Wer auf der HTE war, weiß: Die Wasserstoffbranche steht an einem Wendepunkt. Nachdem die ersten Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen wurden, rückt die industrielle Skalierung in den Fokus. Dies zeigt sich besonders in der Anlagentechnik. Wie viele Aussteller betonen, zeichnen sich zwei Entwicklungslinien ab:. Neben standardisierten Containerlösungen im Bereich von 5-20 Megawatt entstehen immer mehr Großanlagen mit 100, 200 oder sogar 500 Megawatt.
Überraschend ist die Renaissance des Wasserstoff-Verbrenners, der aufgrund seiner geringeren Anforderungen an die Gasreinheit als Übergangstechnologie an Bedeutung gewinnt. Bei der Elektrolyse holt die alkalische Variante gegenüber der PEM-Technologie auf, wobei die Kosteneffizienz in Installation und Betrieb als entscheidender Faktor gilt. Ein weiterer Trend: Vor allem mittelständische Industrieunternehmen zeigen laut den Ausstellern ein verstärktes Interesse an der Wasserstoffnutzung. Die heimische H2-Produktion gewinnt dabei an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Import.
Herausforderungen: Wirtschaftlichkeit bleibt Knackpunkt
Die größte Hürde für die Marktdurchdringung bleibt die Wirtschaftlichkeit. Mit Wasserstoffpreisen von etwa 20 Euro pro Kilogramm (plus Logistikkosten) ist der Energieträger oft noch weit von der Rentabilitätsschwelle entfernt, die bei etwa 9 Euro pro Kilogramm liegt.
Die Verfügbarkeit von Wasserstoff-Nutzfahrzeugen entwickelt sich ebenfalls langsamer als erhofft. OEMs bringen Fahrzeuge nur zögerlich in größeren Stückzahlen auf den Markt. Zudem erschwert die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Wasserstoff für Brennstoffzellen und Verbrennungsmotoren die Marktentwicklung. Ein weiteres Hemmnis ist die schleppende Standardisierung. Die Entwicklung technischer Normen und Standards dauert länger als erwartet, was besonders die Komponentenhersteller vor Herausforderungen stellt.
Wasserstoff-Kernnetz als Meilenstein
Die kurz vor der Messe erfolgte Genehmigung des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes wurde von den Ausstellern durchweg positiv aufgenommen. Das 9.000 Kilometer lange Pipelinenetz wird als entscheidender Schritt zur Marktentwicklung gesehen. Sobald eine kontinuierliche Einspeisung und Entnahme möglich ist, erwarten die Experten eine deutliche Beschleunigung der Marktentwicklung.
Die technische Umsetzung stellt die Industrie allerdings vor neue Aufgaben. Bei der Umrüstung bestehender Erdgasleitungen müssen die besonderen Eigenschaften von Wasserstoff berücksichtigt werden. Komponentenhersteller arbeiten bereits an angepassten Lösungen für Armaturen und Messeinrichtungen. Doch nun zu den Unternehmen im Einzelnen.
Mess-, Analyse- und Sicherheitstechnik
Endress + Hauser: Jens Hundrieser, Regional Industry Manager Europe
- „Der Trend geht besonders bei PEM-Elektrolyseuren dahin, direkte Parameter für die Stack-Lebensdauer zu messen. Zudem wird die Wasserstoffqualität immer wichtiger - die 99,999% können nur erreicht werden, wenn man die Wasseraufbereitung und den Prozess im Griff hat."
- „Obwohl Wasserstoff eines der Bereiche mit dem größten Wachstumspotenzial ist, macht die Branche aktuell eine gewisse Durststrecke durch. Die Kunden werden preissensibler und wollen wirklich nur das bezahlen, was benötigt wird."
- „Die Final Investment Decision (FID) ist ein großes Thema - trotz nationaler H2-Strategie und H2-Beschleunigungsgesetz wirken die Gesetzgebungen noch nicht so, wie sie gedacht sind. Zudem gibt es bei der europäischen Standardisierung und Normierung aktuell ein gewisses Vakuum."
- „Aktuell liegt unser Fokus auf der grünen Wasserstoffherstellung. Wir können alle Elektrolyseur-Arten nahezu komplett ausrüsten - von der Wasseraufbereitung über die eigentliche Elektrolyse bis hin zur Wasserstoff-Qualitätsmessung am Ausgang."
