertrag mit einem lokalen Ingenieurbüro unterzeichnet. Laut „taz” hatte sich die finanzielle Schieflage schon im Jahresabschluss 2023 angekündigt, der einen Fehlbetrag von fast 4,7 Millionen Euro auswies. Zur Stabilisierung hat das Unternehmen nun die „Restrukturierungsexperten” Sascha Feies und Karl-Friedrich Curtze von der Kanzlei Görg ins Management aufgenommen.

Das 2020 gestartete Unternehmen hofft jetzt auf einen neuen strategischen Investor. Erste Interessenten haben sich nach Unternehmensangaben bereits gemeldet. Immerhin: HH2E’s zweites Großprojekt ist nicht von den Turbulenzen betroffen, denn die zuständige Gesellschaft HH2E Werk Thierbach GmbH bleibt von dem Insolvenzverfahren verschont. Sie plant seit Anfang 2023 den Bau einer 100-MW-Elektrolyse in der Nähe von Leipzig, die perspektivisch ebenfalls einen Gigawatt-Maßstab erreichen soll.

Hochlauf im Sinkflug?

Nicht nur in Deutschland wackelten zuletzt einige H2-Hoffnungen. Die portugiesische Tochtergesellschaft des Wasserstoffproduzenten Fusion Fuel steht vor der Insolvenz. Am 14. November kündigte der Entwickler neuartiger Solar-zu-Wasserstoff-Module an, den Investor Hydrogenial S.A. wegen ausbleibender Zahlungen verklagen zu wollen. Zusätzlich droht ein Delisting von der Nasdaq, da der Aktienkurs seit längerem unter einem US-Dollar liegt. Als Folge davon hat die Muttergesellschaft am 19. November 70 % der Quality Industrial Corp. übernommen, einem fossilen Erdgasversorger aus Dubai. Das Unternehmen wolle sich neu ausrichten, hieß es in einer Pressemitteilung. Eine überraschende Entwicklung angesichts der Tatsache, dass die EU Fusion Fuels 650-MW-Projekt „HEVO” kürzlich für Fördermittel im Rahmen der Hy2Infra-Welle ausgewählt hatte.

Solar-Modul von Fusion Fuel

Dass Projekte es nicht zur FID schaffen, kennt die H2-Branche zur Genüge – aber dass Unternehmen mit Multimillionen-Projekten plötzlich zahlungsunfähig werden, ist eher die Ausnahme. Sollte sich hier ein Trend abzeichnen, dürften die EU ihre Wasserstoff-Ausbauziele verfehlen. Wie ein aktueller Monitoring-Bericht kürzlich zeigte, rücken diese ohnehin schon in immer weitere Ferne.  Doch noch ist es zu früh für Defätismus. Alexander Voigt, Mitgründer und Vorstandsmitglied der HH2E, erklärte anlässlich seiner Insolvenzmeldung: „Obwohl die Einleitung der Eigenverwaltung nicht Teil unseres ursprünglichen Plans war, sind Herausforderungen in der Anfangsphase für neue Unternehmen nicht ungewöhnlich.“  Der Übergang zu einer 100% erneuerbaren Energiewirtschaft sei unaufhaltsam, da grüner Wasserstoff langfristig eine Schlüsselrolle im Energiemix spielen werde.

Langfristig ist Voigt sicher zuzustimmen. Wasserstoff wird kommen, aber womöglich später als erhofft und mit anderen Playern als gedacht. Weitere Experten-Meinungen zu dem Thema lesen Sie hier.

(Quellen: Quantron, BBL, HH2E, Fusion Fuel /2024)

 

 

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