Laut France Hydrogène-Studie konnte der Wasserstoffsektor in Frankreich seine positive Entwicklung 2024 trotz schwieriger wirtschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen fortsetzen. Wie der Verband in seinem dritten Jahresbarometer berichtet, zeigt sich der Fortschritt besonders im Ausbau von Produktionskapazitäten und der Tankstellen-Infrastruktur.
Elektrolyse
Die installierte Elektrolysekapazität erreichte demnach 35 Megawatt (MW), weitere 315 MW befinden sich im Bau oder in der finalen Planungsphase. Für Deutschland finden sich hierzu unterschiedliche Angaben. Laut den Zahlen des Wasserstoffkompass der DECHEMA sind derzeit rund 153,7 MW in Deutschland installiert. Die H2-Bilanz von Eon nennt für den August 2024 111 MW, ein Bericht der staatlichen Förderbank KfW vom November 2024 beziffert die Leistung auf 66 MW.
Zudem sagt der KfW-Bericht, dass sich rund 322 MW Elektrolyseleistung derzeit im Bau bzw. dem Stadium einer finalen Investitionsentscheidung (FID) befinden – also ungefähr so viel wie in Frankreich. Dabei beläuft sich die geplante Gesamtkapazität in Deutschland je nach Quelle auf 10 bis 13 Gigawatt (GW), die Mehrheit dieser Projekte steckt aber noch in einem frühen bis sehr frühen Phase. Deutschland will zudem massiv auf Importe: In der Importstrategie nennt die Bundesregierung einen Importbedarf von 50–70% des gesamten Wasserstoffbedarfs ab 2030 (45–90 TWh). In Frankreich gibt es keine vergleichbare Importstrategie.

Links: installierte bzw. geplante Elektrolysekapazität; rechts: gebaute bzw. geplante Wasserstofftankstellen (© France Hydrogène)
Frankreich zielt in seiner nationalen Wasserstoffstrategie auf eine Gesamtleistung von 6,5 GW. Um dieses Ziel zu erreichen, entstehen zahlreiche neue Elektrolyseure. 2024 nahmen Standorte unter anderem in Belfort, Dijon und in der Nähe des Hypster-Speicherprojekts in Etrez nördlich von Lyon den Betrieb auf. Eine Besonderheit der französischen Herangehensweise an die Wasserstoffproduktion sorgt in Deutschland oft für Kontroversen: Die französische Wasserstoffstrategie berücksichtigt auch Atomkraft im Kontext der Stromversorgung für Elektrolyseure. Spezifisch wird der „post-ARENH" (Regulated Access to Incumbent Nuclear Electricity) Kontext genannt; Frankreichs „low-carbon electricity mix" sei ein Wettbewerbsvorteil. Allerdings wird die Rolle der Atomkraft für die Wasserstoffproduktion nicht explizit ausgeführt oder quantifiziert.
Infrastruktur
Auch bei der Infrastrukturentwicklung verfolgen Deutschland und Frankreich unterschiedliche Strategien. Deutschland setzt mit seinem geplanten Kernnetz von 9.040 km Pipeline bis 2032 (davon 60 % umgewidmete Gasleitungen) stark auf den Netzausbau, während Frankreich noch keine konkreten Pipeline-Ausbauziele kommuniziert hat. Aus Branchenkreisen geht jedoch hervor, dass die H2Med-Pipeline, die von Spanien über Frankreich nach Deutschland führen soll, einen zentralen Wasserstoff-Pipelinekorridor für das Land darstellen dürfte.
Zudem ist die französische H2-Infrastruktur dezentral organisiert: Um urbane Knotenpunkte wie Lyon, Marseille, Paris und Nantes bilden sich größere Wasserstoff-Cluster oder Hubs mit eigener Produktion und Nutzung. Diese werden aber – nach heutigem Stand – nicht über eine gemeinsame Pipelineinfrastruktur miteinander verbunden.
Auch bei der stationären Nutzung verfolgen beide Länder verschiedene Ansätze: Frankreich verfügt über 124 stationäre Brennstoffzellenanlagen mit einer Gesamtleistung von 7 MW, hauptsächlich Notstromaggregate und integrierte Energiesysteme. Deutschland legt nach einer Erhebung des Energiewissenschaftlichen Instituts der Universität zu Köln (EWI) vom August letzten Jahres hingegen einen Fokus auf den Gebäudesektor mit 21.794 Brennstoffzellenheizungen, davon 20.984 in Wohngebäuden.