HY-QM: Fabian Haasenleder, Entwicklungs- und Projektingenieur
- „Wir haben sehr häufig erlebt, dass Kunden zunächst davon ausgehen, kein Problem bei der Wasserstoffqualität zu haben - aber durch unsere Analysen lernen sie ihre Anlagen dann viel genauer kennen, etwa bei verschiedenen Betriebsprozessen (wie z.B. Spülprozesse) oder Wartungsintervallen."
- „Auf der HTE zeigen wir unser Messsystem und unser Web-Portal, in dem Kunden die Analysedaten live sehen können. Wir wollen demonstrieren, dass Messtechnik aus Kundensicht gar nicht kompliziert sein muss - am Ende bekommt der Kunde eine anschauliche und einfache Echtzeitdarstellung." (HY-QM) (Mehr dazu erfahren Sie hier)

Illya Kaufman (2.v.l.) und Wladimir Barskyi (3.v.l.) erläutern ihre Sensortechnik am HTE-Stand (© Archigas)
Archigas: Wladimir Barskyi & Illya Kaufman, Gründer und Geschäftsführer
- „Der Markt entwickelt sich auf jeden Fall weltweit dynamisch. In allen Regionen der Welt wird in diese Richtung entwickelt und eingesetzt - das gibt uns große Hoffnung, dass die Entwicklung auch durch wirtschaftliche Krisen nicht gebremst wird."
- „Unser Sensor hat entscheidende Vorteile: Er ist sehr klein und kann direkt im Prozess implementiert werden. Dazu ist er extrem schnell in der Reaktionszeit und kann bei hohem Druck messen. Wichtig ist auch die Feuchteresistenz - unser Sensor funktioniert selbst wenn er komplett in Wasser getaucht würde, was gerade bei der Kondensatbildung in der Elektrolyse ein enormer Vorteil ist."
- „Vor einem echten Wasserstoff-Energiesystem sind wir noch meilenweit entfernt. Dafür muss noch viel passieren - vor allem brauchen wir mehr grünen Strom und die Skalierung der Elektrolyse muss vorangetrieben werden."
Pilz GmbH & Co. KG: Armin Glaser, Vice President Strategy and Cooperation
- „Viele Anwender und Hersteller verstehen Sicherheit beim Wasserstoff primär als Robustheit und Dichtheit der eingesetzten Komponenten. Es aber mehr dazu: wir setzen auf Lösungen für die sichere und dynamische Überwachung von Prozessgrößen und von ganzen Prozessabläufen. Gleichzeitig treten Anforderungen nach dem Bedienerschutz, der Zugangsberechtigung und von OT-Security-Maßnahmen mehr und mehr in die Wahrnehmung. Nicht zuletzt durch die Vorgaben der NIS2 und der kommenden Maschinenverordnung."
- „Wasserstoff ist für uns eine wichtige strategische Branche. Wir wollen unsere über 40-jährige Erfahrung auf den Bereich Wasserstoff übertragen und die erprobten Lösungen für neue Anwendungsfelder bereitstellen. Pilz versteht sich dabei seit seinen industriellen Anfängen immer als ein „Botschafter der Sicherheit“.
- „Wir zeigen auf der HTE mehrkanalige Sicherheitssysteme für die Überwachung der gesamten H2-Prozesskette. Bei erkannten Fehlern begrenzt ein erprobtes und ausgereiftes Sicherheitssystem die Fehlerreaktion und setzt nur die betroffenen Teile still. Dies dient der Verfügbarkeit."
- „Jeder Unfall oder sicherheitsrelevante Vorfall ist mindestens eine Motivationsbremse für die gesamte Technologie. Bei einer neuen Technologie mit vielen Start-ups, die experimentieren, muss Sicherheit von vornherein betrachtet werden – nachträglich wird sie teuer und aufwendig."
JUMO GmbH & Co. KG: Rainer Moritz, Branchenmanager Erneuerbare Energien
- „Ein wichtiger Trend ist, dass mehr und mehr die Frage nach Harmonisierung und Zertifizierung für Wasserstoff aufkommt. Wenn die Pilotphasen Richtung Ende gehen und es in die Skalierung für Industrieanwendungen geht, wird Zertifizierung ein immer wichtigeres Thema."
