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Fraunhofer ISI untersucht Wasserstoff-Importstrategien

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Autor: Magnus Schwarz

Eine deutsche Wasserstoff-Importstrategie sollte zwischen Wasserstoffderivaten (links) und reinem Wasserstoff (rechts) differenzieren, weil sich Transportwege, Märkte, Anwendungsfelder und Exportländer unterscheiden
© Fraunhofer ISI
Wasserstoff Derivate Importstrategie Fraunhofer ISI

15. Februar 2024 | Im Forschungsprojekt “HyPat” hat das Fraunhofer ISI aus Karlsruhe existierende Studien zu Erzeugung, Produktion und Handel von Wasserstoff ausgewertet. Aus den in einem Impulspapier festgehaltenen Erkenntnissen hat das Institut nun Handlungsempfehlungen für eine deutsche Wasserstoff-Importstrategie abgeleitet. Dabei empfiehlt es insbesondere die Entwicklung unterschiedlicher Importstrategien für reinen Wasserstoff auf der einen Seite und Derivate auf der anderen.

Angesichts des Importziels der Bundesregierung von 50 bis 70 % des für 2030 prognostizierten Wasserstoffbedarfs bedarf es Wasserstoff-Importstrategien, so die Grundannahme eines Teams des Fraunhofer ISI. In “HyPat” untersuchte es zahlreiche Studien zu Kosten für Herstellung und Transport sowie mögliche Handelswege für grünen Wasserstoff und seine Derivaten. Daraus hat es Handlungsempfehlungen für deutsche Importstrategien sowohl für reinen Wasserstoff als auch für Derivate wie Ammoniak abgeleitet.
Bis 2050 erwarten die Studien nach Angaben des Fraunhofer ISI eine globale Wasserstoffnachfrage bis 2050 von 4 bis 11 %. Stellt man das globale Angebot dem Bedarf gegenüber, so lasse sich diese Nachfrage durch grünen Wasserstoff auch unter stark einschränkenden Annahmen, wie Ausschluss von Regionen mit Wasserstress oder geopolitischen Instabilitäten, decken. Die Entwicklung der Wasserstoffnachfrage hatte das Fraunhofer ISI bereits vor rund einem Jahr untersucht.

Deutschland sollte schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen

Prof. Dr. Martin Wietschel, der am Fraunhofer ISI das Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme leitet und Mitautor des HyPat-Impulspapiers ist, fasst mit Blick auf die Metastudie zusammen:

 “Die Bundesregierung wird im Frühjahr ihre Wasserstoff-Importstrategie vorstellen. Dafür gilt es eine Reihe von Aspekten zu beachten, allen voran Wasserstoff und Wasserstoffderivate separat zu betrachten.
Gerade weil der Importbedarf international begrenzt sein wird, muss Deutschland in Abstimmung mit der EU schon jetzt auf potenzielle Exportländer zugehen, die mittelfristig eine bedeutende Marktmacht erlangen werden. Verhandlungen sollten nicht in die Länge gezogen werden, damit Erstanbieter nicht andere Importeure in Betracht ziehen.
Daher sollte man “auf Augenhöhe” mit Exportländern Technologien und Geschäftsmodelle entwickeln sowie potenzielle Risiken “fair verteilen”. Dies diene der lokale Wertschöpfung ebenso wie der lokalen Energiewenden und helfe Deutschland bei der Erreichung seiner Klimaziele.

Importwege

Der Handel mit reinem Wasserstoff werde überwiegend in großräumigen regionalen Märkten mit einem Radius von 2.000 bis 3.000 km eine Rolle spielen. In diesen Bereichen werde der Transport voraussichtlich über Pipelines erfolgen. Aufgrund von Kostenvorteilen werden Schiffsimporte eher die Funktion einer Risikoabsicherung übernehmen.
Auf der anderen Seite gehe das Fraunhofer ISI davon aus, dass der Schiffstransport im internationalen Markt eine entscheidende Rolle spielen werde. Der internationale Markt für Wasserstoffderivate könnte sich analog zu den heutigen Ölmärkten, entwickeln.
Mit Blick auf Handlungsempfehlungen sollte der Metastudie zufolge eine deutsche Importstrategie klar zwischen Wasserstoff und Wasserstoffderivaten unterscheiden.