Technologie-seitig hat Frankreich derzeit 23 Fabriken für Schlüsselkomponenten von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen in Betrieb, darunter neue Gigafactories von HDF Energy in Blanquefort und McPhy in Belfort. Zu vergleichbaren Produktionsanlagen in Deutschland liegen noch keine umfassenden Zahlen vor.
Mobilität
Deutliche Fortschritte meldet France Hydrogène im H2-Mobilitätssektor: 80 Wasserstofftankstellen sind inzwischen in Betrieb, 17 davon produzieren den Wasserstoff direkt vor Ort. In Deutschland gibt es mit 82 Stationen (Quelle: H2.Live) aktuell ähnlich viele Tankstellen. Allerdings sind die Zahlen rückläufig, beispielsweise schloss der größte Betreiber H2 Mobility zum Jahresende 6 Standorte.
Die geografische Verteilung der Stationen unterscheidet sich indes deutlich: Während sich die französische Infrastruktur auf die Regionen Île-de-France, Auvergne-Rhône-Alpes und Bourgogne-Franche-Comté konzentriert, gibt es in Deutschland eine größere Flächenabdeckung in sieben Ballungszentren (Hamburg, Berlin, Rhein-Ruhr, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart und München) sowie entlang der verbindenden Fernstraßen und Autobahnen. Allerdings sind laut France Hydrogène 91 weitere Tankstellen in Frankreich in Planung.
Auch mit Blick auf die im Einsatz befindlichen Wasserstofffahrzeuge ähneln sich Deutschland und Frankreich. Über 2.000 Wasserstofffahrzeuge sind auf Frankreichs Straßen unterwegs, in Deutschland waren es laut der EWI-Studie 2.466. Die Verteilung auf die verschiedenen Fahrzeugklassen unterscheidet sich aber: Bei den PKW und leichten Nutzfahrzeugen liegt Deutschland mit 2.093 Fahrzeugen vor Frankreich mit etwa 1.600. Die Hauptstadt Paris setzt übrigens besonders stark auf H2-Mobilität im Taxigewerbe - 1.000 H2-Taxis stellen dort bereits 5% der Taxiflotte.
Im Schwerlastverkehr zeigt sich ein differenziertes Bild: Während Frankreich 71 Busse und nur 5 LKW einsetzt, verfügt Deutschland laut der EWI-Analyse über 74 Busse sowie insgesamt 256 LKW. Zusätzlich waren im August 43 Wasserstoff-Züge in Deutschland im Einsatz, zu denen es aus Frankreich keine Vergleichszahlen gibt. Die maritime Mobilität umfasst in beiden Ländern jeweils drei Projekte.
Arbeitsmarkt und Ausblick
Eine Besonderheit des France Hydrogène-Berichts ist der Blick auf den Arbeitsmarkt. Demnach beschäftigt die Wasserstoffbranche dort bereits 16.400 Menschen bei einem Umsatz von 2,4 Milliarden Euro und einem BIP-Beitrag von einer Milliarde Euro.
Dennoch warnte Verbandspräsident Philippe Boucly in einer Pressemitteilung vom Januar 2025: „Die öffentliche Förderung reicht angesichts der Mehrkosten gegenüber fossilen Kraftstoffen nicht aus." Für die weitere Entwicklung gebe es drei Prioritäten: vereinfachter Zugang zu CO₂-armem Wasserstoff, Unterstützung aller Fahrzeugtypen und ein beschleunigter Infrastrukturausbau. Der Ende 2024 gestartete Produktionsfördermechanismus sei zwar ein wichtiges Signal, müsse aber ausgebaut werden.
Auch in Frankreich hängt die Wasserstoffwirtschaft derzeit also noch „am Tropf öffentlicher Mittel", wie der Essener Energiekonzern Eon es im vergangenen Herbst formulierte. Auch in vielen der konkreten Zahlen ähneln sich Frankreich und Deutschland in vielen Punkten, wobei ein Trend zu erkennen ist: Deutschland setzt eher auf ein dichtes Pipelinenetz und H2-Importe, während Frankreich regionale Cluster mit eigenen Produktionsinfrastrukturen etabliert.