- „Unsere Engineering-Abteilung setzt Projekte um, bei denen die Messdaten dauerhaft erfasst, gespeichert und über die Cloud ausgewertet werden können - so dass man jederzeit per App den aktuellen Druck in der Anlage abrufen kann."
Infrastruktur & Komponenten
Interapp GmbH: Marco Carrano, Sales Director Domestic DACH
- „Was wir sehr stark merken, ist der weltweite Trend zur Dekarbonisierung, bei dem der grüne Wasserstoff viel mehr im Vordergrund steht als früher. Es wird deutlich öfter angefragt, was wir dazu beitragen können und welche Produkte wir in diesem Bereich anbieten."
- „Wir wollen den Leuten auf der HTE zeigen, was wir mit unseren Klappen aktuell abdecken können, aber auch erfahren, wo die Reise hingeht - gerade was Druck und andere Anforderungen angeht."
- „Der Druck ist aktuell unsere größte Begrenzung. Die Bianca-Klappen, die wir selbst herstellen, sind im Druckbereich bis 16 bar - das ist für Wasserstoff je nach Anwendung nicht sehr hoch. Das wird sicher die Challenge für die Zukunft sein."
- „Die große Herausforderung beim Kernnetz ist die Dichtheit der Pipelines. Wasserstoff hat eine andere Flüchtigkeit, was für Dichtungen und Materialien herausfordernd ist. Für uns ist die spannende Frage, welche Klappenspezifikationen künftig für die Pipeline benötigt werden."
Maximator Hydrogen GmbH: Mathias Kurras, Geschäftsführer
- „Der Wasserstoff-Verbrenner spielt heute eine viel größere Rolle als noch letztes Jahr. Bei Verbrennern ist es auch weniger kritisch, wenn der Reinheitsgrad nicht bis ins letzte ppm passt, was z.B. Verunreinigungen wie Stickstoff, Kohlenwasserstoffe oder Wasser betrifft – das macht die gesamte Technologiekette in der Übergangszeit einfacher“
- „In Deutschland haben wir durch die steuerliche Behandlung eine besondere Herausforderung: Wasserstoff für Brennstoffzellen wird anders besteuert als für Verbrenner. Das bedeutet, dass an Tankstellen unterschiedliche Nachweise erforderlich sind für das gleiche Molekül.“
- „Das Kernnetz ist der nächste logische Schritt. Wir haben viel auf der Produktionsseite getan, und mit dem Netz können wir einen physischen Austausch von Wasserstoff erreichen. Sobald man immer einspeisen und entnehmen kann, gibt es eine Sicherheit, die heute noch fehlt."
Walther-Präzision GmbH
- „Im 700-bar-Bereich kommt als nächstes Mid-Flow mit einer Erweiterung des Receptacles auf eine größere Nennweite, danach folgt 700-bar-High-Flow. Da wird im Moment über das ISO-Gremium dran gearbeitet, aber alles entwickelt sich etwas langsamer als erhofft."
- „Wir bieten Kupplungssysteme für gasförmigen Wasserstoff, für 700 bar, 350 bar und zugehörige Nottrennkupplungen an. Unsere Lösungen reichen von der Fahrzeugbetankung für PKW, Busse und LKW bis hin zu Trailer-Betankungen."
- „Die Standardisierung dauert sehr lange: der Markt wartet darauf, dass Standards veröffentlicht werden. So ist die genaue Richtung der Technologie-Entwicklung noch nicht fixiert und für uns als Hersteller eine zusätzliche Herausforderung- wir unterscheiden derzeit zwischen flüssigem und gasförmigem Wasserstoff sowie der Batterie-Elektromobilität als drittem Pfad, und es ist noch nicht klar, was sich für welche Anwendung wie durchsetzen wird.“
Systemintegration & Anlagenplanung
GP JOULE Hydrogen: Olaf Jäger-Roschko, Geschäftsführer
- „Im Vergleich zu der Zeit vor zwei Jahren denken wir heute größer, mit größeren Standorten. Wir sehen auch eine bessere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importwasserstoff als damals gedacht. Wir sehen zudem vermehrt Mittelständler, die in Prozessen mit hohem Temperaturbedarf anfangen, Wasserstoff einzusetzen. Das sind nicht die Großindustrieunternehmen, sondern kleinere Betriebe, mit denen wir zunächst in Beratungsprojekten die Möglichkeiten eruieren."
