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Energiepark Bad Lauchstädt: Einblicke in ein Pionierprojekt

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Autor: Sophia Jenke

Hans-Joachim Polk, Vorstand Infrastruktur & Technik bei der VNG AG, und Holger Kreetz, Chief Operating Officer bei Uniper SE
© Uniper SE
Hans-Joachim Polk, Vorstand Infrastruktur & Technik bei der VNG AG, und Holger Kreetz, Chief Operating Officer bei Uniper SE

Im Energiepark Bad Lauchstädt arbeiten Uniper SE, VNG AG, VNG Gasspeicher GmbH, Ontras Gastransport GmbH, Terrawatt Planungsgesellschaft mbH, VNG Handel & Vertrieb GmbH und das DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg an einem Reallabor für den Hochlauf von grünem Wasserstoff. Im Jahr 2023 konnten dabei wichtige Meilensteine erzielt werden. Welche das sind, wie es zu ihnen kam und warum der Energiepark Bad Lauchstädt ein einzigartiges Projekt ist, erläutern Hans-Joachim Polk, Vorstand Infrastruktur & Technik bei VNG AG, und Holger Kreetz, Chief Operating Officer bei Uniper SE im Interview.

H₂News: Herr Polk, was macht das Projekt Energiepark Bad Lauchstädt so besonders?

Hans-Joachim Polk: Es ist eine einzigartige „Konstellation der Willigen“ aus sieben mutigen Partnern zusammengekommen, die an das Thema Wasserstoff glauben und zusammen die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Zudem sind wir bald die Ersten und Einzigen, die grünen Wasserstoff im industriellen Maßstab nach allen Regularien herstellen, mit eigenem Wind, einem großen Elektrolyseur und einer eigenen Transportleitung über 25 km. Zudem haben wir kürzlich den ersten langfristigen Abnahmevereinbarung mit Total Energies für unseren selbstproduzierten grünen Wasserstoff abgeschlossen.

H₂News: Können Sie kurz skizzieren, wie die Elemente des Projekts zusammenkamen?

Polk: Die Idee für den Energiepark entstand in der Initiative HYPOS in Mitteldeutschland. Daraus haben sich verschiedene Partnerschaften entwickelt. Interessanterweise ging es in der Anfangsphase vor allem um die Wasserstoffspeicherung im Kavernenspeicher, allerdings haben wir uns bald auf die Produktion konzentriert, um den nötigen Wasserstoff erstmal herzustellen. So kamen wir zu Uniper und dem regionalen Projektierer Terrawatt, der früh an dem Thema Windparks für Elektrolyse gearbeitet hat. Die Frage nach dem Transport hat sich daraus logisch ergeben, und wir hatten das Glück, den Netzbetreiber Ontras ans Bord holen zu können.

H₂News: Herr Kreetz, wann hat Uniper entschieden, in die Erzeugung von Wasserstoff einzusteigen?

Holger Kreetz: Wir beschäftigen uns schon seit 2011 mit Wasserstoff. Damals haben wir im Rahmen des Projekts WindGas Falkenhagen als eines der ersten Unternehmen überhaupt einen Elektrolyseur gebaut, um aus Windstrom Wasserstoff zu erzeugen und ins Gasnetz einzuspeisen. 2018 haben wir dann entschieden, das Thema größer aufzuziehen. Wir haben dafür ein Team gegründet und uns nach geeigneten Projekten umgeschaut. Dabei sind wir relativ schnell, im Jahr 2019, auf die VNG aufmerksam geworden, die das Projekt Bad Lauchstädt schon in der Entwicklung hatte. Gemeinsam haben wir es dann zu dem gemacht, was es heute ist.

H₂News: Die Dimension von Bad Lauchstädt ist mit 30 MW etwas kleiner als die anderer Projekte.