Import von reinem Wasserstoff

Beim Import von Wasserstoff seien folgende Aspekte zu beachten:

  • Infrastrukturaufbau: Der Aufbau eines Pipelinenetzes ist zeit- und kapitalintensiv, ließe sich aber aufgrund eines langsam anlaufenden Markthochlaufes realisieren.
  • Aus Erfahrungen lernen: Fehler beim Auf- und Ausbau des Gasnetzes wie die starke Fokussierung auf wenige Anbieter wie Russland gilt es zu vermeiden. Daher sollte nicht automatisch der kosteneffizienteste Importpfad gewählt werden.
  • Nachfragereduzierung: Durch Effizienz und Fokus auf wirklich notwendige Wasserstoff-Anwendungen wird die Nachfrage von vornherein begrenzt.
  • Diversifizierung: Durch verschiedene Lieferanten, Routen und Verkehrsträger sowie heimische Produktion gewisser Mengen werden Abhängigkeiten reduziert.
  • Widerstandsfähigkeit stärken: Diese lässt sich durch heimische Speicherung von Wasserstoff erhöhen, die Vorbereitung auf Versorgungsengpässe sollte ausgeweitet werden.
  • Marktdifferenzierung: Unterschiedliche Anforderungen an die Herstellung von Wasserstoff, etwa bezüglich Umweltstandards, begünstigen die Entstehung kleiner Märkte und höherer Preise, was aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sowie der Investitions- und Versorgungssicherheit zu vermeiden ist.
  • Importe aus der EU und EU-Anrainerstaaten bevorzugen: Deutschland sollte sich aus einer wirtschaftlichen Perspektive auf EU-Staaten mit guten Erneuerbaren-Potenzialen wie Spanien und EU-Anrainerstaaten wie Norwegen konzentrieren. Diese sind verlässliche Partner und die EU würde insgesamt gestärkt.

Importstrategie für Wasserstoffderivate

Für die Importstrategie für Wasserstoffderivate sei folgendes zu berücksichtigen:

  • Konkurrenz und Kooperation: Deutschland sollte insbesondere Japan und Südkorea – die beiden anderen Länder mit hohen Importbedarfen – als Konkurrenten, aber auch als mögliche Kooperationspartner betrachten.
  • Wasserstoff-Allianz: Aus Gründen der Marktmacht sollte eine gemeinsame Position mit EU-Importländern wie der Niederlande und Belgien beziehungsweise der EU insgesamt gesucht werden, etwa in einer europäischen Wasserstoff-Allianz.
  • eKerosin wird zum Erreichen der Klimaschutzziele im Flugverkehr benötigt, Alternativen gibt es so gut wie keine. Bestehende Importinfrastrukturen können weiter genutzt werden.
  • Methanol lässt sich als Treibstoff und in der chemischen Industrie als Grundstoff einsetzen. Bisher gibt es aber nur wenig Infrastruktur und Schiffe zum Transport.
  • Ammoniak ließe sich als Träger für Wasserstoff nutzen, was jedoch mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden und daher kostspielig ist. Für eine Direktnutzung kommt künftig der Schiffsverkehr und unter Umständen auch die Stromerzeugung in Frage, wobei für letzteres noch ein hoher Entwicklungsaufwand nötig ist.

Bedingungen für Exporte

Künftige Exportländer sollten neben guten Bedingungen für die Erzeugung erneuerbarer Energien Zugang zu kostengünstigen Finanzierungen und nationalen Fonds haben, damit Kapitalkosten gering bleiben. Dies sei besonders wichtig, da diese einen hohen Einfluss auf die Gesamtkosten haben. Aspekte wie Wasserverfügbarkeit, politische Stabilität, technologisches Know-how und Transportdistanzen spielen laut dem Fraunhofer ISI ebenfalls eine zentrale Rolle.
Der globale Handel zwischen 2030 und 2050 werde voraussichtlich nur ein Drittel des Gesamtbedarfs ausmachen. Der Grund dafür sei, dass der Importbedarf für Wasserstoff eher gering bleibe und viele Länder wie die USA oder China ihren Wasserstoffbedarf überwiegend selbst decken können.

Verlagerung der Wertschöpfungsketten

Dies gelte indes nicht für Deutschland. Da grüner Wasserstoff und seine Derivate kurz- und mittelfristig eher teuer und knapp bleiben werden, sollte sich eine Importstrategie laut dem Fraunhofer ISI auf Bereiche fokussieren, in denen sich die Klimaziele nur unter Anwendung von Wasserstoff erreichen lassen. Dazu zählten die Stahl- und Grundstoffindustrie sowie der internationale Flug- und Schiffstransport oder Raffinerien.
Potenzielle Wasserstoff-Exportländer verfolgten teilweise Strategien, künftig höhere Anteile an der Wertschöpfungskette im eigenen Land zu behalten. So werde man anstelle von Wasserstoff etwa Eisenschwamm für die Stahlherstellung oder Chemieprodukte wie Ammoniak exportieren. Dies könne die deutsche Industrie vor Herausforderungen stellen.
Länder wie die USA könnten bei Segmenten der Wasserstoff-Wertschöpfungskette in Produktion und bei Industrieanwendungen zu Spitzenreitern werden. Gerade für die USA könnte dies leicht sein, da sie über große und günstige Ressourcen zur Herstellung von grünem Wasserstoff verfüge. Zudem besitze sie bereits heute beträchtliche Marktanteile bei industriellen Anwendungen, in denen Wasserstoff künftig eine wichtige Rolle spielen kann.
(Quelle: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI/2024)

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