- „Wir präsentieren auf der HTE unsere intelligente Trailersteuerung. Mit unserem patentierten System haben wir eine Universallösung für den Wasserstofftransport geschaffen, die einfach anzuwenden, effizienzsteigernd und an allen Abfüllstandorten einsetzbar ist."
- „Im Wesentlichen fehlt es an der Verfügbarkeit der Fahrzeuge. Es mangelt an OEMs, die kurzfristig LKWs in größeren Stückzahlen auf den Markt bringen, und gleichzeitig ist in der Speditionsbranche derzeit jeder Cent wichtig."
- „Das Kernnetz ist für uns absolut relevant: Einerseits wird unser Standort Lubmin angeschlossen, andererseits entstehen durch die neue Sicherheit weitere Projekte, bei denen wir unsere Trailersteuerung als Übergangslösung einsetzen können.
Griesemann Gruppe: Andreas Gaßmann, Manager Engineering New Technologies and Process und Gert Saerens Bereichsleiter eFuels
- „Es gibt aktuell zwei Welten: Die einen Kunden bauen Anlagen zwischen 5 und 20 MW in standardisierten Containern, die anderen planen 100 oder 200 MW-Anlagen, die immer in Gebäuden untergebracht werden müssen - das sind zwei völlig verschiedene Planungsansätze. Bei der Elektrolyse gibt es momentan PEM und alkalische Technologie sowie neue Entwicklungen. Die alkalische Technologie holt jetzt etwas auf, aber das Rennen ist noch nicht gemacht - am Ende werden die Kosten entscheiden, sowohl für die Anlage als auch für den Betrieb.“
- „Neben unserem Leistungsportfolio stellen wir besonders das DLR-Projekt vor, bei dem wir erstmals nicht nur das Engineering und die Errichtung übernehmen, sondern auch als Betreiber fungieren werden. Das ist sehr unüblich für eine Engineering-Firma und ein echtes Alleinstellungsmerkmal.“
- „Das große Problem ist, dass es noch keinen richtigen Abnehmermarkt für den Wasserstoff gibt. Ohne etablierte Preise kann momentan niemand einen wirklichen Business Case aufstellen - das ist ein klassisches Henne-Ei-Problem." (Andreas Gaßmann, Griesemann Gruppe)
- „Das Kernnetz ist extrem wichtig, denn Gas lässt sich eigentlich nur sinnvoll über Pipelines transportieren. Wir haben Anfragen von Unternehmen wie etwa Glashütten, die ihre Brenner gerne mit Wasserstoff betreiben würden, aber man kann das nicht über LKW-Lieferungen machen." (Andreas Gaßmann, Griesemann Gruppe)
Zeppelin Power Systems: Keno Leites, Leiter Brennstoffzellenzentrum

Keno Leites (1.v.r.) mit dem HTE-Team von Zeppelin Power Control Systems (© Zeppelin Power Control Systems)
- „Wir sehen in bestimmten Anwendungsbereichen ganz klar die Notwendigkeit der Emissionsreduzierung - nicht nur CO2, sondern auch Lärm und Vibrationen. Gerade im Baubereich, in Häfen und Städten wird das ein zunehmendes Thema. Unsere europäischen Nachbarländer sind hier teilweise schon deutlich weiter."
- „Wir zeigen auf der HTE unseren Demonstrator - ein hybrides Brennstoffzellen- und Batterie-System für Baustellen- oder Industrieanwendungen. Damit demonstrieren wir, dass wir die Technologie verstehen, vor allem die Sicherheitsanforderungen und das Automationskonzept für einen möglichst effizienten Betrieb."
- „Stationäre Energiesysteme mit Brennstoffzellen hängen von verschiedenen Faktoren ab. Unter anderem vom H2- und Stromnetzausbau in Deutschland. Für unsere Kunden in der Industrie sowie für die Umwelt ist es also gleichermaßen wichtig, dass Wasserstoff flächendeckend verfügbar ist und nicht auf bestimmte Regionen beschränkt bleibt. Insofern begrüßen wir den Beschluss, das Wasserstoff-Kernnetz auszubauen.“
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