Kreetz: Genau, und das ist eine seiner Stärken. Für uns war es genau das richtige Projekt, sowohl von der Größe als auch von der Komplexität her. Zwischen 2018 und 2020 starteten viele Marktbegleiter Projekte mit Kapazitäten von 100-300 MW Kapazität. Wir fanden aber, dass man mit einer zweistelligen MW-Klasse beginnen sollte. So lernt man praktische Dinge von Grund auf kennen, etwa die Elektrolysetechnik, Speicherung, Stromversorgung und Betriebsverhalten. Uniper treibt auch größere Vorhaben in ganz Europa voran, aber der Energiepark Bad Lauchstädt war das perfekte Projekt, um in den Wasserstoff-Markt einzutreten. Und 30 MW sind ja nicht wenig. Wenn die Elektrolyse Ende 2025 wie geplant in Betrieb geht, wird es die größte Anlage ihrer Art in Deutschland sein und bis zu 6.000 m³ grünen Wasserstoff pro Stunde produzieren.

H₂News: Wie sind Sie bei der Projektierung von 30 MW vorgegangen?

Polk: Unser Arbeitsprozess spiegelt den Reallabor-Charakter des Energieparks Bad Lauchstädt gut wider. Es gibt derzeit keine Studien dazu, wie groß ein Windpark sein muss, um eine bestimmte Elektrolyseurkapazität zu betreiben. Wir haben uns daher für die 30 MW, entschieden, weil sie von einem 40 MW Windpark konstant versorgt werden können. So bleibt immer genug Überschuss, um auf genügend Volllaststunden zu kommen. Wir haben uns also vor allem auf unsere Erfahrung als Anlagenbetreiber verlassen. Jetzt ist der Windpark mit 50 MW noch größer geworden, weil sich die Turbinen in der Zeit zwischen Planung und Realisierung technisch weiterentwickelt haben. Die Windräder werden also über sehr viele Stunden, die für die Elektrolyse benötigten 30 MW liefern.

Baustelle des Energieparks Bad Lauchstädt

Blick auf die Baustelle des Energieparks Bad Lauchstädt (© VNG AG/Tom Schulze)

H₂News: Sie sind als Pioniere herangegangen, was aber sicher nicht immer einfach war. Wo gab es Herausforderungen?

Polk: Das Reallabor wird auch von der Regierung als Chance gesehen. Deshalb erhalten wir Fördermittel aus dem Topf „Reallabore der Energiewende“, die wirklich helfen. Unsere Erfahrungen mit den zuständigen Behörden waren durchweg positiv, aber mit einem solchen Fördervolumen umzugehen und die notwendigen Unterlagen zusammenzutragen, war eine der ersten Herausforderungen. Außerdem haben wir uns viel Zeit genommen, um unseren anfänglichen Pioniergeist in ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept umzuwandeln.

H₂News: Was stand dabei im Vordergrund?

Polk: Zunächst ging es vor allem um zwei Fragen: Erstens, zu welchem Preis wir den Strom beziehen können, und zweitens, zu welchem Preis sich der Wasserstoff so verkaufen lässt, dass er für potentielle Abnehmer attraktiv wird. Diese beiden Schlüsselfragen konnten wir durch die ausgezeichnete Kooperation aller Partner beantworten und so aus einer enthusiastischen Idee, die alle gut fanden, ein auch ökonomisches sinnvolles Projekt gestalten.

Kreetz: Ich kann das nur unterstreichen. Zudem mussten wir von Tag 1 alles richtig aufsetzen, angefangen bei der richtigen Gestaltung der Baustelle für den Windpark und die sonstigen Anlagen. Man muss sich vor Augen führen, dass wir zu dem Zeitpunkt noch keinen Abnahmevertrag für den Wasserstoffhatten. Trotzdem haben beide Unternehmen die finale Investitionsentscheidung getroffen und den Elektrolyseur realisiert.

H₂News: Im November 2023 unterzeichneten Sie dann den Abnahmevertrag mit Total Energies.

Kreetz: Genau. Und das ist der erste und meines Wissens nach bislang auch einzige Vertrag in dieser Größenordnung über die langfristige Lieferung von grünem Wasserstoff an einen industriellen Abnehmer in Deutschland. Total Energies wird damit den grauen Wasserstoff aus seiner Raffinerie in Leuna durch grünen substituieren. Wer schon einmal an einem großen Verbundprojekt beteiligt war, weiß, dass das Gelingen jeder einzelnen Partnerschaft eine Herausforderung sein kann – gerade bei einem solchen Pionierprojekt. Das gilt für den Windpark, den Elektrolyseur, den Speicher, die Transportleitung und so weiter.

Polk: Ganz entscheidend für das Gelingen des Projektes war dabei die Kooperation mit den beiden Gemeinden Bad Lauchstädt und Teutschenthal. Beim Bau der Windparks haben wir von ihnen viel Unterstützung erfahren, wofür ich sehr dankbar bin.

H₂News: Welche weiteren Milestones haben Sie 2023 erreicht?

Polk: Das war neben dem Abnahmevertrag mit Total Energies ganz klar unsere finale Investitionsentscheidung. Beides haben wir sehr professionell hinbekommen, auch dank der Erfahrung von Uniper. Dann haben wir zum Jahresende die erste Windkraftanlage und die Umspannstation installiert. Das muss man sich mal vorstellen: Die Genehmigung hat unser Partner Terrawatt erst ein halbes Jahr vorher erhalten. Uns kam dabei vor allem deren regionale Erfahrung zugute, denn sie haben den Bau der Anlagen super gemanaged.

H₂News: Wo wird das Projekt 2024 stehen?

Kreetz: Der Windpark wird fertig gebaut sein – das ist ein wichtiges Etappenziel. Außerdem wollen wir mit dem Hochund Tiefbau vorankommen und die ersten Stacks installieren. Bis Mitte 2025 soll der Großteil des Baus abgeschlossen sein, damit der Betrieb nach einer Testphase wie geplant Ende 2025 anlaufen kann.

H₂News: Am 15. Februar hat die EU-Kommission die beihilferechtliche Genehmigung für 33 europäische Wasserstoffinfrastrukturprojekte erteilt, von denen 24 in Deutschland situiert sind – darunter der Energiepark Bad Lauchstädt. Ist Deutschland ein Zentrum des Wasserstoffhochlaufs in Europa?

Polk: Wir haben definitiv die Chance, dahin zu kommen. Das Kernnetz spielt dafür eine ebenso wichtige Rolle wie die nun genehmigten IPCEI Projekte Wir können in Deutschland theoretisch sehr schnell Wasserstoff in Form von Ammoniak oder Pipelines anlanden und wären in der Lage, ihn weiterzutransportieren und zu verteilen. Außerdem haben wir die erforderliche Kundenbasis und können auch eine inländische Produktion hochfahren. Ich nehme wahr, dass dies im innereuropäischen Ausland durchaus anerkannt wird.

Kreetz: Ich bin genau derselben Meinung. Deutschland hat nun die Chance, bei dem Thema Wasserstoff voranzugehen. Das tun wir bereits, wie die Entscheidung für das 10.000 km lange Kernnetz und gezeigt hat. Dazu haben wir eine gut etablierte Grundstoffindustrie mit ambitionierten Dekarbonisierungszielen. Die Liste der Beispiele ist lang. Auch in Sachen Wasserstoffspeicherung können wir Vorreiter sein und beweisen dies in mehreren Projekten. Die Machbarkeit ist also da, jetzt muss nur noch die Regulierung hinterherkommen. Dann können wir die Geschwindigkeit der letzten drei Jahre noch steigern und ein Pionier in Europa sein, indem wir Grundfragen des Wasserstoffhochlaufs beantworten und ihn so für Europa vorbereiten.

H₂News: Herr Polk, Herr Kreetz, vielen Dank für das Interview!

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